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Wir haben die Kantonspolizei Solothurn sehr ausführlich zu ihren neuen Segways befragt

Unsere Odyssee durch die Bürokratie wurde mit 14 Antworten auf 14 Fragen belohnt.

Segways sind meiner Vorstellung nach das pure Gegenteil von Polizisten: Wer bereits einmal mit ihnen fahren durfte, liebt sie, wer noch nie in den Genuss kam, pflegt eine eher schwierige Beziehung zu ihnen. Ein weiterer Punkt, der gegen die Vereinbarkeit von Polizei und Segways spricht, ist die Frage des Respekts. Kann eine staatliche Institution, zu deren Grundprinzipien es gehört, Respekt einzuflössen, auf einem der lächerlichsten Vehikel des 21. Jahrhunderts, mit dem sie nicht einmal ein normales Moped stellen können, durch die Gegend rollen?

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Trotz dieser Unterschiede haben die beiden bei der Kantonspolizei Solothurn zusammen gefunden. Dementsprechend stark erhöhte sich die Frequenz meines Herzschlages, als ich diesen Tweet der Kantonspolizei in meinen Twitterfeed aufspürte:

Screenshot von Twitter

Das war vor genau 24 Tagen. Damals wusste ich noch nicht, dass sich dieser Tag als jener in mein Gedächtnis einbrennen würde, an dem meine ganz eigene Segway-Tour durch die Wirren der Bürokratie begann. Ohne Reisegruppe, ohne Warnweste, ohne Fahrradhelm—dafür mit einem verbleibenden Fünkchen Würde. Hier ist das Tour-Tagebuch.

Freitag, 22. April 2016. Ich greife zum Telefon, wähle die Nummer der Medienstelle der Kantonspolizei Solothurn, die den Twitter-Account betreibt, und spreche nach etwa dreimaligem Klingeln mit dem Verantwortlichen. Meine Bitte, jemanden zur neu geschaffenen Segway-Einheit befragen zu können, wird ausgeschlagen. Zu wenig wisse man bei der Medienstelle dazu. Aber: Ich bekomme die Nummer der Polizei in Olten, der Stadt, in der die Segway-Einheit stationiert ist. Erneut wähle ich die Nummer einer Polizeistation und versuche mein Glück in Olten. Dieselbe Frage ("Kann ich mit jemandem über die neuen Segways sprechen?"), dieselbe Antwort ("Nein, wir wissen zu wenig dazu"). Wiederum werde ich weiterverwiesen, dieses Mal allerdings nicht an irgendeine weitere Stelle in irgendeiner weiteren Stadt, sondern an den Segway-Kommandanten höchstpersönlich. Er sei es, der im Segway-Posten arbeite. Er sei es, der Bescheid wisse.

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Zwei Anrufe später. Mein Klingeln wurde nicht erhört, es ist Freitag, ich bin müde, geistig schon im Wochenende und der Segway-Verantwortliche wohl mit seinem zweirädrigen Pferd auf Streife. Ich gebe auf.

Samstag, 23. April 2016. Als ich am Mittag, noch beschwipst von der länger als geplant andauernden Vornacht, eine der seltenen Nachrichten auf meiner Combox abhöre, spricht er zu mir. In breitem Oltener Dialekt bittet mich der Segway-Polizist, ihn heute noch zurückzufrufen. Da ich aber aus Gründen nicht gerne beschwipst mit der Polizei rede, widme ich mich lieber der bereitstehenden Katerpizza.

Montag, 25. April 2016. Ich versuche mein Glück. Wähle die Nummer des Herrschers über die Streitwagen der Gegenwart—und bin erfolgreich: Er hebt ab und bringt mich sogleich mit den Worten "Erklären Sie mir doch bitte, wie Ihre Verbindung zu Segways ist" in Bedrängnis. Ich könnte so vieles sagen. Etwa dass ich mir seit Jahren wünsche, meinen Geburtstag mit einer Segway-Tour inklusive Selfie-Sticks zu feiern (der Wunsch, meine Freunde zu behalten, hat bislang aber gesiegt). Oder dass ich die Geschichte des Segway-Inhabers, der bei einer Ausfahrt mit seiner Erfindung über eine Klippe gestürzt ist und starb, von der Pointe her eine der Besten der letzten Jahrzehnte finde. Stattdessen kriege ich, überrumpelt von den Möglichkeiten, bloss ein simples und emotionsloses "Ich bin Journalist" zustande.

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Der Segway-Polizist wird unsicher, er möchte auf keinen Fall etwas Falsches über die neuen Segways erzählen und bittet mich, ihm meine Fragen schriftlich zu senden. So könne er die Antworten mit der Medienstelle der Kantonspolizei Solothurn absprechen. Ich verstehe die Besorgnis um das Image der neuen Super-Einheit und willige ein.

Freitag, 29. April 2016. Keine Antwort. Ich warte.

Freitag, 6. Mai 2016. Immer noch keine Antwort. Meine Hoffnung schwindet—doch ich warte.

Dienstag, 10. Mai 2016. Endlich! In meinem Postfach blinkt die Nachricht mit dem Betreff "Antworten zum Interview" auf. Voller Erwartungen klicke ich sie an. Sehe den Dank des Segway-Ermittlers und seine Antworten im Anhang. Ich lade das PDF herunter, öffne es und sehe auf zweieinhalb A4-Seiten in bestem Bürokratendeutsch die detaillierten Antworten auf sämtliche meiner 14 Fragen:

VICE: Wie kam es zur Entscheidung, dass Segways zum Einsatzfahrzeug der Kantonspolizei Solothurn werden?
Kantonspolizei Solothurn: Seit dem 01. Januar 2016 wurden die Tätigkeiten der Stadtpolizei Olten in die Strukturen der Polizei Kanton Solothurn integriert. Dazu gehört auch die Tätigkeit der Quartierpolizei, welche sich den Belangen der Quartierbewohner annimmt. Für diese Tätigkeit, welche unter Community Policing (Bürgernahe Polizei) zu verstehen ist, wurde nach alternativen mobilen Möglichkeiten gesucht. Dabei kam die Idee auf, Segways für polizeiliche Tätigkeiten zu testen und gegebenenfalls einzuführen.

