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Jeden Tag 4/20

Wir haben uns mit dem wohl größten Kiffer der Welt unterhalten

Irvin Rosenfeld hat schon gut 100 Kilo Marihuana weggeraucht, das ihm von der Regierung zur Verfügung gestellt wird.

Foto: bereitgestellt von Irvin Rosenfeld

Irvin Rosenfeld behauptet von sich selbst, mehr Marihuana als jeder andere Mensch auf der Welt geraucht zu haben. So eine These ist natürlich nur schwer zu belegen, aber im Fall von Rosenfeld klingt das Ganze schon plausibel: Im Jahr 1982 wurde er für das Compassionate Investigational New Drug Program der US-Regierung ausgewählt. 1992 wurden keine neuen Teilnehmer mehr zugelassen und inzwischen ist Rosenfeld einer der letzten vier noch lebenden Mitwirkenden—das bedeutet, dass er täglich immer noch zehn kostenlose Joints von der Regierung gestellt bekommt. Wenn man das Ganze jetzt über die letzten drei Jahrzehnte hinweg zusammenrechnet, kommt man auf 120.450 Sportzigaretten. Aneinander gelegt würde das eine Joint-Kette von über 8 Kilometern Länge ergeben. Falls irgendjemand behauptet, in seinem Leben noch mehr Gras geraucht zu haben, dann hat diese Person im Gegensatz zu Rosenfeld auf jeden Fall nicht die ganzen Unterlagen parat, um eine solche Aussage zu untermauern.

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Rosenfeld leidet an einer lähmenden genetischen Krankheit namens multiple kartilaginäre Exostosen, die auf seinen Knochen schmerzhafte Tumore verursacht. Durch das Marihuana ist es ihm jedoch zum Beispiel möglich, sich längere Zeit ohne Schmerzen hinzusetzen. Er meint allerdings, dass er durch das Gras bisher nur ein einziges Mal high wurde.

Da mussten wir einfach genauer nachhaken und haben uns deshalb mit Rosenfeld in Verbindung gesetzt. Während unseres Telefonats war er zwar die ganze Zeit hörbar am Kiffen, aber trotzdem immer voll konzentriert bei der Sache.

VICE: Ich habe gehört, dass du vor Kurzem von der National Organization for the Reform of Marijuana Laws als die Person ausgezeichnet wurdest, die die meisten Joints geraucht hat.
Irvin Rosenfeld: Das stimmt so nicht ganz. Die Organisation hat mir nur den Peter McWilliams Memorial Award für meine außergewöhnlichen Leistungen zur Förderung von medizinischem Marihuana verliehen.

Aber die sollten eigentlich Bescheid wissen, oder? Im Guinness-Buch der Rekorde wirst du ja keinen Eintrag haben.
Die Mitarbeiter von Guinness meinten, dass sie nur Rekorde aufzeichnen, die ihrer Meinung nach gebrochen werden können. Ich war jedoch der erste Teilnehmer des Programms. Es ist also schon extrem unwahrscheinlich, dass irgendein Mensch jemals mehr Gras geraucht haben wird als ich.

Alles klar. Wie viel Marihuana hast du insgesamt schon weggekifft?
Ich gebe zwar jedes Jahr eine Pressemitteilung raus, aber in letzter Zeit habe ich die Gesamtmenge nicht aktualisiert. Bei der letzten Rechnung kam ich auf ungefähr 99 Kilogramm. Dazu kommt allerdings noch, dass ich bereits 11 Jahre vor dem Programm gekifft habe, was an sich nicht bewiesen werden kann.

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Ich habe gelesen, dass es sich in deinem Fall ausschließlich um medizinisches Marihuana handelt.
Ich werde davon nicht high. In jüngeren Jahren habe ich eigentlich nur gekifft, um dazuzugehören. Gewirkt hat es bei mir jedoch noch nie. Gegen meine Schmerzen habe ich viele Medikamente wie Dilaudid genommen, und zwar in süchtig machenden Dosen. Wirklich davon abhängig wurde ich allerdings nicht.

Marihuana hielt ich immer für Schwachsinn. Bei den ersten zehn Malen, die ich gekifft habe, habe ich keine Wirkung gespürt. Aber dann habe ich mich eines Tages nach dem Rauchen zum Schachspielen hingesetzt und nach einer halben Stunde gemerkt, dass ich immer noch ohne Schmerzen sitzen konnte. Ich hatte seit über fünf Jahren nicht mehr so lange gesessen und ich habe dazu noch über sechs Stunden lang keine Medikamente genommen. Ich dachte mir: „Der Quatsch muss also doch irgendetwas gebracht haben." Mir wurde klar, dass das Ganze einen medizinischen Nutzen hat.

