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6 Gründe, warum Deutschland gerade so irre viel Geld hat

Überraschung: Auch die Flüchtlinge haben einen Anteil an den 18,5 Milliarden Euro Überschuss.
Foto: imago | Steinach

Wenn du gerade mit Freunden aus Griechenland oder Italien rumhängst, solltest du das jetzt vielleicht für dich behalten, aber: Deutschland hat schon in der ersten Hälfte des Jahres einen Haushaltsüberschuss von 18,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Während viele südeuropäische Länder also immer noch mit katastrophalen Wirtschaftskrisen kämpfen, klingelt bei uns gerade richtig die Kasse.

Wenn jetzt nichts total Verrücktes passiert, wird 2016 nämlich das dritte Jahr in Folge, in dem Deutschland deutlich mehr Geld einnimmt als ausgibt. Für Normale Menschen und Unternehmen mag das selbstverständlich sein—bei Staaten ist das aber eher die Ausnahme. Woran liegt es also, dass Deutschland in letzter Zeit so irrsinnig viel Patte übrig hat?

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Das sind die sechs Gründe für den Geldsegen Deutschlands:

1. Viel mehr Leute haben Arbeit – auch wenn sie nicht immer gut ist

"Die Lage am Arbeitsmarkt ist gerade ziemlich gut", erklärt Arne Heise, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Hamburg und. Mit 6 Prozent Arbeitslosigkeit erleben wir gerade ein historisches Tief—seit der Wiedervereinigung waren noch nie so wenig Menschen arbeitslos wie jetzt. "Das hat aber auch damit zu tun, dass wir nach den Hartz-Gesetzgebungen sehr viel prekäre und Teilzeit-Beschäftigungen geschaffen haben, die nicht wirklich Arbeit schaffen", sagt Heise. Das bedeutet: Du hast vielleicht einen Job, aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass du einen befristeten Vertrag hast oder in einem Mini-Job für 8,50 Mindestlohn schuftest. Für den Staat ist das großartig, weil du ihn keine Sozialausgaben kostest. Das ist die Ironie der Geschichte: Merkel räumt die Lorbeeren ab, weil ein sozialdemokratischer Kanzler die härtesten Arbeitsmarktreformen alller Zeiten in Deutschland durchgezogen hat.

2. Die Deutschen verprassen mehr

Der Konjunkturaufschwung, der das Geld in die Kassen bringt, hat auch damit zu tun, dass wir alle mehr Geld ausgeben. Die Menschen können mehr verprassen, weil viele Deutsche ihr Gehalt gut verhandelt haben oder die Gewerkschaften es für sich aushandeln haben lassen. Die Botschaft für jeden echten Patrioten ist klar: Wenn ihr Deutschland helfen wollt, dann konsumiert! Konsumiert, bis es euch zu den Ohren rauskommt!

Traditionell sind die Löhne in Deutschland stets deutlich langsamer gestiegen als in den anderen europäischen Ländern, weil die die Fabriken auf keinen Fall zu teuer produzieren wollten; Deutschland ist als Exportland davon abhängig, dass irgendwer im Ausland unsere Produkte kauft. In den letzten zwei oder drei Jahren sind die Löhne aber plötzlich stärker gestiegen. Laut Heise liegt das zum einen am gesunden Arbeitsmarkt—wer nicht dauernd Angst haben muss, seinen Job zu verlieren, der verhandelt härter. Und zum anderen hätte auch die EU Druck ausgeübt und dafür gesorgt, dass die deutschen Löhne zu den anderen europäischen aufholen. Das ist nötig, damit auch andere EU-Länder eine Chance haben, ihre Produkte zu verkaufen.

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3. Auch die Flüchtlinge kaufen fleißig

Foto: Grey Hutton, für diesen Artikel

Der Konsum wurde aber nicht nur von Arbeitnehmern angekurbelt, sondern auch durch die Ankunft von über einer Million Flüchtlingen allein im letzten Jahr. "Die bekommen erstmal öffentliche Mittel, und das macht einiges aus", sagt Heise. "In dem Sinne ist die Zuwanderung auch ein bisschen ein Konjunkturprogramm, weil dadurch Nachfrage entsteht. Ohne Flüchtlinge wäre der Wirtschaftswachstum wohl 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte niedriger."

4. Wir schicken unsere Produkte um die ganze Welt

Deutschland war schon immer ein Monstertruck, wenn es um Exporte ging. Bis China die Position 2009 übernahm, war Deutschland sogar Weltmeister darin, zu Hause hergestellte Waren auf dem ganzen Planeten zu verkloppen. Was uns gut tut, ist aber nicht immer toll für alle anderen in der EU. Oft genug geht unsere Exportwut auf Kosten der Südeuropäer: "Deutschland und einige Nachbarländer erzielen durch Exporte innerhalb der EU Exportüberschüsse, die dann zu Lasten der Exportdefizite in den südlichen Ländern gehen", sagt der Experte Heise. Daran wird sich aber so bald nichts ändern.

5. Der Staat gibt selbst nicht mehr so viel Geld aus

Gemessen an den Einnahmen hat der deutsche Staat in den letzten Jahren deutlich weniger ausgegeben als in den Jahren davor. Klingt toll, ist es aber nicht zwangsläufig. Autobahnbrücken brechen zusammen, die Straßen haben Schlaglöcher und die Schulen überfüllte Klassen. Wenn der Staat zu viel an den wichtigen Dingen spart, kann das langfristig teurer kommen, als hätte er einfach früher vernünftig investiert. Was schlau klingt, ist teilweise also wirtschaftlich ziemlich dumm.

6. Das gute, billige Öl

Wir haben in Deutschland weder Scheichs noch Öl und wir kaufen unser Benzin teuer ein. Wenn der Ölpreis also billig ist, so wie schon seit Monaten, sparen wir eine Menge Geld. Wie viele Länder muss Deutschland sein Öl importieren. Das Geld, das übrig bleibt, können wir wiederum ausgeben: siehe Punkt 2.

Geht das jetzt immer so weiter?

Leider nicht. Heise glaubt, eine Gefahr geht vom Brexit aus: "Der wird sich in ganz Europa in der Konjunktur bemerkbar machen". Schon in den nächsten Monaten wird die Wirtschaft langsamer wachsen.

Womit wir wieder beim Anfang wären: Wenn ihr Deutschland helfen wollt, dann tut eure verdammte Pflicht und konsumiert. Kauft euch einen Audi oder BMW, tauft ihn mit einer Flasche Champagner, äh, nein besser Rotkäppchensekt, fahrt ihn an die Wand und kauft euch gleich einen neuen. Der Kapitalismus will es so. Und es ist der einzige Weg, uns vor der Krise zu schützen.