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Inwiefern haben Sie Resultate aus anderen Städten berücksichtigt, in denen die Polizei bereits mit Segways arbeitet?
Segways wurden bereits in verschiedenen Polizeikorps getestet. Allerdings ist uns nicht bekannt, dass in der Schweiz ein anderes Polizeikorps zurzeit mit Segways arbeitet. Was uns bekannt ist, dass in anderen Kantonen private Sicherheitsfirmen, mit dem Auftrag öffentliche Parkplätze zu kontrollieren, mit Segways arbeiten. Von daher werden wir uns auf die eigenen Erfahrungen berufen müssen.

Wie viele Segways sind derzeit in Olten im Einsatz?
Es handelt sich dabei um zwei Stehroller der Marke Segway. Diese haben die Ausführung des PT i2 SE Patroller.

Die Segway-Polizisten wurden „intensiv geschult". Wie lange hat die Schulung für die Segways gedauert?
Bei der Lieferung der beiden Segways wurden die Mitarbeiter durch zwei Instruktoren der Lieferfirma geschult. Die Einführung dauerte einen halben Tag.

Wie darf man sich so eine Segway-Schulung vorstellen? Worauf wird dabei besonders geachtet?
Die Mitarbeiter wurden vorab mit den gesetzlichen Richtlinien vertraut gemacht. Danach wurden die Fahrzeuge mit den technischen Daten vorgestellt. Anschliessend mussten sich die Mitarbeiter bei verschiedenen Fahrparcours beweisen. Letztlich erfolgte ein Praxistest auf öffentlichem Grund.
Es ist uns wichtig, dass die Mitarbeiter, welche mit Segway patrouillieren, die Fahrzeuge in jeder Situation beherrschen. Diesbezüglich wurden auch taktische Vorgehensweisen trainiert.

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Wie viele Polizisten haben die Schulung bereits absolviert?
Die Grundausbildung erfolgte bisher mit 20 Mitarbeitern. Weitere werden folgen.

Die Segways sind nun seit einer Woche im Einsatz. Wie sieht ein normaler Einsatztag auf dem Segway aus?
Wir unterscheiden zwischen Notfallinterventions-Patrouillen (Repression) und Patrouillen, welche hauptsächlich für die lokale Sicherheit (Prävention) zuständig sind. Die Segways werden hauptsächlich im Bereich der Prävention eingesetzt. Wir möchten auf diese Art und Weise bürgernahe Polizeiarbeit (Community Policing) leisten. Der Kontakt zur Bevölkerung erfolgt so einfacher als aus einem Streifenwagen heraus.

Was ist der grösste Unterschied zwischen einem Segway-Einsatz und einem "normalen" Einsatz?
Die Segways sind nur spärlich ausgerüstet. Dies schränkt die Einsatzmöglichkeiten entsprechend ein. So können zwar Interventionen vorgenommen werden. Müssen jedoch Personen arretiert und abtransportiert werden, benötigt man danach ein zusätzliches Transportmittel. Aufgrund dessen sind die Segways in erster Linie lediglich für Präventionspatrouillen vorgesehen.

Wie sind die ersten Erfahrungen?
Die Patrouillen werden zurzeit noch als sehr befremdend wahrgenommen. Dementsprechend werden diese von den Passanten angehalten und auf die Segways angesprochen. Das Interesse an den Fahrzeugen ist gross und das finden wir gut so. Dadurch werden Kontakte zur Bevölkerung leichter geknüpft und das ist ja das, was wir wollen.

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Waren alle Polizisten gleich von den Segways begeistert oder gab es auch Skeptiker?
Grundsätzlich war die Begeisterung für die Fahrzeuge von Anfang an vorhanden. Einige waren jedoch in der Handhabung mit einem Segway etwas skeptisch und äusserten diesbezüglich Ängste aus. Nach der Grundausbildung konnten diese Ängste jedoch abgelegt werden und das Vertrauen zu den Fahrzeugen wuchs mit jeder Fahrt.

Wie schnell fahren die Segways überhaupt?
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h.

Was ist der grösste Vorteil der Segways?
Man ist mobil und dennoch, wie auch mit dem Velo, nah bei den Leuten. Des Weiteren sind die Fahrzeuge wartungsfrei. Mit einer Reichweite von bis zu 40 Kilometer und Stromkosten von circa 40 Rappen pro Vollladung sind Segways betriebswirtschaftlich entsprechend attraktiv.

Was ist der grösste Nachteil?
Platzmässig sind wir mit den Segways ein bisschen eingeschränkt. Wie bereits erwähnt, müssen je nach Einsatz zusätzliche Einsatzkräfte mobilisiert werden.

Ist für die Zukunft geplant, weitere Segways anzuschaffen?
Wir werden die beiden Segways bis Ende Juni 2016 testen. Die damit gemachten Erfahrungen werden in der Folge ausgewertet. Ob es letztlich zu einer definitiven Anschaffung kommen wird, hängt von der Evaluierung ab.

Sebastian auf Twitter.
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