Wie sieht es mit den anderen Nebenwirkungen von Marihuana aus? Wirst du zum Beispiel hungrig?
Nein, mich überfällt auch kein Heißhunger. Rote Augen bekomme ich davon auch nicht. Ich musste auch noch nie husten. Manchmal schmeckt es mir jedoch richtig gut.

Willst du denn überhaupt high werden?
Das ist sogar schon einmal passiert. Ich war auf dem Weg zu einer Konferenz in Toronto und durfte meine Medizin nicht mit ins Flugzeug nehmen. Als ich dann dort ankam, wollten sich mich high machen, und ich meinte nur: „Das wird nicht klappen." Ich wurde in einen Dampfraum geführt, wo ich hochwirksames Cannabis ausprobierte, das allerdings keine Wirkung zeigte. Danach gaben sie mir so ein Zeug namens „Budder", dessen THC-Konzentration bei 95 Prozent liegt. Mir wurde gesagt: „Wenn du das hier einatmest, wird es sich so anfühlen, als würde es sich in deiner Lunge ausbreiten. Das kann erstmal sehr unangenehm sein." Allerdings sollte ich dadurch für zwei Stunden high werden.

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Also inhalierte ich das Ganze und es fühlte sich genau so an, wie sie es beschrieben hatten. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich wohl davon ausgegangen, dass da etwas falsch lief. Am Anfang blieb die Wirkung noch aus, was die Anderen auch sehen konnten. Aber dann war es auf einmal, als hätte man einen Schalter umgelegt. Sie beobachteten meine Augen und meinten: „Du bist high." Und das war ich auch wirklich. Ich dachte, ich würde auf einem Wolkenbett dahinschweben. Ich war erst nüchtern und dann auf einmal total drauf. Ich war zu nichts mehr fähig. Normalerweise kann ich nach dem Kiffen noch alles machen, aber das war in diesem Moment einfach nicht möglich.

Hat es dir gefallen?
Zugegebenermaßen schon. Ich fühlte mich richtig wohl. So etwas sage ich eigentlich nie, aber genau das traf eben zu. Ich dachte, dass dieser Zustand jetzt zwei Stunden lang andauern würde.

Nach acht Minuten wurde der Schalter allerdings wieder zurückgelegt. Ich spürte es und meine Mitmenschen konnten es sehen: Ich war nicht mehr high.

Wie hast du dich gefühlt, als es vorbei war?
Ich war sehr enttäuscht. Das High hätte ja eigentlich viel länger andauern sollen.

Darfst du eigentlich überall Gras rauchen?
Die anderen Teilnehmer des Programms waren im Gegensatz zu mir arbeitslos. Ich habe mit der Drogenvollzugsbehörde vereinbart, dass ich überall dort kiffen darf, wo auch normales Rauchen erlaubt ist. Auf der Arbeit, bei geschäftlichen Meetings, im Krankenhaus oder überall dort, wo Rauchverbot herrscht, verdampfe ich ein Öl, das mir meine Freundin zubereitet. Sie extrahiert das Ganze mit Hilfe einer Methode, bei der auch ein Reiskocher zum Zuge kommt. Ich selber halte mich da allerdings raus.

Wie kommst du mit den „E-Joints" zurecht?
Wenn es möglich ist, dann rauche ich natürlich richtige Joints, denn die finden meiner Meinung nach die beste Balance zwischen THC und Cannabinoiden. Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich alle Cannabinoide in Dampf umgewandelt werden. Für mich ist das normale Rauchen einfach besser. Bei anderen Leuten mit anderen Leiden kann das natürlich auch wieder ganz anders aussehen.

Und wie ist die Situation beim Autofahren?
Ich kiffe vor, beim und nach dem Fahren. Manchmal ernte ich natürlich auch komische Blicke, wenn man mich dabei sieht, wie ich am Steuer einen durchziehe. Ab und an werde ich auch von der Polizei angehalten und gefragt: „Wie riecht es denn in Ihrem Auto?" Dann antworte ich: „Nun ja, das ist Cannabis sativa." Daraufhin meinen die Polizisten meistens: „Na ja, es riecht eher nach Marihuana." Anschließend zeige ich ihnen mein Rezept und erzähle ihnen von dem Programm. Natürlich haben sie im Normalfall noch nie etwas davon gehört und dann sage ich: „Sie können ja schnell im Internet nach mir suchen oder Ihr Revier anrufen und Ihre Kollegen die Arbeit erledigen lassen."

Wenn ihnen klar wird, dass ich nicht gegen das Gesetz verstoße, sagen sie immer, dass ich in diesem Zustand nicht weiterfahren kann. Dann zeige ich ihnen meine Vorschriften, in denen steht, dass ich kein Fahrzeug steuern darf, wenn ich unter dem Einfluss von Drogen stehe. Wenn ich die Polizisten jedoch frage, ob es den Eindruck macht, als würde ich unter Drogeneinfluss stehen, schütteln sie immer nur den Kopf.