Drogen

Liebe Kiffer, Daniela Ludwig ist die falsche Zielscheibe

Die Drogenbeauftragte wird immer wieder Ziel von Shitstorms. Dabei müssten sich Leute, die Cannabis legalisieren wollen, eigentlich an jemand anderes wenden.
Daniela Ludwig, die Drogenbeauftragte der Bundesregierun, kann Cannabis nicht legalisieren
Foto: Daniela Ludwig: imago images | Metodi Popow || Cannabis: imago images | VWPics | Edwin Remsberg || Bearbeitung: VICE

Daniela Ludwig hat es nicht leicht. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung muss das Verbot von Cannabis verteidigen, einer Substanz, an der noch nie jemand gestorben ist. Auf dieser Position steht sie im Gegenwind vieler Kritiker. Kürzlich zog sie mit ihrem "Cannabis ist kein Brokkoli"- Statement deren Häme auf sich – und das nicht zum ersten Mal. Ihre "dreiseitige Argumentationshilfe gegen die Legalisierung von Cannabis", die sie an die Unionsfraktion im Bundestag verschickte, war geradezu peinlich und zudem falsch adressiert. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung hätte sie nicht ihre eigene, sondern alle Regierungsparteien anschreiben müssen.

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Aber bei aller Kritik an Ludwig übersehen viele einen entscheidenden Punkt: Sie ist dafür gar nicht die richtige Adressatin. Das hat mit der Definition ihres Postens zu tun.


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Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung ist dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt. Das heißt auch: Selbst wenn Ludwig kiffen wollen würde, könnte sie die Cannabis-Politik der Regierung nicht ändern. Selbst wenn auf ihrem Posten eine Cannabis-Befürworterin oder gar der Chef des Hanfverbands säße, würde das nichts bewegen. So wie zwischen 1998 und 2001, als die Grünen mit Christa Nickels den Posten innehatten. Nickels wollte Cannabis-Fachgeschäfte erlauben, aber sogar in ihrer eigenen Partei war das zur Jahrtausendwende kein mehrheitsfähiges Anliegen. So wurde Nickels nach nur drei Jahren von Marion Caspers-Merk (SPD) abgelöst, ohne Lockerungen in der Cannabis-Politik erreicht zu haben.

Die Drogenbeauftragte ist abhängig

Drogenbeauftragte der Bundesregierung, das klingt, als entscheide die Inhaberin dieses Amtes über deutsche Drogenpolitik. Dabei ist sie lediglich eine drogenpolitische Sprecherin der Bundesregierung. Es ist ihre Aufgabe, die Drogenpolitik der Regierung öffentlich darzustellen und gegenüber Kritikern zu rechtfertigen.

Forderungen zu erheben, gehört theoretisch auch zu ihren Pflichten, aber in der Praxis ist interne Kritik auf diesem Posten, anders als bei anderen Bundesbeauftragten, nicht eingeplant. Die bleibt den unabhängigen Beauftragten des Parlaments oder der Bundesregierung vorbehalten. So kann zum Beispiel die vom Parlament ernannte Wehrbeauftragte oder der von der Regierung ernannte Missbrauchsbeauftragte durchaus Kritik an der Politik der Bundesregierung üben. Anders als die Drogenbeauftragte im alljährlichen Drogen- und Suchtbericht gehen die Jahresberichte von unabhängigen Beauftragten nicht selten kritisch mit der aktuellen Regierungspolitik um. Bundesbeauftragte, die kritisieren dürfen, sind dem jeweiligen Ministerium zwar angegliedert, ihm aber nicht weisungsgebunden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz agiert sogar völlig unabhängig.

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Alles, was mit unserer Drogenpolitik nicht stimmt

Die meisten Bundesbeauftragten sind dem übergeordneten Ministerium jedoch Rechenschaft schuldig und finanziell sowie inhaltlich abhängig. Selbst wenn Daniela Ludwig bei ihrem Amtsantritt liberalere Ideen zu Cannabis-Politik gehabt haben sollte, wäre sie an deren Umsetzung gescheitert. Im Gesundheitsministerium wird man das Tabuthema Cannabis-Legalisierung in dieser Legislaturperiode nicht mehr anfassen. Denn es ist kein Teil der Koalitionsvereinbarung, Punkt.

Kampagnen, auch solche, die für die Akzeptanz von Cannabis-Konsum werben, kosten Geld, das es aus einem CDU-geführten Gesundheitsministerium nicht geben wird – ganz egal, ob die Drogenbeauftragte das persönlich unterstützt oder nicht.

Also tritt Daniela Ludwig nach ihrem vielversprechenden Auftakt in die Fußstapfen ihrer Vorgängerinnen: Sie tut das, was sie soll, und verkauft die Politik der Bundesregierung. Derzeit fordert sie die bundesweite Vereinheitlichung der geringen Menge auf sechs Gramm (in Berlin liegt sie bei 15 Gramm). Genau das haben ihre Vorgängerinnen Mechthild Dyckmans (FDP) und Marion Caspers-Merk auch versucht – und sind gescheitert. Denn dazu bedarf es der Zustimmung der Länder. Die wird es auch diesmal nicht geben, weil das für Bundesländer mit liberalen Verordnungen ein Rückschritt wäre, für den Ludwig an anderer Stelle Kompromisse anbieten müsste. Doch das ist nicht geplant.

Wir brauchen eine unabhängige Drogenbeauftragte

Was müsste passieren, damit eine Drogenbeauftragte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Drogenpolitik betreibt? Die Person einfach auszutauschen, bringt wenig. Eine liberale Drogenbeauftragte könnte sich angesichts der bestehenden Strukturen kaum Gehör verschaffen und würde vom CDU-besetzten Bundesgesundheitsministerium auch kein Geld für eine neutrale und faktenbasierte Cannabis-Aufklärung bekommen. Sie säße buchstäblich auf verlorenem Posten. So etwas will sich seit dem Abgang von Christa Nickels wirklich niemand mehr in die Vita schreiben müssen.

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Wirklich frischen Wind könnte man nur erwarten, wenn die Stelle nach den Bundestagswahlen 2021 unter neuen Vorzeichen ausgeschrieben wird. Egal, ob der Auftrag vom Parlament oder der Regierung käme, sollte die oder der Drogenbeauftragte unabhängig sein. Nur so können auch wissenschaftliche Erkenntnisse in die Diskussion einfließen, die der aktuellen Regierungspolitik entgegenstehen.

Besonders der SPD könnte ein reformiertes Amt der Drogenbeauftragten helfen, ihre Position zu Cannabis (Legalisierung nein, Entkriminalisierung ja) zu konkretisieren. Eine Reform könnte langfristig sogar innerhalb der Union verhärtete Positionen aufweichen. Allerdings wird es schwierig, das Bundesgesundheitsministerium von dieser Notwendigkeit zu überzeugen – hier geht es immerhin um ein Millionen-Budget, über das eine unabhängige Drogenbeauftragte dann auch selbstständig verfügen könnte.

Die Drogenbeauftragte ist nur ein Puffer zwischen Kritikern und dem Gesundheitsminister

Genau hier wird offensichtlich, dass Daniela Ludwig nur eine vorgeschobene Projektionsfläche für eine Cannabis-Politik ist, über die heute und auch in Zukunft das Gesundheitsministerium entscheidet. Eigentlich müsste Gesundheitsminister Jens Spahn das Ziel von empörten Legalisierungs-Befürwortern sein, doch Ludwig versteht es meisterhaft, den Zorn auf sich zu ziehen und erfüllt ihre wahre Mission so zur vollsten Zufriedenheit ihres Vorgesetzten. Solange die Drogenbeauftragte jeden Shitstorm aussitzt, muss sich auch Jens Spahn nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen.

Sollte die CDU in ferner Zukunft ihre Haltung zu Cannabis ändern, könnte sich Spahn dank Frontkämpferin Ludwig dafür feiern lassen. Denn er sei im Gegensatz zu ihr ja nie so richtig dagegen gewesen, könnte er dann behaupten. Mit dieser Haltungsflexibilität kennt er sich bestens aus: 2018 berichtete Spahn stolz über das erfolgreiche "Cannabis als Medizin"-Gesetz und betonte, mit der Verdopplung des Cannabis-Imports aus den Niederlanden, einen "wichtigen Beitrag zur medizinischen Therapie der deutschen Patientinnen und Patienten" geleistet zu haben. Dabei hatte er 2009 im Gesundheitsausschuss zusammen mit der drogenpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Maria Eichhorn, noch versucht, eben dieses Gesetz zu verhindern.

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