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Vice Blog

Zurück in der Alpenfestung

Am 29. und 30. November treffen sich deutschnationale und zum Teil als rechtsextrem geltende Studentenverbindungen und mieten sich dabei in öffentlich-finanziertem Raum ein. Doch wie rechtsextrem sind Burschenschaften wirklich?

Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels am Dienstag Abend, stimmte das Land Tirol einer möglichen Absage des Treffens der Deutschen Burschenschaft zu.

Die Deutsche Burschenschaft (DB) kommt zurück in ihre Alpenfestung Innsbruck. Am 29. und 30. November treffen sich deutschnationale und zum Teil als rechtsextrem geltende Studentenverbindungen und mieten sich dabei in öffentlich-finanziertem Raum ein. Ein Faktum, das viele Einwohner der Tiroler Landeshauptstadt stört und in den vergangenen Wochen zum Politikum wurde. Innsbrucks konservative Bürgermeisterin, Christine Oppitz-Plörer wollte die Deutsche Burschenschaft schließlich, auch auf drängen der Opposition und der Zivilbevölkerung, von der Innsbrucker Messe ausladen. Dieses Vorhaben scheiterte, da es sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung handle. Nun will die Bürgermeisterin das Treffen des Verbandes Deutscher Burschenschaften weiter verhindern und ersucht in einem öffentlichen Brief die Mitgesellschafter der „Congress und Messe Innsbruck“, den Vertrag mit der Innsbrucker Burschenschaft Brixia zu kündigen.

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Trotzdem fühlt sich die Deutsche Burschenschaft in Österreich scheinbar ziemlich wohl. Während Burschenschaften in Deutschland unter Beobachtung stehen und für ihre Veranstaltungen nur noch schwer Quartier finden, weichen sie bereits zum vierten Mal nach Österreich aus. Kein Wunder, zahlreiche Burschenschafter bekleiden in Österreich Spitzenpositionen. Knapp 30 FPÖ-Politiker sind korporiert. Auch bei der Angelobung zum Nationalrat erschien die FPÖ-Riege heuer wieder mit der zwielichtigen (blauen) Kornblume am Revers. Diese galt nach dem Verbot der Nationalsozialisten 1933 in Österreich als Symbol und Erkennungszeichen der damals illegalen Nazis in Österreich.

Aber langsam beginnt sich Widerstand zu regen. Für den Grünen Innsbrucker Politiker, Mesut Onay ist es eine traurige Tatsache, dass „nach den Treffen 1994, 2000, 2009 und jetzt, 2013“ Innsbruck immer öfter als Treffpunkt internationaler, schlagender Burschenschafter gesehen wird. „Innsbrucker WohnbürgerInnen und StadtbenützerInnen haben ein Recht darauf, ein für alle Mal klarzustellen, dass diese ewiggestrigen, braunen Weltanschauungen in Innsbruck keinen Fußbreit erhalten und definitiv nicht erwünscht sind.“ Die individuelle Meinungsfreiheit stellt Onay dabei nicht in Frage: „Natürlich sollen sich die Burschenschafter treffen können, aber nicht in einem, von SteuerzahlerInnen finanziertem Raum.“

Seine Antwort auf die Präsenz der Rechten ist eine Gegenveranstaltung. Gemeinsam mit der Initiative „Innsbruck gegen Faschismus“ lädt er am 29. und 30. November dazu ein „Innsbrucker Vielfalt“ zu leben und gegen Faschismus aufzutreten. Neben einem Kulturprogramm ist eine Demonstration geplant, knapp 2000 Teilnehmer werden erwartet. Über 200 Polizisten sollen einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen sicherstellen.

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Doch wie rechtsextrem sind Burschenschaften wirklich? Sind die österreichischen Verbandsmitglieder radikaler als ihre deutschen Brüder? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir uns mit dem österreichischen Politikwissenschafter und Rechtsextremismus-Experten Prof. Reinhold Gärtner von der Univeristät Innsbruck getroffen.

