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Popkultur

Dieser Film handelt von illegalen Straßenkämpfen in Miamis Vororten

Billy Corbens neuester Film ‚Dawg Fight' zeigt die Menschen hinter den Kämpfen.

Alle Dawg Fight-Standbilder mit freundlicher Genehmigung von Billy Corben

Seit er einen Artikel über die Szene in der Miami New Times gelesen hatte, hat die brutale Welt des Miami Street Fightings den Regisseur Billy Corben nicht mehr losgelassen. Der ehemalige VICE-Autor und Mann hinter Dokumentationen wie Cocaine Cowboys und Square Grouper war irgendwann so fasziniert von der Subkultur der Underground-Kampfliga und ihren Akteuren, dass er die Kämpfer für anderthalb Jahre mit seiner Kamera begleitete. Aus diesem Material wurde nun der Film Dawg Fight.

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Und so gut in Szene gesetzt hat man die Amateurschläger von West Perrine wahrscheinlich noch nie gesehen. Dawg Fight hat eine höher Auflösung und ist lauter und blutiger als die allseits bekannten Aufnahmen, die man zuhauf bei YouTube finden kann. Das macht die Kämpfe einerseits noch schwerer mit anzuschauen, saugt den Zuschauer aber mit hinein, in die Notlage der Fighter aus der suburbanen Vorhölle von West Perrine, Florida.

Während der Film einerseits durchaus den erlebnishungrigen Kampfsportfan auf der Suche nach etwas Action bedient—Typen schlagen sich die Fresse ein, Knochen brechen—wirft er auch einen Blick auf die Familien, die an der Gewalt zerbrechen. Corben wollte ein Phänomen beleuchten, das viel mehr ist als bloß ein makaberer Freizeitspaß. Und so sehen wir Kämpfer, die es schaffen und Profisportler werden, während andere nie den Kreislauf der Gewalt durchbrechen, in den sie hineingeboren wurden.

Wir haben uns mit Billy Corben und Dada 5000, dem Kopf der Szene, unterhalten—über Kämpfe, Kämpfer und natürlich den Film, der schon über Corbens Rakontur-Webseite veröffentlicht wurde und ab Mai auch bei Netflix zu sehen ist.

VICE: Hat Dada weitere Kämpfe organisiert, nachdem du Dawg Fight fertig gedreht hattest?
Billy Corben: Wir dokumentierten quasi das Ende der illegalen Backyard-Fights. Ich bin nicht gerade stolz darauf: Weil wir dort filmten und andere Leute unser Material gesehen haben, haben wir auch zum Untergang dieser Szene beigetragen. Das war definitiv nicht das, was wir wollten, aber so war es. Dada hat nach unseren Dreharbeiten noch hier und da mal was organisiert, aber nicht in dieser Regelmäßigkeit. Letztes Jahr bekam er dann sogar eine Unterlassungsaufforderung und musste sich entscheiden, ob er wieder richtig in den Untergrund geht oder ob er es legal aufzieht. Im Juni steht jetzt ein neues Event von ihm an. Irgendwie haben sie es geschafft, den rauen Charakter des Street Fightings beizubehalten, legitimieren das aber mit trainierten Kämpfern und einem Arzt vor Ort.

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Hat es dir persönlich Spaß gemacht, die Kämpfe zu sehen?
Ich war mehr in [die Story] vertieft. Die Kämpfe interessierten mich vor allem von einem cineastischen und dramaturgischen Standpunkt aus. Die Geschichten dahinter und die Typen selber waren das, was mich wirklich interessierte. Das ist natürlich schwer, weil es verdammt brutal ist. Ich erinnere mich noch, wie wir einmal filmten und dieser Typ sich plötzlich das Handgelenk brach. Plötzlich tauchte da dieser Arzt auf. Ich wusste weder, wer er war oder was er hier machte. Ich glaube, er war einfach ein Arzt, der zufällig vor Ort war—davor oder danach habe ich ihn nämlich nicht mehr gesehen.

