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Politik

Die AfD sollte in der Antisemitismus-Debatte lieber die Klappe halten

Die Partei hat genug Judenhasser in den eigenen Reihen.

"Sollte ich hier auf der Straße einen Israeli oder einen Amerikaner treffen, wäre er tot. Ich schwöre auf meinen Gott." Diese Aussage des 23-jährigen Abdul, den die Bild am Dienstag in Neukölln interviewt hat, sorgt gerade für Entsetzen in den sozialen Medien.

Zu Recht: Dass Antisemitismus unter muslimischen Einwanderern viel weiter verbreitet ist als in anderen Gruppen, ist nicht erst seit vergangenem Sonntag bekannt, als Pro-Palästina-Demonstranten am Brandenburger israelische Flaggen verbrannten. Und dass mit den vielen Flüchtlingen aus dem arabischen Raum auch mehr Antisemitismus nach Deutschland kommt, ist eine enorme Herausforderung für die Integration.

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Dass jemand wie Abdul sich so offen hinstellt und so stumpf judenfeindliche Äußerungen von sich gibt, hat für eine neue Welle der Empörung gesorgt. Wie jedesmal, wenn es darum geht, sich über Muslime aufzuregen, ist auch die AfD dabei und versucht, daraus Profit zu schlagen.

"Der Antisemitismus hält unverhohlen Einzug in Deutschland – während die etablierte Politik schweigt", schreibt Alice Weidel, die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. "Gehört das zu Deutschland?"

Die Frage ist schon deshalb unsinnig, weil Antisemitismus leider zweifellos zu Deutschland gehört. Zahlen von 2014 zeigen: 27 Prozent der Deutschen hegen antisemitische Vorurteile. Besonders heuchlerisch ist Weidels Anteilnahme aber, weil der Antisemitismus vor allem auch zur AfD gehört.

Spitzenpolitiker der AfD versuchen zwar ständig, ihre Partei als die wahren Verteidiger der deutschen Juden darzustellen. Im April erklärte Frauke Petry, die damals noch Bundesvorsitzende war, die AfD sei "einer der wenigen politischen Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration nach Deutschland".

Schon in dem Zitat wird allerdings klar, worum es den AfD-Leuten eigentlich geht, wenn sie sich um Antisemitismus Sorgen machen: Sie wollen das Schlagwort vor allem instrumentalisieren, um ihren Rassismus gegen Muslime zu legitimieren. "Die freundlichen Töne erleichtern vor allem ihren vielen bürgerlichen Vielleicht-Wählern die Entscheidung, ihren Ressentiments gegen andere Minderheiten – in erster Linie gegen Muslime und Flüchtlinge – freieren Lauf zu lassen", schrieb die Jüdische Allgemeine im August. "Den Juden kommt in diesem Spiel nur die Rolle der nützlichen Idioten zu."

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Das merkt man vor allem daran, dass die AfD sich kaum noch für Antisemitismus interessiert, wenn er nicht von Muslimen ausgeht. Dabei werden immer noch etwa 90 Prozent der antisemitischen Straftaten von Deutschen begangen. Und auch in der AfD gibt es Antisemitismus – der sich nicht mal versteckt.


Mehr von der besorgten Frau Weidel:


Der berühmteste Fall ist der des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, der die zutiefst antisemitischen "Protokolle der Weisen von Zion" schon mal als intellektuell "hochwertig, ja genial" bezeichnet hat und behauptet, die Juden arbeiteten an der "Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden". Obwohl gleich mehrere Historiker Gedeons Schriften als klar "rechtsextrem und antisemitisch" eingeordnet haben, ist er immer noch Mitglied der AfD.

Aber Gedeon ist nur die Spitze des Eisbergs: Politiker und Mitglieder der Partei verbreiten immer wieder antisemitische Verschwörungstheorien. Das schadet nicht zwingend ihrer Karriere: Peter Felser, mittlerweile stellvertretender Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, hat laut der FAZ 2001 und 2003 antisemitische Videos für die rechtsextreme Partei "Die Republikaner" produziert. Ein typisches Beispiel ist auch Dirk Hoffmann, Vorstandsmitglied der AfD in Sachsen-Anhalt, der in einem Facebook-Post den Holocaust relativierte und erklärte, "was die Israelis in Gaza machen ist mindestens genauso schlimm". Der Watchblog Belltower News hat zahlreiche solcher Beispiele von Antisemitismus in der AfD zusammengetragen.

Dabei sind gar keine aufwendigen Recherchen nötig, um zu verstehen, wie die AfD wirklich tickt: In ihrem Wahlprogramm fordert die Partei, "die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus […] aufzubrechen". Und einer ihrer einflussreichsten Politiker, der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, forderte im Januar "nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". In derselben Rede nannte er das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein "Denkmal der Schande".

Wenn die AfD sich jetzt hinstellt und Antisemitismus bei Muslimen verurteilt, dann hat das mit Sorge um in Deutschland lebende Juden nichts zu tun. Es geht ihnen einzig und allein darum, Angst vor Muslimen zu schüren.

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