Foto von Daniel Tratz

VICE: Warum findet das Verbandstreffen der Deutschen Burschenschaft in Innsbruck statt?
Reinhold Gärtner: Das hängt mit den einzelnen Burschenschaften zusammen. Die Innsbrucker Brixia war im Verband immer schon sehr aktiv. Früher wechselten die Treffen noch in den Bundesländern. Heute ist das anders. Neben Wien spielt Innsbruck eine gewisse Rolle. Burschenschaften sind in Deutschland umstrittener.

Man spricht von einer Krise in der Deutschen Burschenschaft?
Zu Beginn ihrer Geschichte, im 19. Jahrhundert, waren die Burschenschaften liberaler. In den vergangenen Jahren gab es jedoch einen Trend zum Nationalismus innerhalb des Verbandes. Viele liberale Bünde störten sich daran. Die „Neue Deutsche Burschenschaft“ wurde gegründet. Diese gilt als liberal. Die österreichischen Mitglieder blieben jedoch geschlossen ihrem nationalen Dachverband treu. Dieser diskutierte mitunter einen sogenannten Arierparagraphen, nur deutsch-stämmige Männer sollten weiter aufgenommen werden.

Sind österreichische Deutsche Burschenschaften rechter als ihre deutschen Brüder?
Die österreichischen Bünde sind sicher rechter eingestellt als der Großteil der Burschenschaften in Deutschland. Hierzulande waren sie immer schon deutschnational. Man scheute sich auch nicht, die Nähe zum Deutsch-Nationalismus zu betonen. Die FPÖ hatte das Bekenntnis zur Deutschen Volks und Kulturgemeinschaft sogar bis 1997 im Parteiprogramm. Indirekt im Wortlaut ist das übrigens noch immer im Parteiprogramm der FPÖ enthalten.

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Was für eine Rolle spielen Burschenschaften und ähnliche Vereinigungen in der FPÖ?
Mit den Wahlerfolgen der Freiheitlichen steigt die Zahl der Burschenschafter in Österreichs Parlamenten kontinuierlich. Die Deutsche Burschenschaft hatte schon immer ein enormes Rekrutierungspotenzial für die FPÖ. Die Akademiker der FPÖ waren bei der Deutschen Burschenschaft oder bei ähnlichen Vereinigungen—Landsmannschaften, Sänger-, Turnerschaften, Corps oder Pennalverbindungen. Auch der Freiheitliche Akademikerverband spielte stets eine Rolle. Prominente Mitglieder sind zum Beispiel Andreas Mölzer, der bei der Corps Vandalia in Graz ist, Heinz-Christian Strache, bei der Pennalen Burschenschaft Vandalia in Wien und Martin Graf, Olympia, Wien. Auch der Innsbrucker Gemeinderat und FP-Obmann Markus Abwerzger ist Mitglied der Innsbrucker Sängerschaft Skalden. [Von den Kriegsverbrechen einiger ihrer Mitglieder, insbesondere Ferdinand von Sammern-Frankenegg und dem KZ-Arzt Hermann Richter, haben sich die Skalden bis heute nicht distanziert.]

Die Brixia ist auch heuer wieder federführend an der Organisation des Treffens der DB in Innsbruck beteiligt. Wie extrem ist sie wirklich?
Die Innsbrucker Burschenschaft Brixia beteiligte sich in den 1960er Jahren am Südtirol-Terrorismus. 1961 schändete ein Brixe gemeinsam mit einem Mitglied der Innsbrucker Suevia den Jüdischen Friedhof. 1988, 50 Jahre nach dem Anschluss an Deutschland, verbreitete die Brixia eine Broschüre mit dem Titel „Lüge und Wahrheit“, in dem sie den Nationalsozialismus und den Anschluss an Hitler Deutschland stark relativierte. Ein Jahr später, 1989, lud die Brixia zu einem Vortrag des Holocaustleugners [David Irving](http:// http://de.wikipedia.org/wiki/David_Irving). Die Veranstaltung konnte jedoch nicht in Innsbruck durchgeführt werden und so wurde diese ins deutsche Mittenwald verlegt. Es ist Tradition der Innsbrucker Brixia und der Wiener Olympia, zu den härteren dieser Vereinigungen zu gehören.

