FYI.

This story is over 5 years old.

News

American ISIS: Der heimische Terrorismus der USA nach dem Irakkrieg

Das US-Militär rekrutierte Neonazis, Bandenmitglieder und Kriminelle als Kämpfer im War on Terror—und jetzt kehren sie heim.

Specialist James Douglas Ross, der im Irak als Nachrichtenoffizier diente (82nd Airborne Division), in seinem Kasernenzimmer. Foto via Hunter Glass

Der folgende Text ist ein Exzerpt aus dem neuen Nachwort von Irregular Army: How the US Military Recruited Neo-Nazis, Gang Members, and Criminals to Fight the War on Terror von Matt Kennerd, welches gerade als Taschenbuch veröffentlicht wurde. Kennards neues Buch, The Racket: A Rogue Reporter vs. the Masters of the Universe , erscheint im April.

Nur Wochen bevor die gebundene Ausgabe von Irregular Army im September 2012 erschien, betrat ein Neonazi und Veteran der US Army einen Sikh-Tempel in Oak Creek, Wisconsin, und erschoss sechs Tempelgänger. Ein Thema, für das die amerikanischen Medien während des War on Terror kaum etwas übrig hatten—die Extremisten, die vom US-Militär ausgebildet werden—war plötzlich der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Anzeige

Viele Amerikaner wunderten sich, dass dieser weiße Rechtsextreme so lange im Militär geblieben war; es musste doch etwas schiefgelaufen sein. Aber der Attentäter von Wisconsin, Wade Michael Page, war nur einer von vielen radikalen Rechtsextremen, die in den letzten zwei Jahrzehnten das US-Militär genutzt haben, um an die tödlichsten und modernsten Waffen der Welt zu kommen, zusammen mit der passenden Ausbildung. Die halbautomatische Springfield-9mm-Handfeuerwaffe, die Page in Oak Creek verwendete, ähnelte zum Beispiel stark der Beretta M9, der zivilen Version der vom US-Militär ausgegeben Pistole. Und Neonazi-Veteranen wie Page machten ihre Absicht deutlich, ihre neuen militärischen Fähigkeiten im bevorstehenden Rassenkrieg einzusetzen, von dem sie hofften, dass er in den USA ausbrechen würde. End Apathy, Pages White-Power-Heavy-Metal-Band, ruft ebenfalls zu den Waffen. Laut einem Interview mit einer rechtsextremen Webseite 2010 wollte er „einen Weg finden, der Apathie der Menschen ein Ende zu setzen." Die Band sollte „der erste Schritt in eine neue Zukunft" sein.

Als Einzelheiten bekannt wurden, schienen sie das zu bestätigen, was ich in diesem Buch geschrieben habe. Der schockierendste Aspekt von Pages Geschichte war, dass er völlig offen über seine Neonazi-Einstellung sprach, während er in den 1990ern, ein Jahrzehnt vor dem War on Terror, in der Army diente. Page war auch kein Private in der Army—er war dem hoch angesehenen „Psyops"-Zweig für psychologische Kriegsführung zugeteilt. Aber trotz seines hochrangingen Status war Page, wie die unabhängige amerikanische Militärzeitung Stars and Stripes nach der Schießerei schrieb, „von der Überlegenheit der Weißen erfüllt und teilte, während er als Soldat im Dienst war, seine rassistischen Ansichten mit." Page diente von 1992 bis 1998. Gegen Ende dieser Zeit bezog das US-Militär angeblich Stellung gegen Rassismus in den eigenen Reihen, nachdem der aktiv dienende Fallschirmjäger und Neonazi James Burmeister 1995 ein afroamerikanisches Paar in der Nähe von Fort Bragg, North Carolina, ermordet hatte.

Anzeige

Pages Geschichte wies tatsächlich unheimliche Ähnlichkeit mit der Geschichte einer der Hauptfiguren in Irregular Army auf: Forrest Fogarty, der Veteran des War on Terror, mit dem ich in Tampa, Florida, einige Zeit verbracht hatte. Wie auch Page war Fogarty ein Neonazi; wie Page war auch er Mitglied bei den Hammerskins, einer der gewalttätigsten Skinhead-Gruppen in den USA; wie auch Page diente er im US-Militär (in Fogartys Fall von 2004 bis 2005 im Irak); und wie auch Page war Fogarty der Leadsänger einer Neonazi-Rockband. Fogarty hatte sich 1997 komplett mit rassistischen Tattoos beim Militär verpflichtet, etwa zur selben Zeit, als man Page wegen Alkoholismus (und nicht seiner Ideologie) die erneute Verpflichtung verwehrte. Tatsächlich fand ich beim Recherchieren von Pages Geschichte sogar Bilder, auf denen er mit Fogarty selbst seinen rassistischen Rock spielte: Die beiden traten bei Neonazi-Konzerten in derselben Band auf. Das US-Militär hat, so scheint es, eine Vorliebe für Nazirocker.

