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Ein Notarzt erklärt, wie man durch eine Überdosis Drogen sterben kann

Im MDMA-Rausch zu viel Wasser zu trinken, ist nicht nur irgendein Großstadtmythos.

Foto: Bit Boy | Flickr | CC BY 2.0

Als ich Sam Gutman zum Thema Drogen-Überdosis befrage, meint er direkt, dass der Begriff "Überdosis" irreführend ist.

"Dieser Ausdruck impliziert, dass es eine wirksame therapeutische Dosis gibt und dass man mehr als das eingenommen hat. Bei Drogen existiert so etwas wie diese therapeutische Dosis jedoch nicht", sagt Gutman, ein Notarzt und Begründer von Rockdoc Consulting—eine Organisation, die bei Musikfestivals Erste Hilfe anbietet.

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"Sie sind schädlich sowie potenziell lebensbedrohlich und gefährlich."

Dass Drogen von der Straße nur ganz selten rein sind, macht die ganze Sache Gutman zufolge nur noch komplizierter. Außerdem reagiert jeder Mensch auf die chemischen Substanzen anders. Dazu kommt noch, dass man bei einer Überdosis oft mehrere unterschiedliche Drogen konsumiert hat.

Und dennoch haben bestimmte Drogenfamilien bei einer Überdosis auch bestimmte Symptome. Wir haben Gutman deswegen darum gebeten, genau diese Symptome zu erläutern und zu erklären, wie sie zum Tod führen könnten.

Alkohol

Die Leber verstoffwechselt Alkohol mit einer Geschwindigkeit zwischen 0,1 und 0,2 Promille (oder ein Drink) pro Stunde. Viele von uns trinken jedoch viel schneller.

Man muss hier wohl kaum erwähnen, dass man nach zu viel Alkoholkonsum kotzen muss. Laut Gutman ist das ein Anzeichen von Vergiftung.

"Das ist so, als würde der Körper sagen: 'Du hast eine Überdosis konsumiert.' Ich meine, man fühlt sich ja unwohl und hat keine gute Zeit mehr. Stattdessen muss man sich übergeben und verliert unter Umständen das Bewusstsein."

Zu diesem Zeitpunkt kann der Körper den aufgenommenen Alkohol schon gar nicht mehr richtig entgiften, so Gutman.

"Es wird dann richtig haarig, wenn sich das Ganze zu einem direkten Gesundheitsrisiko entwickelt. Ein Beispiel wäre der berühmte Rockstar-Tod: am eigenen Erbrochenen ersticken."

Was zuerst mal wie ein schlechtes Klischee klingt, ist laut Gutman in Bezug auf eine Alkohol-Überdosis tatsächlich das größte Gesundheitsrisiko. Dazu kommen dann noch Verletzungen als Folge von Unfällen jeglicher Art.

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Opioide (Heroin, Codein, Fentanyl, Oxycodon)

Opioid-Rezeptoren befinden sich im ganzen Körper, so Gutman. Die Droge wirkt sich dabei auf alle Organsysteme aus. Bei eine Überdosis ist dann eine Hypoventilation die Folge.

"Der Atem verlangsamt sich so sehr, dass nicht mehr genügend Sauerstoff ins Gehirn gelangt. Gleiches gilt für das Blut und die wichtigsten Bereiche des Körpers."

Ein danach möglicherweise folgender Atemstillstand kann zum Tod führen.

Bei Heroin ist eine Überdosis wahrscheinlicher, wenn man sich die Droge spritzt. Dann filtert die Leber das Ganze nämlich nicht mehr, sondern es gelangt direkt in den Blutkreislauf. Dabei konsumiert man im Allgemeinen auch noch eine stärkere Dosis als beim Rauchen des Opioids.

Um gegen eine Opioid-Überdosis anzukämpfen, muss man die betroffene Person zuerst einmal beatmen und deren Lunge mit Sauerstoff versorgen. Dann braucht es ein Gegenmittel wie etwa Naloxon, das die Opioid-Rezeptoren des Körpers blockiert.

Die Wirkung von Fentanyl, das bis zu 100 Mal so stark ist wie Morphium, lässt sich allerdings nicht so leicht umkehren.

"Man braucht mindestens zehn Mal so viel Naloxon, um überhaupt etwas bewirken zu können", meint Gutman. "Es kann aber auch sein, dass selbst dann noch ein Atemstillstand eintritt, weil sich das Rauschgift länger hält als das Naloxon."