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Sind die Burschenschaften an den Universitäten, zum Beispiel hier in Innsbruck, noch mächtig?
Insgesamt muss man sagen, dass die Universitäten früher um einiges brauner waren. Heute ist das anders. An den Unis haben die Burschenschaften ihr Gewicht verloren. Es gibt fast keine Studierenden mehr, die sich diesen Lebensbünden anschließen. Man kann jene Tatsache anhand der Wahlergebnisse des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) verfolgen. Ergatterte in den 1960er Jahren der RFS noch bis zu 30% der Stimmen, schneidet er heute bei den Wahlen der Österreichischen HochschülerInnenschaft, zum Beispiel in Innsbruck, mit nur 1,84% ab. Die Burschenschaften sind alles andere als zeitgemäß. Ihre Rituale werden von immer wenigeren Leuten goutiert. Wer hat schon Interesse, sich das Gesicht zerschneiden zu lassen?

Sind Burschenschafter in österreichischen Regionen teilweise stärker sozialisiert, spielt die (familiäre) Herkunft eine Rolle, wer schließt sich solchen Bünden an?
Tirol hat prinzipiell einen gewissen Anreiz. Einige Studenten kommen zum Beispiel auch aus Regionen des Innviertels und Salzkammerguts in Oberösterreich, die verstärkt nationalsozialistisch waren. Wenn man in diesem Ideologie-Gebilde drinnen ist, sucht man sich natürlich auch das entsprechende Angebot. Dieses wird unter anderem in Innsbruck geboten. Und so gehen ganze Generationen nach Innsbruck. Viele Burschenschafter sind bereits im Jugendalter in Pennälerverbindungen auf Mittelschulebene oder in Turnerschaften engagiert, machen von dort aus den Sprung in die Akademischen Burschenschaften und folgen ihren Vätern, Großvätern und Urgroßvätern nach.

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Foto von Daniel Tratz

Neben den Deutschen Burschenschaften gibt es auch Corps, eine Sängerschaft und Landsmannschaften in Innsbruck. Was ist jenen gemein?
Nicht alle dieser Vereinigungen sind schlagend. Gemeinsam treten sie bei der Organisation von Großveranstaltungen in Innsbruck auf: 1994 luden die Burschenschaften Brixia, Germania, Suevia, Corps Athesia, Corps Gothia, Corps Rhaetia, Landsmannschaft Tyrol, Sängerschaft Skalden, die Akademische Turnverbindung und der Verein Deutscher Studenten zum „Gesamttiroler Freiheitskommers“.

Sind die österreichischen Deutschen Burschenschaften rechtsextrem?
Das kann man nicht pauschalisieren, aber man kann auch nicht sagen, dass sie nicht rechtsextrem sind. Einige Mitglieder sind in der rechtsextremen Szene aktiv. Manche Burschenschaften sind radikaler und extremer, andere liberaler. Die Wiener Burschenschaft Olympia und die Innsbrucker Burschenschaft Brixia haben ein Naheverhältnis zu rechtsradikalem Gedankengut. Hierzu gab es 2000 auch einen Passus im Verfassungsschutz-Bericht mit dem Titel „Rechtsextremismusbericht 1999—Jahreslagebericht“, der im März 2000 gedruckt erschien. Darin heißt es, dass deutschnationalen Burschenschaften und mittelschulischen Verbindungen kein grundsätzlicher Rechtsextremismus vorgeworfen werden kann, und je nach Verein differenziert bewertet werden muss.

Dennoch erkennt der Rechtsextremismus Bericht des Innenministeriums von 1999, „dass von mehreren österreichischen Burschenschaften ein unterschwelliger und verklausulierter Rechtsextremismus ausgeht. Die Agitation dieser Studentenverbindungen lässt auch den Versuch erkennen, auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen.“ Das ist schon eindeutig, wobei da interessant ist, dass im Juni 2000—unter der Schwarz-Blauen Regierung—dieser Paragraph aus der Online-Ausgabe entfernt wurde und bis heute nicht mehr auffindbar ist. Mehr über Nationalismus: Meine Lieblingsseite „Nationale Frauen sind sexy. ღ“ wurde leider gelöscht

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