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ZUERICH: Linke Strassen-Protest-Aktions-Kunst Voina

Krieg in Zürich. Voina werden im Cabaret Voltaire erwartet, um der globalen Revolution zur Zerschlagung des Kapitalismus Anschubhilfe zu geben.

Voina (zu deutsch: Krieg) werden im Cabaret Voltaire erwartet, um der globalen Revolution zur Zerschlagung des Kapitalismus etwas Anschubhilfe zu geben. Das russische Kollektiv sorgt seit Jahren für internationale Schlagzeilen mit Orgien und Anschlägen, die jeweils Teil ihrer Kampagne gegen Korruption, Zensur und Regierung sind. Diese Aktionen bezeichnen sie als „ehrliche, furchtlose und monumentale, linke Strassen-Protest-Aktions-Kunst“.

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„Ein Gespenst geht um in Europa.“ Der epochale Auftakt der Abrechnung von Marx und Engels mit dem Kapitalismus hat schwere Früchte getragen: Vor knapp hundert Jahren manifestierten sich die in einem versiegelten Zug auf der Strecke von Zürich nach Petograd (Russland): Lenin forderte die Umverteilung des Landes und die Enteignung der Reichsten. In Zürich protestierte derweil eine kleine Gruppe mit sinnbefreiten Gedichten und absurden Aufführungen gegen die Kunst, gegen den Krieg und gegen die bürgerliche Gesellschaft.

Der Dadaismus und die Oktoberrevolution sind also Zürcher Exportgüter, angetreten um die Welt zu erobern. Mit der Hilfe von Migranten, die hier Unterschlupf gefunden hatten, erwiesen sich die engen Gassen der Altstadt als guter Nährboden für Umwälzungen (auch wenn diese letztlich fern der Schweiz stattfanden).

Aktuell präsentiert das Cabaret Voltaire, die Keimzelle des Dada, The Revolution to Smash global Capitalism und holt sich dazu prominente Unterstützung. Aus Amerika kommen der politische Exorzist Reverend Billy und The Yes Men, die unter anderem eigens eine Ausgabe der New York Times verfassten und verteilten, um nach Obamas Wahl das Ende des Irakkrieges zu proklamieren. Den umgekehrten Weg aus Russland nach Zürich machen diese Woche Voina, deren Aktionen zwischen gewalttätiger Kunst und künstlerischem Protest zwischen wirksamer Propaganda und revolutionärer Pose hin und herspringen.

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An ihrer Hingabe lässt sich zumindest nicht zweifeln – die Mitglieder von Voina werden regelmässig kontrolliert, verprügelt, verhaftet und angeklagt. Letztes Jahr musste sogar der „Vorzeige-Street-Artist“ Banksy einspringen, um den Erlös einer seiner Editionen als Kaution zu Verfügung zu stellen. Während hier bereits ein paar metergrosse Buchstaben für Empörung sorgen, ist der Phallus von Voina gleich 65 Meter lang und erektil. Am 14. Juni 2010 erhob sich die Zugbrücke, auf die er gezeichnet worden war, vor dem KGB Hauptquartier in den St. Petersburger Himmel. Bevorzugtes Opfer der Voina- Aktionen sind generell die russischen Autoritäten; insbesondere die Polizei: Für Palastrevolution (2010) beispielsweise drehten die Kunstaktivisten sieben Polizeiautos aufs Dach –  mitsamt der betrunken darin schlafenden Polizisten. Als Silvestergruss Ende 2011 veranstalteten sie ein Autodafé, wobei die Aktivisten in eine Polizeistation eindrangen und einen leeren Gefangenentransporter mit Molotowcocktails in Brand steckten.

Gegründet wurde Voina 2007 von Oleg Vorotnikov und Natalia Sokol, später stiessen noch Leonid Nikolayev sowie Alex Plutser-Sarno hinzu, die für einzelne Aktionen jeweils noch von weiteren Personen unterstützt werden. Im russischen Kunstbetrieb ist die Gruppe jedoch völlig isoliert.

Konsequenterweise bringen sie ihre aktionistischen Happenings also ungefragt ins Museum: Zwei Tage vor der Wahl von Präsident Medvedev wollte das Kollektiv  aufzeigen, dass in der russischen Gesellschaft jeder jeden fickt -- zu diesem Zweck trafen sie sich im staatlichen Museum für Biologie.

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Voinaführen ihren Feldzug auf der Strasse und verbreiten ihre Botschaft in Kunstkreisen, obwohl Leonid Nikolayev aka Crazy Lenya eloquent formuliert: „I don’t give a fuck about art.“ Die skurrile Poesie der Dadaisten ist zeitgemäß durch den radikalen Schock ersetzt worden, frei nach dem Credo: „Wenn Du Aufmerksamkeit erregen willst, bist Du am besten ähnlich anarchisch, dreckig, laut und brutal wie das System, das Du anklagst.“

Wir dürfen uns fragen ob die zur Fahndung ausgeschriebenen Künstler dem Schicksal Polanskis folgen werden und statt ihre Werke zu zeigen,  Interpol die Show schmeissen wird.

Nächste Woche wissen wir mit Sicherheit, ob die Zeremonie das alte Gespenst einmal mehr zum Leben erweckt hat – dass die Schweizer Proletarier sich hinter dem Banner der radikalen Russen vereinen scheint uns jedoch unwahrscheinlich.

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5. Februar 2012, 19.00 Uhr, Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1, 8001 Zürich

96 JAHRE DADA – Al Dadaida: The Revolution to Smash Global Capitalism

Mit THE YES MEN (NYC), REVEREND BILLY (NYC) und VOINA GROUP (RUS)

OHNE ANMELDUNG, KEINEN EINLASS!

Anmeldung: cv@cabaretvoltaire.ch

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Galerie: http://www.artnet.com/magazineus/reviews/brown/voina4-29-11_detail.asp?picnum=1

Vice-Interview auf Englisch: http://www.vice.com/en_uk/read/russias-art-war