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Zu viele Tunesier, zu wenig Toiletten

Wir waren vor ein paar Jahren mal auf Lampedusa und haben dort die Realität kennengelernt, mit der Flüchtlinge zu kämpfen haben.

Ungefähr 60 Immigranten wollen mit dem Bus zu einem Boot, das zum italienischen Festland fährt.

Von ertrunkenen Flüchtlingen vor Lampedusa hören wir so oft, dass wir bei diesen Nachrichten so emotionslos und abgestumpft sind, wie bei Zahlen von Toten in Syrien oder Pakistan. Dass hinter jedem Toten eine Familie und eine Geschichte steht, verdrängen wir genau so erfolgreich wie die EU-Innenminister, die die Außengrenzen nicht öffnen, sondern weiter schließen wollen. Jene Flüchtlinge, die die Reise überleben, sind aber nicht im gelobten Land angekommen. Wir waren 2011 auf Lampedusa.

Lampedusa ist Italiens südlichste Insel. Sie liegt so weit im Süden, dass sie eigentlich näher an Tunesien (110 km) als an Sizilien (210 km) und vom Breitengrad her sogar tiefer als Tunis und Algier liegt. Die Insel selbst ist winzig und hat 6.300 Einwohner mit festem, ganzjährigem Wohnsitz. In den ersten Februarwochen flohen nach der Absetzung des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali mehr als 4.000 Nordafrikaner über das Mittelmeer und strandeten an den Küsten der idyllischen Insel. Während die italienische Regierung und Medien über die „Flüchtlingsproblematik“ und eine „Lampedusa-Krise“ zu jaulen begannen, wurden immer mehr Tunesier und andere Flüchtlinge angespült, und Italien stritt sich mit dem restlichen Europa darüber, wohin man die Flüchtlinge bringen könne. Die Insel war dermaßen überlaufen, dass die Lage sehr schnell hätte eskalieren können. Alles in allem landeten mindestens 20.000 Menschen auf Lampedusa, wo es nicht mal annähernd genügend Wasser, sanitäre Anlagen oder medizinische Einrichtungen gab, die dem plötzlichen Ansturm hätten Stand halten können. Das örtliche Zentrum für Identifikation und Abschiebung (CIE)—eine Mischung aus Unterkunft und Gefängnis für gerade angekommene Flüchtlinge—ist für maximal 800 Menschen ausgelegt, „beherbergte“ aber bis zu 2.500. Die Krise erreichte am 28. März ihren Höhepunkt, als binnen 24 Stunden 2.000 Asylsuchende auf Lampedusa ankamen. Schon bald darauf gab der italienische Innenminister Roberto Maroni bekannt, dass Italien viele der Immigranten zurück nach Afrika schicken werde, wenn die tunesische Regierung dem unaufhörlichen Menschenstrom nicht Einhalt gebieten würde.