Stimulantia (Kokain, Crack, Speed, Meth)

Stimulantia erhöhen den Blutdruck und den Puls. Da überrascht es kaum, dass solche Rauschmittel zum Herzinfarkt führen können.

"Ein Stimulans hat zur Folge, dass der Herzmuskel nicht mehr genügend Sauerstoff bekommt. Das Herz bleibt stehen oder schlägt nur noch unregelmäßig."

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Ein weiteres Anzeichen für eine Stimulantia-Überdosis sind Krampfanfälle, weil das Gehirn zu viele Reize verarbeiten muss oder der Körper überhitzt.

Und dann gibt es da ja auch noch die gute, alte Psychose.

"Bei einer Überdosis wird man psychotisch, rennt durch die Gegend, hat Halluzinationen, reagiert aggressiv oder springt von einer Brücke, weil man glaubt, fliegen zu können." Bei der Frage, ob manche Stimulantia gefährlicher sind als andere, nimmt Gutman kein Blatt vor den Mund.

"Meiner Meinung nach ist Kokain am schlimmsten. Leider ist diese Droge schon so lange im Umlauf, dass man sie fälschlicherweise als sicher betrachtet. Dabei verursacht sie Anfälle, Herzinfarkte, Schmerzen in der Brust, Psychosen sowie Paranoia-Attacken. Außerdem führt das durch Alkohol verschlechterte Urteilsvermögen in Verbindung mit dem durch Kokain erhöhten Selbstvertrauen schnell zu dummen Entscheidungen."

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MDMA

Technisch gesehen handelt es sich bei MDMA um ein halluzinogenes Aufputschmittel. Allgemein gilt jedoch, dass man eigentlich gar nicht weiß, auf was man sich da einlässt.

"Auf der Straße gekauftes Molly ist nur ganz selten reines MDMA", sagt Gutman. "Nein, oftmals hat man das Ganze mit anderen Stimulantien oder anderem Zeug gestreckt. So ist es möglich, dass die Körpertemperatur steigt oder Anfälle auftreten."

Laut Gutman besteht eine der schlimmsten Todesarten im MDMA-Rausch darin, zu viel Wasser zu trinken.

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Die Droge löst nämlich ein Durstgefühl aus, was zusammen mit dem Märchen, auf MDMA immer viel trinken zu müssen, zur sogenannten Hyponatriämie führen kann. Damit bezeichnet man einen zu niedrigen Natriumspiegel im Blut.

"Das Gehirn schwillt an und daran kann man sterben", meint Gutman. "Da das Volumen des Schädels begrenzt ist, drückt das anschwellende Gehirn nach unten und verletzt dabei den Hirnstamm. Das führt dann zu Tod."

Aber auch eine im Molly-Rausch hervorgerufene Überhitzung kann den Tod herbeiführen.

Foto: Alaska Carter | Flickr | CC BY 2.0

Halluzinogene (LSD, Magic Mushrooms)

Eine Überdosis dieser Drogen hat normalerweise eine Psychose zur Folge. In anderen Worten: Halluzinationen und Paranoia. Das führt zwar nicht zum Tod, kann laut Gutman aber trotzdem sehr schlimm sein.

"Manchmal sind solche Folgen von viel längerer Dauer als die eigentliche Wirkung der Drogen. Daraus können langfristige psychische Schäden resultieren."

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Andere Drogen (Ketamin, GHB)

Genauso wie bei Alkohol kann der Konsument hier das Bewusstsein verlieren oder am Erbrochenen ersticken.

Im sogenannten K-Hole fühlt es sich so an, als würde man sich vom eigenen Körper loslösen. Dadurch stirbt man zwar nicht, aber es kann einen psychologisch gesehen Schaden zufügen, so Gutman.

Laut dem Notarzt liegt das Problem bei GHB darin, dass es so unberechenbar ist und der Übergang vom genau richtigen High zur schädlichen Dosis sehr schnell geht. "Im einen Moment ist man noch richtig drauf und im nächsten befindet man sich plötzlich in einem tiefen Koma. So geht es dann immer hin und her." Nach dem Konsum kann dieser Wechselzustand zwischen Koma und Wachzustand bis zu 12 Stunden lang andauern.

Mitarbeiter von Gutmans Organisation sind oft bei Konzerten unterwegs, um dort Menschen zu untersuchen, die augenscheinlich schlafen, in Wahrheit aber extrem unter Drogen stehen könnten.

"Wir stellen dann sicher, dass sie auch wirklich aufwachen. Man weiß ja nie."

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