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Es ist Zeit, dass wir endlich die verdammten Geschlechterklischees hinter uns lassen

Frauen haben keine Ahnung von Fußball und Männer können keine Gefühle zeigen? Blödsinn.
Foto von Calvin Klein

In Österreich sind wir beinahe tagtäglich mit klischeehaften Aussagen von Persönlichkeiten konfrontiert, die rein aufgrund des Geschlechts vorschnell über Menschen urteilen. Nach Gabalier oder Stronach, der uns endlich die Augen geöffnet und erklärt hat, dass „Frauen auch Menschen" sind, meldete sich zuletzt wieder einmal Ex-ÖVP-Mandatar Markus Franz zu Wort und erklärte Angela Merkels Flüchtlingspolitik mit ihrer Kinderlosigkeit: Sie wolle durch die Aufnahme von Flüchtlingen doch nur ihre Kinderlosigkeit kompensieren.

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Damit bedient Franz eines der unzähligen Geschlechterklischees über Frauen—aber auch im Alltag sind wir regelmäßig mit eben diesen konfrontiert und müssen uns für eigentlich ganz normale Dinge rechtfertigen. Dasselbe gilt natürlich (und leider) auch für Männer.

„Du isst aber viel für ein Mädchen" oder „Du bist doch die, die immer über Sex schreibt, oder? Du traust dich ja was." sind Sätze, die ich nicht erst einmal gehört habe. Immer wieder scheinen Menschen überrascht davon zu sein, dass ich als Frau über gewisse Themen auf eine bestimmte, offene Art spreche, oder Dinge mit Selbstverständlichkeit mache, die manche von einer Frau anscheinend noch nicht gewohnt sind—zum Beispiel eine Pizza in unter fünf Minuten essen, wenn mir danach ist.

Schon früh lernen wir, dass sich manche Verhaltensweisen für Frauen nicht schicken und genauso wird uns vermittelt, was sich für einen echten Mann gehört. Meine männlichen Freunde werden beispielsweise dann schief angeschaut, wenn sie offen über ihre Gefühle sprechen oder zugeben, dass sie gerne „Mädchenserien" wie Gossip Girl schauen.

Bricht man mit seinen Verhaltensweisen aus solchen festgefahrenen Geschlechterklischees aus, reagiert das Umfeld oft sehr irritiert darauf. Man wird ungläubig angeschaut und schnell als derb oder auf der anderen Seite als Weichei abgestempelt. Dabei sollte es eigentlich nichts Außergewöhnliches mehr sein, wenn Frauen über Autos fachsimpeln oder sich beispielsweise für klassische „Männersportarten" wie Fußball begeistern. Und genauso wenig sollte es noch Thema sein, wenn ein Mann beim neuesten Nicholas Sparks-Film ein bisschen weint und sich seinem (Selbstmit)Leid hingibt, wenn er Liebeskummer hat,anstatt seine Gefühle totzuschweigen, wie es das Klischee (und seine klischeegeprägte Umwelt) von ihm verlangen würde.

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Statt andere dafür zu verurteilen, dass sie sich wie Menschen und nicht wie ihr personifiziertes Geschlecht verhalten, sollten wir uns selbst und andere darin bestärken, von der Norm abzuweichen. Statt diesen sozialisierten Klischees zu folgen, sollten wir aufhören, unsere Erwartungen am Geschlecht einer jeweiligen Person fest zu machen, und es lieber auf die Persönlichkeit ankommen lassen.

Das kann manchmal schwer sein, weil uns Klischees in Bezug auf das Geschlecht durch unser ganzes Leben verfolgen und tief in unserer Kultur verankert sind: Angefangen bei der Trennung zwischen blauen Männer- und rosa Frauenprodukten in der Drogerie über die Vorstellungen, die wir über den Charakter einer „wahren" Frau und den eines „echten" Mannes haben, bis hin zur Werbung, in der Frauen überwiegend sexualisiert oder mütterlich und Männer als erfolgreich und sachlich dargestellt werden.

Frauen haben sauber, gediegen und lieb zu sein, während Männer kühl, abgebrüht und lässig sein sollten. Diese Klischees werden allgegenwärtig bedient und weitergetragen—in der Popkultur, im Supermarkt, in der Schule, in der wir vermittelt bekommen, dass es Mädchen- und Bubenfächer gibt (ein Bild, das sich übrigens auch auf die spätere Studienwahl auswirkt) und letzten Endes in unseren Köpfen.

Statt andere dafür zu verurteilen, dass sie sich nicht wie ihr personifiziertes Geschlecht verhalten, sollten wir uns eher darin bestärken, von der Norm abzuweichen.

Wie so oft schaffen wir Klischees, um uns das Leben ein bisschen einfacher zu machen—das ist nur menschlich. Es ist auch natürlich, dass uns alles, was den Klischees in unseren Köpfen widerstrebt, komisch auf uns wirkt und uns aufhorchen lässt. Dennoch muss uns bewusst sein, dass wir in dieser Hinsicht eine gewisse Ambivalenz leben—und da schließe ich mich selbst nicht aus.

Obwohl ich selbst so oft erlebe, dass Menschen von meiner Direktheit und anderen ihrer Meinung nach für Frauen untypischen Verhaltensweisen abgeschreckt werden, bringt es mich manchmal aus dem Konzept, wenn Typen auf ihre vermeintliche Männlichkeit scheißen und einfach das machen, wonach ihnen gerade ist.

Wir predigen immer wieder Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen, würden wahrscheinlich aber dennoch verdutzt schauen, wenn eine Frau genauso breitbeinig in der U-Bahn säße wie es viele Männer tagtäglich (und völlig akzeptiert) tun. Aber genau die Gleichberechtigung, die wir fordern, wenn wir sagen, dass eine Frau einen Konzern leiten oder ein Mann Kindergärtner werden kann, sollten wir auch im Alltag leben. Nur, wenn wir im Kleinen anfangen, kann etwas Größeres daraus werden.

Dieser Artikel wird präsentiert von ck2.