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Sex

Wie Männer mit Trennungen umgehen

Können wir nicht oder wollen wir nicht über unsere Gefühle sprechen? Vermutlich beides. Mein Erklärungsversuch als Mann.
Foto: Public Domain

Es gibt zwei Arten von Trennungen: Die, die du mehr oder weniger locker wegsteckst, und die, die dich zu einem seelischen Wrack machen. Letztere übernehmen dein Leben mit solch einer Wucht, dass sie deine Weltanschauung bis in die Grundfesten erschüttern. Alles verliert an Sinn und von diesem Moment an beginnst du dich selbst zu hinterfragen—du wirst dir selbst zum grössten Feind.

Deine Gedanken hintergehen dich, verlaufen sich in Ecken deines Gehirns, in denen sie ansonsten Hausverbot haben. Ja, auch wir Männer können leiden. Da habt ihr's. Nur: Können wir diese Horrorszenarien auch mit unseren Mitmenschen teilen? Führen wir therapeutisch wertvolle Gespräche mit besten Freunden, damit wir das Geschehene besser verarbeiten können? Kaum.

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Wir sind echte Idioten und scheinen stolz darauf, unfähig zu sein, aus unseren eigenen Klischees auszubrechen. Also, was passiert bei einer Trennung wirklich? Was tun Männer, wenn das eigene Herz schon längst eine Bluttransfusion bräuchte? Wir flüchten uns in bewährte stereotype Verhaltensmuster.

Wir sind überzeugt davon, dass wir während der eben zerbrochenen Beziehung zum Pantoffelhelden mutiert sind und dass dies mitunter ein Trennungsgrund war. Das Ende unserer Liebesgeschichte macht uns wieder zu dem Bad Boy, der wir eigentlich immer waren. Wir legen jegliche Verantwortung für unser Handeln ab—wir wurden schliesslich verletzt, das Herz wurde uns gebrochen. Wir nehmen uns alles Recht dieser Welt, um uns wie Arschlöcher aufzuführen.

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Zwischen zwei Tequila-Shots und einem Quickie auf dem Club-Klo reden wir uns ein, dass wir diese abgefuckte Version unseres Lebens gewählt haben. Dabei hassen wir jede Sekunde davon. Doch sich das einzugestehen, käme einer unverzeihlichen Niederlage gleich. Genau darum rasen wir mit voller Wucht Richtung Selbstzerstörung und finden es auch noch geil.

Wir können uns nicht eingestehen, dass wir einem Zustand nachtrauern, den es so nicht mehr gibt. Ein Teil unseres Lebens ist weg und es folgt nichts Neues, dass diese Leere füllen könnte. Anstelle der Beziehung bleibt bloss ein Phantom-Schmerz.

Versuche aus diesem Schema auszubrechen, sind deutlich schwieriger als erwartet. Es ist ja nicht so, dass es keine Gefühlsausbrüche geben würde. Diese werden aber im Panik-Modus so schnell wie möglich im Keim erstickt. Bringt ein Freund doch den Mund auf und versucht das Chaos in seinem Kopf in Worte zu fassen, ringt das (männliche) Umfeld meist vergeblich um eine angemessene Reaktion.

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Ein „Verdammt, ich vermisse sie so sehr! Ich habe sie doch geliebt, sie hätte die Eine sein sollen!" wird in einer Männerrunde gut und gerne mit einem simplen „Ist ja gut, Alter. Jetzt halt die Fresse und trink weiter" quittiert. Die Ironie solcher Situationen: Alle meinen es gut mit dir. Im Idealfall steht jemand bereit, der dich, den Leidenden, dann kurz zur Seite nimmt. In solchen Augenblicken können echte Gespräche entstehen, die wirklich hilfreich sind. Alles davor und danach musst du trotzdem irgendwie alleine überstehen.

Mit dem Ende einer Beziehung beginnt ein neues Ritual. Wir durchlaufen einen Zyklus, der uns dabei helfen soll, wieder zu uns selbst zu finden: Freunde kommen vorbei, es wird gemeinsam Zeit verbracht, auch geredet—nur nicht über das.

Wir machen nicht „zum Quatschen ab", wir gehen Fussball schauen, zocken Call of Duty und helfen uns gegenseitig beim nächsten Aufriss. Die Solidarität wird durch physische Präsenz und psychische Ablenkung markiert. Meistens reicht es, teilweise ist es zu wenig.

Besonders schwierig wird es, wenn sogar die eigenen Refugien versagen. Wenn selbst ein Obi-Wan Kenobi beim Star Wars-Binge-Watching plötzlich anfängt „ex-freundisch" zu sprechen und Sätze wie „Du warst der Auserwählte!" eine neue Bedeutung bekommen. Dir bleibt nichts weiter, als zustimmend zu nicken und dir zu denken: „Scheisse, das hätte ich meiner Ex auch sagen sollen." Die Verflossene wird omnipräsent—es gibt keine Flucht vor den eigenen Gedanken.

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Doch was müssen wir Männer tun, damit wir endlich aus diesem Schema ausbrechen können? Es kann schon sein, dass das Gedankengut, mit dem wir aufgewachsen sind, uns daran hindert, ehrlich gegenüber uns selbst zu sein. Wir haben solche Angst, Schwäche zu zeigen, dass wir versuchen, den Herzschmerz komplett zu ignorieren. Was natürlich totaler Schwachsinn ist. Egal ob Mann oder Frau: Früher oder später holt die Realität jeden ein.

Foto: Public Domain

Die Befreiung des Mannes durch sich selbst stellt dabei die grösste Hürde dar. „Echte Männer" sein wollen und gleichzeitig nach einem Konstrukt aus gesellschaftlicher Verblendung handeln. Allerdings tanzt das Leben nicht nach dieser Klischee-Pfeife. Trauer braucht Zeit.

Wenn jemand leidet, gibt's kein richtig oder falsch. Einige verkriechen sich unter die Bettdecke, andere verkommen zu „Ich ficke mich durch die halbe Stadt"-Wahnsinnigen. Trennungsverhalten ist irrational und oft eine Mischung aus beidem.

In der Theorie wüssten wir es besser, dennoch verfallen die meisten Männer ins Muster „harter Kerl", sobald eine gefühlsmässige Überbelastung stattfindet. Folglich können wir schlecht darüber reden, da wir es nie gelernt haben und wollen nicht darüber reden, weil es bisher auch ohne die grosse Gefühlsoffenbarung ging.

Glücklicherweise gehen selbst die herbsten Niederlagen irgendwann im ständigen Strudel neuer Erfahrungen unter. Die Schwere, die über Monate zum Begleiter wurde, weicht einer gewissen Leichtigkeit. Was bleibt, ist die Erinnerung: Ein Schmerz, der einst deinen gesunden Menschenverstand an seine Grenzen und darüber hinaus gebracht hat. Ein Schmerz, der dich körperlich erschüttert und bis heute in gewissen Momenten, in denen du es am wenigsten erwartest, wieder trifft. Ja, auch wir Männer spüren das. Aber darüber zu sprechen, fällt uns unendlich schwer.

Ivan kommentiert Star Wars-Zitate auch via Twitter: @iiivanmarkovic

VICE Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: Public Domain