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Wir sind nicht alt, weil wir „Alpha Kevin“ nicht kennen

Der Social Media-Tenor zum Thema Jugendwort des Jahres liest sich wehleidig und gleichzeitig kokettierend mit dem Älterwerden.

Collage von VICE Media

Der Langenscheidt hat mal wieder die Liste der Nominierungen zum Jugendwort des Jahres veröffentlicht. 30 mehr oder weniger kreative Kreationen stehen jetzt zum Voting bereit. Ich kenne keine einzige davon. Könnte natürlich auch daran liegen, dass es sich um die Wahl zum deutschen Jugendwort handelt, die Österreich-Version wird jährlich von der Universität Graz ermittelt. „Earthporn", „Discopumpen", „Swaggetarier", „Augentinitus"—das klingt alles sehr gewollt. Wenig verwunderlich, dass da die Bravo auch ihre cuten Girl-Finger mit im Spiel hat.

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Vielleicht hab ich „Tinderella" schon mal verwendet, aber nicht mit dem Gedanken, das könnte sich irgendwann durchsetzen—ich dachte eher, das wäre so mein Ding. Ich verwende übrigens auch „Tinderschänder" (ist meine Tagline dort) und überlege mir jetzt, das für nächstes Jahr einzureichen. Lustig auch, dass „merkeln" und „krimmen" in der Liste vertreten sind. Die Kids sind offenbar doch politischer als gedacht.

Natürlich wäre es mir lieber, wenn da alles voll mit Anglizismen wäre—grundsätzlich stehe ich aber immer offen gegenüber neuen Worterfindungen. Sofern sie gut sind. Im Voting führt derzeit „Alpha Kevin" als Synonym für den Dümmsten von allen. Wie soll man das denn verwenden? „Strache ist so ein Alpha Kevin"? Jugendliches Engagement in allen Ehren, aber das kann einfach nichts.

Die Social Media-Reaktionen auf die Nominierungen sind unterschiedlich. Manche finden die Nominierungen eh swaggy, andere können noch weniger damit anfangen, die meisten sind einfach verwirrt—eine große Frage eint sie schließlich alle: Werde ich alt?

Nein. Das heißt—ja, natürlich wirst du alt. Jeden Tag. Allerdings sind deine besten Tage noch lange nicht gezählt, nur weil du noch nie was von „Alpha Kevin" gehört hast. Du wirst nicht alt, weil deine Generation nicht mehr die jüngste im Game ist. Warum lieben wir es überhaupt so sehr, das zu behaupten? Während der gefühlten 100 Jahre, in denen man ein Teenager ist, will man eigentlich immer nur eins: älter sein. Wahrscheinlich kokettieren wir jetzt nur mit der Tatsache, dass es nun endlich so weit zu sein scheint und wir den Satz auch endlich berechtigt aussprechen können: „Mah, ich werde alt." Es hat so was Erwachsenes.

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Wenn man mit Anfang 20 zum ersten Mal bemerkt, dass man im Club neben den Kindern mit den gefälschten Ausweisen eben nicht mehr wie gewöhnlich zu den Allerjüngsten gehört, ist man erst mal überfordert—es beginnt. Ich werde alt. Das war's.

Insgeheim finden wir das super. Als wäre man mit einem Mal so viel reifer, als würde man nicht mehr unüberlegt jeden Scheiß mitmachen, weil „die Zeiten vorbei sind". Plötzlich findet man sich selbst in einer Position, in der man sich völlig legitim über „die Jugend" auslassen und Menschen mit einem herablassenden „Du bist ja erst 19, du wirst schon noch draufkommen" abwerten kann. Es ist so absurd.

„Babo", „Yolo", „Swag", „Läuft bei dir". Die Siegerwörter der vergangenen Jahre sind heute sicherlich niemandem mehr fremd, klangen aber irgendwann mal mindestens genau so dämlich wie „Smombie" (Smartphone-Zombie, duh). Eigentlich tun sie das ja heute auch noch, aber man hat sich halt daran gewöhnt.

Screenshot: jugendwort.de

Wurde „Läuft bei dir" eigentlich wirklich schon Anfang 2014 richtig groß? Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, das Jugendwort des Jahres wird immer erst dann wirklich zum Jugendwort, wenn es offiziell dazu deklariert wurde. Was wiederum bedeuten würde, dass „Alpha Kevin"—sollte es in die Top 10 kommen und von der Jury ausgewählt werden—spätestens nächstes Jahr auch wirklich seinen Weg in unseren Sprachgebrauch finden könnte. Ich wäre eher für die politische Variante—man könnte sich getrost durch's Leben merkeln, bis man alt wird.

Franz merkelt auch auf Twitter: @FranzLicht