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Wie Obama Präsident Trump das Leben schwer machen könnte

Kann Obama Trump noch mal schön ins Weiße Haus scheißen?

Foto: Cheriss May | NurPhoto via Getty Images

Immer wieder hatte Barack Obama Donald Trump während des Wahlkampfes als hetzerischen Aufschneider, der in der Politik nichts zu suchen habe, bezeichnet. Trotzdem blieb Obama Mittwochfrüh nichts anderes übrig, als Trump zur gewonnen Wahl zu gratulieren. Obwohl Obama in seiner Rede die amerikanischen Bürger dazu aufrief, ihr neues Staatsoberhaupt zu unterstützen, sprach er auch das aus, was bereits alle wussten.

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"Es ist kein Geheimnis, dass der designierte Präsident und ich einige sehr gegensätzliche Ansichten haben", so Präsident Obama. Doch auch Obama und George W. Bush waren 2008 nach einem harten Wahlkampf nicht gerade beste Freunde gewesen und trotzdem, so erinnerte Obama die USA, hätten sich Bush und seine Leute ihm gegenüber "nicht professioneller oder anständiger" verhalten können.

Die friedliche Machtübergabe hat in der US-amerikanischen Politik eine lange Tradition, auch wenn viele Beobachter daran zweifelten, dass Trump selbst diese im Falle einer Niederlage befolgt hätte. Doch "friedlich" muss nicht zwangsläufig "freundlich" bedeuten—und Präsident Obama wird noch ein paar Wochen lang der mächtigste Mann der Welt bleiben. Schaut man sich die massiven politischen Differenzen zwischen ihm und Trump an, muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob Obama nicht ein paar kleine Änderungen oder Vorsichtsmaßnahmen vornehmen kann, bevor er Trump die Schlüssel zum Weißen Haus übergibt.

Um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, welche Möglichkeiten Obama in der Zeit bis zum 20. Januar 2017 noch hat, um Trump das Leben ein bisschen schwerer zu machen, haben wir mit Mark Tushnet gesprochen. Er ist Professor an der Harvard Law School und arbeitete bereits mit dem

Supreme Court Richter

Thurgood Marshall zusammen. Er ist, unter anderem, auf Verfassungsrecht und Rechtsgeschichte spezialisiert. Hier ist seine Einschätzung darüber, was in den nächsten Wochen passieren könnte.

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VICE: Obama wird noch ein paar Monate als Präsident im Amt sein. Hat er bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft, etwas in den zentralen Themen wie Einwanderung, Klimawandel oder Waffenkontrolle zu unternehmen, in denen er und Trump völlig unterschiedlicher Meinung sind? Er wird zwar im republikanischen Kongress keine neuen Gesetze mehr durchbringen können, aber welche anderen Möglichkeiten bleiben ihm als Staatsoberhaupt?
Professor Mark Tushnet: Formal gesehen hat er seine Macht bis zum Mittag des 20. Januars nächsten Jahres noch nicht ausgeschöpft. Praktisch gesehen ist es aus politischer Sicht jedoch sehr unwahrscheinlich, dass er in dieser Zeit noch etwas Grundlegendes unternehmen wird. Obama könnte zwar Änderungen vornehmen—Präsident Trump könnte am 21. Januar jedoch alles rückgängig machen. Theoretisch verfügt Obama jedoch noch über die volle Macht als Präsident.

OK, aber kann Obama denn irgendetwas tun, um Trump irgendwelche Grenzen zu setzen oder ihm den Amtsantritt zu erschweren?
Es gibt bestimmte Möglichkeiten, mit denen clevere Bürokraten es einem Nachfolger sehr schwer machen können, bereits getroffene Entscheidungen rückgängig zu machen. Obama könnte beispielsweise Notverordnungen einsetzen, die er momentan schneller umsetzen könnte als sonst. Oder er könnte seinem Stab gewisse Weisungen geben, die nur schwer zu widerrufen wären. All das sind Mittel, die jeder clevere Bürokrat kennt. Aber wie gesagt ist es aus praktischer Sicht unwahrscheinlich, dass Präsident Obama irgendetwas davon unternehmen wird, da es mehr oder weniger sinnlos ist: Es macht seinem Nachfolger das Leben schwer und schadet seinem eigenen Ruf; und dieser Ruf ist Obama wichtig.

