Junge schwarze Frauen an der Schwelle zur Arbeitswelt

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The Photo Issue 2016

Junge schwarze Frauen an der Schwelle zur Arbeitswelt

Im Berufsleben werden schwarze Frauen immer wieder wegen ihres Äußeren diskriminiert. Die Fotografin Endia Beal zeigt junge Afroamerikanerinnen zwischen Identität und Konformität.

Aus der_ Photo Issue 2016_

In einer Szene in Beyoncés Musikvideo zu "Formation" blickt ihre Tochter Blue Ivy engelsgleich in die Kamera, während ihre Mutter entschlossen erklärt: "I like my baby heir with baby hair and afros". Eine zutiefst politische Aussage. Beyoncé, die vermutlich größte Entertainerin unserer Zeit, ist entschlossen, ihre Blackness, ihr Schwarzsein, zu lieben. Und sie entscheidet sich ebenso dafür, die Blackness ihrer Tochter zu lieben, indem sie öffentlich eine schwarze Ästhetik feiert. Im Video zu "Formation" haben die vielfältigen Frisuren schwarzer Frauen einen Auftritt: Es gibt beeindruckende Dreifach-Dutts sowie geflochtene Chignons und Kronen. Ein Perückenstudio kommt ebenfalls vor. In "Formation" geht es unter anderem um den Leitspruch, der im Zuge der Black-Power-Bewegung der 1960er bekannt wurde: Black is Beautiful.

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Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es im US-Staat Louisiana Gesetze gegen die anscheinend so auffällige Schönheit schwarzer Kreolinnen. Das "Tignon"-Gesetz schrieb vor, dass diese Frauen ins Gefängnis mussten, wenn sie ihr Haar nicht mit einem Kopfwickel bedeckt hielten. Die Frauen fügten sich, doch sie machten die Wickel so hübsch wie möglich. Ein Gesetz, das schwarzen Menschen verbietet, zu schön zu sein, ist logischerweise ohnehin nicht durchsetzbar. Wie die Historikerin Carolyn Long bemerkt: "Anstatt als Schandfleck zu gelten, wurde der Tignon zu einem modischen Accessoire. Viele sagen, die bunten Farben der Tücher und die einfallsreichen Wickeltechniken machten die schwarzen Frauen nur noch schöner." Es ist kein Zufall, dass "Formation" sich auf die kreolische Abstammung der Sängerin bezieht und darauf, wie schwarze Frauen ihre Ästhetik schon immer als eine Form des Widerstands einsetzen.

Unser Aussehen ist auch heute noch Fokus rassistischer Kritik. Beyoncé besitzt ein Imperium und damit außergewöhnliche Macht, sich gegen die amerikanische Tradition der Abwertung schwarzer Frauen aufzulehnen. Die meisten von uns müssen im Beruf stattdessen einen metaphorischen Tignon tragen, vor allem in der Geschäftswelt. Um uns besser anzupassen, legen wir die Kleidung und Accessoires ab, in denen wir uns wie wir selbst fühlen. Wenn von "professionell" die Rede ist, dann kann man oft davon ausgehen, dass damit "weiß" gemeint ist. Ob im US-Militär, in Läden wie Abercrombie oder Zara, in der Anwaltskanzlei oder im Profisport—die Frisuren und Looks schwarzer Frauen werden immer wieder als unprofessionell oder problematisch eingestuft.

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Die Fotografin Endia Beal behandelt dieses Thema und mehr in ihrer Fotoreihe Am I What You're Looking For?. Beal zeigt junge, gebildete schwarze Frauen, die kurz vor dem Eintritt in die Arbeitswelt stehen.

Sie lichtet die Protagonistinnen in ihren Elternhäusern ab, vor einem Fotohintergrund, der den Flur eines Büros zeigt, in dem sie einst gearbeitet hat. Laut Beal stehen die Frauen so "zwischen den Welten der Identität und Konformität". Sie sehen die Hindernisse vor sich, die ihnen als schwarze Frau aufgrund ihres Äußeren begegnen werden. Die Frauen kleiden sich für das Projekt so, wie sie es für eine Geschäftsfrau am besten halten, Beal stellt Fragen wie in einem Bewerbungsgespräch.

Das Gespräch konfrontiert sie emotional mit der Möglichkeit, dass sie dem Ideal einer "professionellen" Frau nicht entsprechen könnten. In der Reihe sind Frauen mit bauchfreien Tops und Tattoos zu sehen. Oder mit voluminösen Afros, die der Schwerkraft trotzen. Andere haben Extensions, Weaves oder Senegalese Twists. Am I What You're Looking For? thematisiert ein Zusammenspiel schwarzer weiblicher Ästhetiken, und der rote Faden ist dabei das Haar. Bereits in ihrer Fotoreihe Can I Touch It? von 2013 beschäftigte sich Beal mit diesem Thema. Das Projekt zeigte weiße Frauen mittleren Alters in traditionellen schwarzen Frisuren und Hosenanzügen. Es ging viral.

Die Palette an Emotionen in Beals Arbeit veranschaulicht die Bandbreite an subjektiven Erfahrungen, die mit Diskriminierung am Arbeitsplatz einhergehen. Manche Frauen blicken stolz in die Kamera, andere wirken weniger selbstsicher. Sie sind materiell zumindest halbwegs privilegiert, wie die Mittelschichtwohnzimmer zeigen, doch das hilft herzlich wenig beim unfreiwilligen Studium der "Misogynoir". Gut möglich, dass das Projekt für Beal auch als eine Art nachträgliche Dokumentation ihrer eigenen Erfahrungen in dem Büro auf dem Fotohintergrund fungiert.

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Beal machte ihren Master of Fine Arts an der Yale University. Heute ist sie Kunstprofessorin an der Winston-Salem State University, einer historisch schwarzen Universität in North Carolina. Teils kam die Inspiration auch von ihren Studentinnen. "Sie kamen mit denselben Sorgen zu mir, die ich in der Geschäftswelt hatte", sagt sie mir. So ergeht es bereits Generationen von schwarzen Frauen. Beal will endlich etwas ändern. "Ich ließ die Frauen vor dem Büroflur posieren, in dem ich mich jeden Tag so andersartig gefühlt hatte", sagt sie. "Ich verarbeite durch Kunst meine Emotionen." Beal hofft auch, den Frauen mit dem Projekt die Erfahrung emotionaler Unterstützung mitzugeben. Fast schon mütterlich fügt sie hinzu: "Etwas zusammen zu machen, verbindet eben."

—MUNA MIRE

Die Mittel für dieses Projekt wurden von der Magnum Foundation bereitgestellt.