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Popkultur

Wie man einen Witz schreibt

Wir haben mit leuchtenden Beispielen gesprochen und ihnen die schwierigste Frage der Welt gestellt: Wie bringt man Menschen zum Lachen?

Auch, wenn Comedy immer noch nicht so akzeptiert ist wie andere „literarische“ Formen des Schreibens, ist es definitiv eine der unbarmherzigsten. Im Gegensatz zu Prosa und Lyrik ist ein Scheitern in der Comedy (und Comedians scheitern ständig) immer auch ein öffentlicher und umso peinlicherer Akt. Die eher seltene Ausnahme ist es, dass Comedians Erfolg haben—im Sinne von: bezahlt werden für ihre Witze und gelegentlich im Fernsehen auftreten. Wir haben mit leuchtenden Beispielen gesprochen und ihnen die schwierigste Frage der Welt gestellt: Wie bringt man Menschen zum Lachen?

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„Fang mit einem Geräusch an. Es gibt Geräusche, die lustig sind. K-Geräusche und T-Geräusche („Kacka“ und „Totesamazeballs“) sind lustig, während M- und Sch-Geräusche in deiner Vorstellung eher sanft klingen und dich damit immer weiter vom begehrten Lacher entfernen. Natürlich klingt dieser Logik zufolge Carrot Top lustiger als Mary Shelley und mit etwas Glück siehst du auch, warum (er spielt in Vegas, sie ist tot). Klingt gut? In der Comedy geht es darum, Regeln zu brechen. Denke an ganz normale Dinge (Cornflakes, Straßen, eine Wiese) und stelle sie einer überraschenden Sache gegenüber (Clowns, 10.000 Hunden, Tracy Chapman). Du hast eine Regel genommen und sie gebrochen. Stelle dir zwei Kreise vor—einen für normale Dinge und einen anderen mit genau dieser Art von Abbiegungen. Irgendwo in der Schnittmenge liegt das, was wir lustig nennen. Finde es und dann erzähl niemandem davon, sonst machen sie einen Carlos Mencia (es stehlen und mit einer Latino-Note selbst bringen) oder schreiben es irgendwo online (LinkedIn, Monster.com etc.). Hab Spaß an Comedy! Heutzutage ist so ziemlich jeder Comedian, also wirst du auch ein paar verrückte neue Freunde kennenlernen.“
JON DALY
Autor und Schauspieler der Kroll Show und bei The Secret Life of Walter Mitty

„Die Witze sollten fließen wie Tränen, aber du musst dein Gehirn von Ablenkungen fernhalten. Sonst wird es verstopft und es kommt einfach gar nichts mehr raus. Es ist ein schmerzhafter Prozess. Ich empfehle es niemandem.“
NEIL HAMBURGER
Comedian, dessen neues Buch First of Dismay am 22. Juli erscheint

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„Ein guter Witz stellt eine unerwartete Verbindung zwischen zwei verschiedenen Ebenen her. Ein Anfang ist es, die sichtbarsten Eigenschaften deines Zielobjekts herauszudestillieren, um sie dann zu verspotten, indem wenig schmeichelhafte, aber plausible Verbindungen geschlagen werden. Je unerwarteter und plausibler diese Verbindung ist, desto besser wird der Witz ankommen.“
FRITZ JERGITSCH
Erfinder von Die Tagespresse und TV-Witzeschreiber

„Versuche, denselben Blick auf die Welt zu haben wie ein verblödetes, zurückgebliebenes Kind. Das ist lustig! Denken Sie, dass die Menschen im Fernsehen WIRKLICH so klein sind? Da habt ihr einen Witz.“
MEGAN AMRAM Autorin für Parks and Recreation und des kommenden Buches Science … For Her!

„Im Grunde genommen ist die Pointe überall. Alles kann die Auflösung eines Witzes sein. Die Kunst liegt darin, ihr den Weg zu bereiten.“
TINGUELY DÄ CHNÄCHT
Rapper und Schreiber

Aus dem Baukasten des kleinen Satirikers kann ich diese Anleitung empfehlen: Nehmen Sie die grösste öffentliche Fehlleistung der letzten Tage und erklären Sie, was daran gut ist. Wenn neben Ihnen noch jemand anderer darüber lacht, hat’s funktioniert.“
DOMENICO BLASS
Chefschreiber Giacobbo/ Müller, Schweizer Fernsehen

„Witze schreiben, ist in meinen Augen keine Kunst, und man muss dafür auch nicht mit einem Glas Rotwein im Louvre in Paris sitzen. Bier, Kronen Zeitung und ein Beisl in Floridsdorf tun’s auch. Ansonsten ist es wohl eine Kombination aus Handwerk und Hass. Vor allem Hass—denn Witze zu schreiben über Schokolade ist viel schwerer als Witze zu schreiben über Politiker. Sehr wichtig ist detaillierte Recherche: Wenn ich nur weiß, dass Faymann Bundeskanzler ist, kann ich sehr schwer Witze über ihn machen. Wenn ich aber weiß, was seine Hobbys sind und wie sein Büro aussieht und wohin er auf Urlaub fährt, hab ich gleich viel mehr Möglichkeiten. Die Pointe selbst ist oft nichts anderes als eine extreme Übertreibung der Realität. Wenn man beim Faymann-Beispiel von zuvor bleibt und in der Zeitung liest, dass er für sein Büro einen Praktikanten sucht, dreht man’s einfach um und hat den Witz: „Kanzler Faymann will einen Praktikanten für die SPÖ. Ich war verwirrt, als ich das gelesen habe. Ich dachte, Faymann IST der Praktikant?“
JÜRGEN MARSCHAL
Gag-Autor für Willkommen Österreich und Autor für TV, Film und Theater