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Aber wenn ein Dekret des Präsidenten erstmal in Kraft getreten ist, ist es doch nicht so schnell wieder rückgängig zu machen, oder?
Es gibt ein politisches Phänomen namens Midnight Regulation, das die Verabschiedung von Richtlinien im Dezember oder Anfang Januar am Ende der Amtszeit eines US-Präsidenten beschreibt. Diese Midnight Regulations gibt es manchmal—aber nicht so oft, wie man denkt. Diese Richtlinien müssen schon weit fortgeschritten sein, damit sie in der gegebenen Zeit noch den vorgegebenen Prozess bis zur Verabschiedung durchlaufen können. Dieser Prozess ist langwierig und kann nicht mal eben so in den nächsten acht Wochen durchlaufen werden. Aber falls es Richtlinien gibt, die schon fast beschlossen sind, können diese noch verabschiedet werden.

Ich sollte dazu sagen, dass es ein Gesetz gibt, um ein Eilverfahren im Kongress zur Aufhebung von Midnight Regulations einzuleiten. Bisher wurde es zwar nur einmal genutzt, aber dieses Gesetz gibt es. Sollte also noch eine Midnight Regulation verabschiedet werden, könnte dieses Sondergesetz im Januar angewandt werden, um sie wieder aufzuheben.

Ist es nicht wahrscheinlich, dass viele der wichtigen Entscheidungsträger in den Bundesbehörden, wie dem Justizministerium, weitermachen werden? Und kann Obama nicht einfach noch ein paar Leute ernennen, die auch für die neue Regierung arbeiten werden, so wie es George W. Bush gemacht hat?
Ja, es gibt bei den Bundesbehörden in Washington das Phänomen Burrowing, bei dem politisch gefärbte Mitarbeiter—die sogenannten Appointees—in den öffentlichen Dienst eingeschleust werden. Die politischen Appointees können einfacher gekündigt werden, aber die Appointees im öffentlichen Dienst können nur in einem aufwendigen Verfahren entfernt werden. Burrowing tritt nach Wahlen manchmal auf. Es gibt zwar informelle Regeln dagegen, aber es passiert trotzdem. Damit hievt man Mitarbeiter, die mit der Richtung der neuen Regierung nicht übereinstimmen, in bestimmte Positionen, von wo aus sie Prozesse verlangsamen können. Aber letztlich können sie nicht verhindert, dass diese Richtung eingeschlagen wird.

Was ist mit neuen Untersuchungen gegen Verstöße gegen bestehende Bürgerrechte, die vom Justizministerium eingeleitet werden? Oder mit anderen Untersuchungen auf Regierungsebene?
Untersuchungen unterschiedlicher Art können eingeleitet werden und weil die von der unteren Ebene—dem öffentlichen Dienst—bearbeitet werden, werden sie mehr oder weniger in normaler Geschwindigkeit abgearbeitet.

Ein neuer Präsident kann die nur schwer loswerden, oder? Besonders wenn diese Untersuchungen sensible Bereiche wie Hassverbrechen oder Islamophobie betreffen?
So muss man das formulieren. Man kann sie nur schwer loswerden. Ein gutes Beispiel ist die Black-Panther-Untersuchung am Ende der zweiten Amtszeit von George W. Bush und bevor Barack Obama als Präsident vereidigt wurde. Die Abteilung Wahlrecht im US-Justizministerium hat eine Untersuchung über einen Vorfall in Philadelphia eingeleitet. Doch das Justizministerium unter der neuen Obama-Regierung hat diese Untersuchung gestoppt. Dafür wurde die Regierung deutlich kritisiert. Der scheidende Präsident kann dem neuen Präsidenten kleinere und kurzfristige Stolpersteine in den Weg legen.