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Bis so guet

Zu wenig Puter fürs Volk

Heute feiern die USA Thanksgiving. Wird Zeit der Geflügelorgie auch bei uns den Platz zu verschaffen, den es verdient hat.

Foto: Peretz Partensky 

Halloween ist vorbei. Während sich manche noch wehmütig vom Rausch der schaurigen Nacht erholen, stürzt sich der Detailhandel bereits auf die nächste, als kulturelles Erbe hingestellte Marketingetikette: Weihnachten. So schnell die übrigen Kürbisse im Ausverkauf verscherbelt werden, so fix werden Strassen, Schaufenster und Regale in eine Kitschbrühe aus Plastiktannenbäumen, Polypropylenschnee und Zimtparfum getaucht.

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Natürlich lässt der grosse Aufschrei lässt keinen Tag auf sich warten. Kommerzialisierung: Das ideale Schimpfwort für das Novemberloch aller ihrer TV-Romantik verfallenen, Kindheitsträumen beraubten Nörgler. Aber ebenso wie das Wutbürgervolk darauf hofft, dass ihr Zorn die Massen ergreift, bedienen sich die Multis ihrer Macht der Massenunterhaltung, um ihren Profit  gegen Jahresende auf den Höhepunkt zu treiben.

Womöglich verstecken sich hinter der Kapitalismuskritik eine ganz andere, nicht unbedingt weniger vermarktete Konsumideologie: Die Diätkultur. Durch Akzeptanzängste geschürt und von der Schokoladenwelle aus Tannenzapfen, Weihnachtsmänner, Silbermäuse und Goldtaler erschlagen, sind die Nörgler dem Grauen an unzählige Stunden Fitnessstudio wahllos ausgeliefert.

Foto: Shellie Johnson

Doch warum springt der Detailhandel von Halloween direkt zu Weihnachten? Weshalb gibt es keinen Zwischenhalt bei Thanksgiving, diesem anderen amerikanischen Brauch mit dermassen viel Essen? Truthähne sind nicht so langweilig wie die hiesige Weihnachtsgans, nicht so fad wie Suppenhühner und nicht so mickrig wie Mistkratzerli. Und vor allem sehen sie einfach eine Million mal toller aus. Mit ihren warzigen Auswüchsen am Nacken und diesem violett-roten Kopf schlagen sie Kinder und Veganer im Handumdrehen in die Flucht. Sie sind die Pfaue des Hühnerreichs. Aber im Gegensatz zu jenen darf man sie auf den Grill werfen, ohne sich gleich vor einem Peta-Brandanschlag fürchten zu müssen.

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Doch die Realität sieht anders aus. Die hiesige Truthahnlobby ist schlicht zu klein für eine Grosskampagne gegen die fiesen Hühner. Ein ausgewachsener Truthahn wiegt knapp zehnmal mehr als eine domestizierte Henne. Das heisst so einen Puter kann man nicht in den mickrigen 35 Tagen hochzüchten, wie das bei Hühnern so üblich ist. Da Truthähne ihre Eier gerade ein läppisches einmal im Jahr legen, stehen der Truthahnlobby keine Direktzahlungsgelder als Kampagnenmittel zur Verfügung. Und das Risiko, nach dem Verzehr von Puterfleisch an Salmonellen zu erkranken, liegt bei etwa zwanzig Prozent. Happy Thanksshitting.

Foto: [FromSandToGlass ](http://www.flickr.com/photos/ericabreetoe/5203504158/ )

Doch wahrscheinlich wird die Agrarwirtschaft keine weitere Erschütterung alter Traditionen erdulden. Nach all den Kühen, die bereits für dringend benötigte Kürbisanbaufläche eingetauscht werden mussten, wird man unsere Bauern unmöglich dazu motivieren können, ihre heissgeliebten Kühe durch dieses fremdländische Federvieh abzulösen. Wer will schon seine geliebten Anjas, Käthis, Lauras, Susis und Milkas aus dem Kuhstall werfen? Spätestens jetzt sollte klar sein, wer Florian Ast in seinen Liedern wirklich anspricht.

Wer Sex nicht mit einer Alpkuh, sondern einem richtigen Mädchen will, sollte folgende Orte probieren, die genauso animalischen Spass versprechen:

Am Donnerstag flehen wir natürlich alle Amerikaner die wir kennen, an, uns an ihrer Truthahnorgie teilhaben zu lassen. Falls das nicht klappt, kann man sich einen lauschigen Abend mit Sofakunst gönnen.

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Freitags wird es schwierig, sich zu entscheiden. Da gibt es das rockige Chuckamuck-Konzert im Helsinki, das tänzerische Muyal Festival im Stall 6, ein verheissungsvolles Sexfilmfestival im Kino Roland oder die Kunstbombe catch of the year: 100 artists 100 works im Dienstgebäude.

Am Samstag massakrieren wir unsere Sinne: massacre II: broken beats in der Burgunder Bar. Falls euch das zu brutal klingt, bleiben euch sanftmütige Bässe im étage oder Turnakrobatik im Revier.

Am Sonntag geniessen wir unsere Zurückgezogenheit. Falls euch das zu langweilig ist, gibt es goddam, here I am im Klingenthal, Speed im Gaswerk oder Giigestubete im El Lokal.

Da es immer noch saukalt ist, kaufen wir Montags uns eine dicke Portion Rum, Orangen, Nelken, Wein und Zucker und mischen uns unseren eigenen Rumpunsch.

Dienstags wird es düster mit den Skeletons im Ziegel oh Lac. Und Mittwochs dröhnen die Bässe von Mount Kimbie durchs Mascotte.