Gorbatschow statt Hasselhoff—Berlin feiert den Mauerfall

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Gorbatschow statt Hasselhoff—Berlin feiert den Mauerfall

25 Jahre Mauerfall und alle so: Mäh.

Ein bisschen erinnerte es an die Feierlichkeiten zur Fußballweltmeisterschaft oder Silvester: Trauben von Menschen drängten sich erwartungsvoll dicht an dicht auf der Straße. Jeder versuchte, einen Blick auf die aufgestellte Großleinwand zu erhaschen, auf der live von der Bühne am Brandenburger Tor übertragen wurde. Im Schritttempo versuchten sich die letzten Autos auf der Bernauerstraße durch die Menschenmassen zu zwängen, bevor die Menge sie endgültig zum Stehen brachte.

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Wo sonst jeden Sonntag normalerweise die Besucher des Mauerparks auszumachen sind, tummelten sich Familien mit Kindern, ältere Ehepaare und Touristen. Fast eine Million Menschen auf die Straßen Berlins gekommen, um die 7000 leuchtenden Ballons zu sehen, die zum 25. Jahrestag des Mauerfalls auf 15 Kilometern entlang der ehemaligen Grenze aufgestellt worden waren und in einer Kettenreaktion in den Abendhimmel steigen sollten.

Schaute man die Bernauerstraße entlang, schienen weder die Ballons noch die Menschenmassen zu enden. Jeder Ballon trug eine persönliche Nachricht seines Ballonpaten, der für den reibungslosen Start verantwortlich war.

Bei Glühwein und Bratwurst wurde dort gefeiert, wo im Oktober 1964 mit dem Tunnel an der Bernauerstraße einer ​der spektakulärsten Fluchtversuche aus dem ​sozialistischen Regime der ​DDR ereignete, bei dem West-Berliner Studenten einen 145 Meter langen Tunnel nach Ost-Berlin gruben, der 57 DDR-Bürgern zur Flucht in den Westen verhalf. Damals waren die nach Westen ausgerichteten Fenster in der Bernauer Straße zugemauert, hier wurden Menschen auf der Flucht erschossen. Heute ist davon fast nichts mehr zu spüren. Nur das Mauerdenkmal mit seinen rostigen Metallstäben zeugt von der vergangenen Spaltung einer Stadt.

Gegen 18 Uhr betrat Klaus Wowereit die Bühne am Brandenburger Tor. „Hallo Berlin, seid ihr gut drauf?" Neben Bundespräsident Gauck war auch Michail Gorbatschow eigens für die Feierlichkeiten nach Berlin gereist. In seiner Eröffnungsrede mahnte der scheidende Bürgermeister Wowereit: „Nichts und niemand darf den Freiheitswunsch der Menschen zurückweisen. Nichts und nirgends. Wir wünschen allen Menschen, die unter den Mauern unserer Zeit leiden, so etwas zu erleben, wie wir es erlebt haben." Die Aktion des „Zentrums für politische Schönheit", das einige der Mauertoten-Gedenkkreuze entwendet und an die Außengrenzen der EU gebracht hatte, um auf die neue Grenze um Europa aufmerksam zu machen, erwähnte er nicht.

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Am Ende seiner Rede gab er das Zeichen für den Start der Ballons. Unter Tosendem Jubel stiegen sie einer nach dem anderen in den abendlichen Himmel, wo sie bald von einem aus dem Osten kommenden Wind nach Westen getrieben wurden. Der ARD-Moderator bemerkte ehrfürchtig, dass niemand wisse, wie weit die fliegen würden—„vielleicht schafft der ein oder andere es sogar nach Niedersachsen!"

An der Bernauerstraße wurde noch gewartet. Auf der großen Leinwand spielten Szenen der Maueröffnung. Momentaufnahmen von Menschen, die unter Tränen von dem besten Tag ihres Lebens berichteten. Von einem naheliegenden Balkon hallte „I have been looking for Freedom" in Richtung Straße. „Es geht los!", sagte ein Vater zu seinem Sohn, den er auf den Schultern trug. Um mich herum wurden Smartphones gezückt. Keiner wollte den Moment verpassen, als die Ballons nach oben stiegen.

Endlich erreichte die Ballonkette auch die Bernauer. Die Paten drehten ihren extra dafür erhaltenen Schlüssel um und entließen die Ballons in die Nacht. Doch was aus der Luft ein fantastisches Bild abgegeben hatte, schien bei vielen in der Menge eher Enttäuschung hervorzurufen. Als die Ballons sich aus ihrer Halterung lösten, verloren sie ihre Beleuchtung und verschwanden innerhalb von Sekunden am Nachthimmel. Und dann war auch nicht mehr viel zu tun, als nach Hause zu gehen. Aber immerhin musste man dabei keine Grenze mehr passieren.

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Fotos: Jermain Raffington und ​Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Christopher Bethell

Foto: Jermain Raffington

Foto: Anna Leevia

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell

Foto: Christopher Bethell