Die ganze Brutalität und dann zuzusehen, wie Dada die Typen auf der Waage seiner Mutter einwiegt, das hat schon was. Jeder dort war bereit, die Gewalt in Kauf zu nehmen. In der Community gibt es auch wirklich einen Teil, der daran glaubt, dass [Kämpfen] die größte Hoffnung darstellt. Das ist natürlich unglaublich tragisch.

Hast du Dada als reinen Wohltäter oder als jemanden wahrgenommen, der die Kämpfer nur ausbeuten will?
Er befindet sich irgendwo in der Mitte. An den Kämpfen selber hat er nichts verdient. Ich glaube nicht, dass er da wirklich stolz drauf ist. Es war seine Mutter, die mir das erzählt hat. Er nahm den Kämpfern auch nie Geld aus der Tasche—vielleicht sogar zum Nachteil seiner eigenen Familie. Ich hat definitiv diese Wohltäter-Seite. Es hatte einige Gelegenheiten, die er nicht ausnutzte.

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Warum gerade Miami?
Hier gibt es die zweithöchste Einkommensungleichheit im ganzen Land. Hier hast du die zweithöchste Zahl von Menschen in den USA, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind. Das Miami von heute ist das Amerika von morgen. Wenn du wissen willst, welche Herausforderungen und Katastrophen Florida heimsuchen werden, dann schau dir nur Miami an: Immigration, Drogen, Sozialmissbrauch, der Anstieg des Meeresspiegels, Einkommensungleichheit, Landraub. Wir sind der Kanarienvogel in der Mine. Wir sind die donnerkuppelartige Zukunft Amerikas—auch wenn es wahrscheinlich eher wie Waterworld enden wird.


Dada 5000

Ich hatte außerdem die Gelegenheit mit Dada 5000 zu sprechen, dem Don King des Miami Street Fightings und dem Hauptprotagonisten von Dawg Fight. Er ist gerade dabei, ein Kreuzfahrtspektakel im Atlantik auf die Beine zu stellen, bei dem die Kämpfer in einem diamantenförmigen Käfigring gegenseitig aufeinander losgehen. In bester Don-King-Manier bestand er auch darauf, dass ich seine Telefonnummer hier angebe, damit seine Fans ihn anrufen können.

VICE: Was hältst du von dem Film?
Dada 5000: Er zeigt eine andere Seite von Miami, die Seite, über die nicht gesprochen wird, die dunkle Seite. Er ist echt, rau und authentisch … Es gibt bestimmt Dinge darin, mit denen sich die Leute nicht identifizieren werden, weil sie ein anderes Leben führen als wir. Sie verstehen es nicht, sie finden es nicht gut, sie sehen nicht, wie wichtig es ist. Ich habe aber lieber diese Typen in meinem Garten, wie sie versuchen, ehrliches Geld zu verdienen, als die Typen in meinem Garten, die darauf warten, dir die Kehle aufzuschlitzen.

Findest du, dass die Leute, die sich die Videos bei YouTube angucken und zu den Matches gehen, die Kämpfer ausbeuten?
Ich werde bestimmt nicht sagen, dass es da keinen Rassismus und keine Vorurteile gibt. Die Typen wissen genau, wofür sie da sind. Sie sehen es aber als Weg nach draußen. Sie sehen die Kameras. Sie denken sich: „Wenn ich etwas wirklich gut kann und jemand da draußen mein wahres Talent sieht, dann wird mich auch jemand anrufen und mir eine Chance geben. Ich werde meinen eigenen Weg finden."

Was sollte die Regierung tun, um das Leben der Menschen in West Perrine zu verbessern?
Den Individuen hier ein System geben, Programme aufstellen, die den Typen dabei helfen, unabhängig zu werden. Sich mit Arbeitgebern zusammentun, die gewillt sind, diesen Kerlen einen Job zu geben. Sie alle hätten nichts lieber als einen Job, aber sie haben keinen Highschool-Abschluss, sie sind nicht ausgebildet. Wir müssen die Arbeitslosigkeit reduzieren. Das würde die Community motivieren und Geld für die Community schaffen—dann kann die Community auch aufblühen.