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3 Gründe, warum die Kurden sich nicht zu früh über deutsche Waffen freuen sollten

Die deutsche Regierung hat angekündigt, zu Waffenlieferungen in den Irak bereit zu sein. Nur blöd, dass wir gerade keine Möglichkeit haben, sie dorthin zu fliegen.
Eine MILAN im Einsatz. Foto: LFK GmbH | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Die Bundesregierung hat sich heute zu Waffenlieferungen an die kurdischen Truppen im Irak bereit erklärt. Vorher war eigentlich nur geplant gewesen, nicht-tödliches Material wie Nachtsichtbrillen, Schutzwesten und Unimogs in den Irak zu liefern, um die kurdische Peshmerga im Kampf gegen die IS-Miliz zu unterstützen. Jetzt wäre theoretisch einer Lieferung auch tödlicher deutscher Waffen wie zum Beispiel der Panzerabwehrsysteme vom Typ Milan möglich.

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Die kurdische Regionalregierung hatte in den letzten Wochen immer wieder ziemlich deutlich gesagt, dass ihnen zwar jede Hilfe recht ist, dass sie aber vor allem dringend mehr Waffen brauchen, um sich gegen die ISIS durchzusetzen. Die islamistische Miliz hat in den letzten Monaten große Mengen Kriegsgerät erbeutet, das die irakische Armee bei ihrem taktischen Hochgeschwindigkeitsrückzug aus den eroberten Gebieten zurückließ—dazu gehören auch gepanzerte Humvees, die die US-Armee der irakischen Armee geschenkt hatte.

Oh look, here comes #ISIS and what are they driving there? An America Humvee? pic.twitter.com/zkybBHj76O

— Winston Smith (@winstonsmith121) 19. August 2014

Weil die ISIS in den letzten Wochen bereitwillig demonstriert hat, dass sie mit dem Material nicht nur umgehen kann, sondern auch keine Skrupel hat, es zur Vernichtung von nicht orthodox-sunnitischen Minderheiten wie den Jesiden einzusetzen, ist der Hilferuf der Kurden nun endlich auf offene Ohren gestoßen.

Am schnellsten haben die Amerikaner mit taktischen Bombardements aus der Luft und Waffenlieferungen reagiert, letzte Woche haben dann die Franzosen die ersten Maschinengewehre und Mörser auf den Weg gebracht. Heute haben schließlich sowohl die Italiener als eben auch die Deutschen angekündigt, zu Waffenlieferungen bereit zu sein.

Die europäischen Geber wollen sich dabei vor allem auf leichte Waffen wie Maschinengewehre, Mörser und eben Panzerabwehrsysteme beschränken, Panzerfahrzeuge werden die Kurden wohl kaum bekommen. Aber Raketensysteme wie die Milan können den Kurden schon einen enormen Vorteil auf dem Schlachtfeld geben: Sie sind leicht zu bedienen, man kann sie auf einem Pick-up schnell in Stellung bringen, und auf eine Entfernung von bis zu 1,9 Kilometern kann man gepanzerte Fahrzeuge mit einer Rakete ziemlich gründlich zerstören. Die Kurden könnten so was also gut gebrauchen. Nur leider scheint es alles andere als sicher, dass sie die deutschen Systeme auch wirklich bekommen—und zwar aus diesen Gründen:

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1. Wir haben das Zeug vielleicht gar nicht

Noch bevor die Regierung sich zu dieser untypischen Entscheidung durchgerungen hatte, berichtete die Bild, dass die Bundeswehr schon bei der Lieferung der nicht-tödlichen Waffen erhebliche Probleme haben würde. Unter Berufung auf einen geheimen Bericht an den Generalinspekteur des Heeres berichtete die Bild, dass zum Beispiel die Schutzwesten gar nicht ausgeliefert werden könnten, weil sie so alt sind, dass die Plättchen darin brüchig geworden sind und somit keinen Schutz mehr bieten.

Außerdem hat die Bundeswehr nur 680 von den 1000 versprochenen Nachtsichgeräten zu verschenken, und von den 58 Unimogs sind 35 „nicht einsatzbereit“. Wenn bei den echten Waffen die gleiche Kluft klafft zwischen dem, was wir gerne verschenken würden, und dem, was wir tatsächlich haben, dann sollten die Kurden sich erstmal lieber an die Italiener halten. Die haben nämlich mit Sicherheit 30.000 alte Kalaschnikows herumliegen, die sie mal während des Jugoslawienkriegs beschlagnahmt haben und gerne in den Irak schicken würden.

2. Politik und so

Heute hat die Regierung sich auf nicht viel mehr festgelegt, außer dass man zu Lieferungen „bereit“ sei. Jetzt muss das ganze erst einmal geprüft werden und dann wird laut Verteidigungsministerin von der Leyen „in etwa einer Woche“ entschieden. Und das auch nur, wenn alle anderen mitmachen: sowohl Katrin Göring-Eckardt von den Grünen als auch Gerd Müller von der CSU haben gefordert, dass eine solche Entscheidung nur mit einem Bundestagsmandat gefällt werden könne. Das dürfte den Prozess nicht unbedingt beschleunigen.

3. Wir können das Zeug gar nicht dahin fliegen

Im Moment haben wir nämlich ein kleines Problem mit der Türkei, in der man normalerweise zwischenlanden muss, bevor man in den Nordirak weiterfliegt. Die Türkei ist im Moment aber nicht besonders gut auf Deutschland zu sprechen, weil der BND sie ausspioniert hat, und hat heute schon drei deutschen Transportflugzeugen mit Hilfsgütern die Landeerlaubnis verweigert. Das heißt, dass die deutsche Regierung erstmal dringend ihre Beziehungsprobleme mit Ankara lösen muss, bevor sie überhaupt irgendwas in den Irak fliegen kann.

Die Ankündigung, dass sogar die zurückhaltenden Deutschen ihnen Waffen liefern wollen, wird den kurdischen Kämpfer bestimmt Mut machen. Von dem werden sie wohl aber auch noch eine Weile zehren müssen, bis die Waffen dann tatsächlich ankommen. Solange müssen sie wohl mit den amerikanischen und französischen Lieferungen auskommen. Das ist aber auch nicht immer ganz ungefährlich, wie dieses Video des französischen Panzerabwehrsystems Eryx in Aktion zeigt: