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Glücklicherweise ist es bei mir Dank einer kognitiven Verhaltenstherapie, insbesondere der sogenannten Exposition und Rückfallprävention (ERP), unter Kontrolle. Ich habe nur damit zu kämpfen, wenn ich sehr gestresst bin und die Zählerei dann wieder von vorne anfangen kann. Und glaubt mir, dass Letzte, was man braucht, wenn man gestresst ist, ist mitten in der Nacht fünf Mal aufstehen zu müssen, um sieben Mal die Tür zu berühren. Dr. Jim Bolton, ein psychiatrischer Facharzt, sagte mir, dass „zirka ein Drittel aller Zwangsstörungen von Stress ausgelöst werden."Es steckt aber auch jede Menge Genetik dahinter. Laut einer auf JAMA Psychiatry erschienenen Studie werden Zwangsstörungen innerhalb der Familie weitergegeben. In der Studie heißt es weiter, dass 40 Prozent der Menschen mit Zwangsstörungen auch enge Familienangehörige mit einer Zwangsstörung haben. Während die Rate der Menschen mit Zwangsstörung in der allgemeinen Bevölkerung bei 1 bis 2,5 Prozent liegt, liegt sie für Angehörige von Betroffenen eher bei 12 Prozent. Das heißt, dass man mit ungefähr sechs Mal höherer Wahrscheinlichkeit an einer Zwangsstörung erkranken kann, wenn ein Familienmitglied bereits unter einer solchen leidet.Es ist nicht ganz klar, ob das gehäufte Vorkommen von Zwangsstörungen innerhalb von Familien durch genetische Faktoren oder innerfamiliäre Einflüsse verursacht wird. Ich habe, offen gesagt, meiner Mutter oft vorgeworfen, ihre Zwangsstörung an mich weitergegeben zu haben—ich war der Meinung, dass die „Enabling"-Handlungen, die ich für sie übernahm, auch bei mir zu zwanghaften Vorstellungen geführt haben. Aufgrund der damit verbundenen Schuldgefühle gibt es definitiv einen wichtigen Teil von mir, der lieber glauben will, dass die Zwangsstörungen genetisch übertragen werden—dass es die DNA und nicht das Verhalten meiner Mutter war, die die Störung auf mich übertragen hat.Wenn es meiner Mutter besonders schlecht ging, musste ich mich nach der Schule an der Haustür ausziehen und meine Sachen einzeln in Supermarkttüten stecken.
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Der beste Weg Familien, die unter Zwangsstörungen von Angehörigen leiden, zu helfen, sind Dr. Davis' Ansicht nach familienbasierte klinische Interventionen. Alle Experten, mit denen ich sprach, waren sich einig, dass es einer stärkeren Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung der Familien bedarf. Sam Challis, ein Vertreter der Organisation Mind, sagte mir, dass „es nötig ist, Menschen mit Zwangsstörungen, die Kinder haben, auf besondere Weise zu helfen—ihnen zum Beispiel beizubringen, Aspekte ihres Verhaltens so zu minimieren, dass sie die zwanghaften Eigenschaften nicht an ihre Kinder weitergeben."Wir könnten aber auch Fortschritte machen, wenn wir aufhören würden, diese Art Störungen in unserer Kultur so darzustellen, als wäre man nur äußerst reinlich oder würde immer darauf achten, dass alle Bleistifte gespitzt sind. Es nervt mich, wenn die Leute stolz behaupten, sie seien so obsessiv, wenn sie mir ihre glänzend weiß geschrubbten Turnschuhe zeigen, oder mir erklären, warum sie ihre Plattensammlung alphabetisch ordnen. Professor Nestadt stimmt mir zu und sagt, „Niemand wusste, was eine Zwangsstörung ist, bis Hollywood anfing, das Ganze in Filmen und Fernsehserien darzustellen, aber dennoch verstehen es die meisten bis heute nicht."Eine echte Zwangsstörung zu haben, kann heißen, so krank zu sein, dass du deine Tochter an ihrem Geburtstag nicht umarmen kannst, weil du Angst hast, dass sie schmutzig sein könnte. Wie Challis sagt, „Zwangsstörungen sind schwerwiegende Gesundheitsprobleme, die Unterstützung und finanzieller Ressourcen bedürfen." Aufgrund meines Familienhintergrunds weiß ich das besser als die meisten anderen, und so habe ich mich auch schneller um Hilfe bemüht, als andere das vielleicht normalerweise getan hätten. In Folge dessen komme ich mit meinem Leiden sehr gut klar.Im Laufe meiner Arbeit an diesem Artikel und meiner Behandlung ist mir aber auch klar geworden, dass es nicht so wichtig ist zu wissen, von wem oder wie ich meine Zwangsstörung bekommen habe. Von den Experten bestätigt bekommen zu haben, dass meine Zwangsstörung nicht unbedingt die Schuld meiner Mutter war, macht mir Schuldgefühle, weil ich sie mein ganzes Leben lang dafür verantwortlich gemacht habe, und ich weiß, dass sie selbst ebenfalls Schuldgefühle hat, weil sie uns nicht zu dem verhelfen konnte, was sie sich unter einer normalen Kindheit vorstellt—was genau genommen ziemlich blödsinnig ist.Sirin auf Twitter: @thedalstonyearsEs nervt mich, wenn die Leute stolz behaupten, sie seien so obsessiv, wenn sie mir ihre glänzend weiß geschrubbten Turnschuhe zeigen, oder mir erklären, warum sie ihre Plattensammlung alphabetisch ordnen.