Forrest Fogarty, ein Neonazi-Soldat, der im Irak 2004 bis 2005 als Mitglied der Militärpolizei diente. Foto: Matt Kennard

Die Medien schluckten die reflexhaften Lügen des Pentagon im Nachfeld des Massakers. Als ich von Al Jazeera interviewt wurde, baten sie das Pentagon um Klarstellung ihrer Richtlinien in Bezug auf Extremisten. Ein Sprecher sagte ihnen, dass „Teilnahme an extremistischen Aktivitäten noch nie toleriert" worden sei. Das Medieninteresse hielt ein paar Wochen lang an, dann herrschte wieder Stille. Aber im Laufe der folgenden zwei Jahre spielten sich die Bedrohungen, vor denen ich in meinem Buch gewarnt hatte, mit erschreckender Regelmäßigkeit ab. Viele meiner Vorhersagen über den „Rückstoß", das Resultat mehr als eines Jahrzehnts der ungehinderten extremistischen und kriminellen Unterwanderung, bewahrheiteten sich. Kurze Zeit nach dem Massaker im Sikh-Tempel entdeckte man in Fort Steward—wo Fogarty stationiert gewesen war—eine regierungsfeindliche Miliz bestehend aus aktiv dienenden Soldaten. Diese schwerbewaffnete Gruppe hatte bereits einen aktiven Soldaten und seine Frau ermordet und plante ein Attentat auf Präsident Barack Obama. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Soldaten hätten fast 90.000 Dollar für Waffen und Sprengsatzkomponenten ausgegeben.

Anzeige

Nicht lange nachdem diese Zelle entdeckt wurde, gestand ein Nationalgardist aus Missouri, er habe bei der Ausbildung einer Gruppe Rechtsextremer namens American Front geholfen, deren Mitglieder sich auf einen inneramerikanischen Rassenkrieg vorbereiteten. Diese Extremisten, so die Verfahrensunterlagen, hatten mutmaßlich aus Hass motivierte Verbrechen begangen sowie paramilitärisches Training betrieben, zur „Förderung eines Widerstands gegen die Staatsgewalt".

Die Kette der Tragödien riss nicht ab. Im April 2014 tötete Frazier Glenn Miller, Army-Veteran und „Grand Dragon" des Ku-Klux-Klan, drei Menschen in jüdischen Einrichtungen in einem Vorort von Kansas City. Miller hatte sich in den 1990ern als Master Sergeant der Army und nach 20 Jahren aktiven Dienstes, darunter zwei Einsätze in Vietnam und 13 Jahre als Mitglied der Elitetruppe Green Berets, zur Ruhe gesetzt. Diese Fälle sind besonders beängstigend, weil sie die lange Tradition dieses Problems aufzeigen. In meinem Buch hatte ich mich auf die Jahre des War on Terror konzentriert, weil zu dieser Zeit selbst die milden Regelungen, die es gab, hochkant über Bord geschmissen wurden, doch Page und Miller demonstrierten die lange Inkubationszeit, in der diese abtrünnigen, extremistischen Veteranen sich in kaltblütige Mörder verwandelten. Im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte wird die US-amerikanische Gesellschaft zweifellos weitere Versionen dieser Massaker erleiden—diesmal mit Irak- und Afghanistanveteranen. Die Narben dieser Kriege sind lang, tief und möglicherweise unheilbar. Das US-Militär hat sich geweigert, die Bedrohung durch Radikale in seinem Dienst ernst zu nehmen—und seine eigenen Soldaten zahlen, zusammen mit der Bevölkerung, die sie eigentlich verteidigen sollen, einen hohen Preis. Viele weitere tickende Zeitbomben—die im Gegensatz zu Miller und Page noch nicht explodiert sind—lassen sich jetzt nach einer Dekade harter Kampfausbildung wieder zu Hause nieder.

Anzeige

Doch es waren nicht nur rechtsextreme Soldaten und Veteranen, die sich als gefährlich herausstellten. Viele der anderen Probleme, die ich in dem Buch beschreibe—vom Versäumnis des US-Militärs, sich um posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) zu kümmern bis hin zur wirtschaftlichen Not der Veteranen—, kamen zurück, um sich an der Bevölkerung der USA zu rächen. In Wade Pages Fall, zum Beispiel, war es ein Zusammenspiel von Faktoren, die ihn zum Mörder machten. Wie es bei so vielen Veteranen der Fall war, wurde im Nachfeld der Finanzkrise sein Haus der Zwangsvollstreckung unterzogen. Dieser giftige Cocktail aus PTBS, Extremismus, Finanzkrise und seinen tragischen Folgen war ein wiederkehrendes Thema. Im Mai 2014 wurde Marine Corps Sergeant Andrew Tahmooressi, der in Afghanistan gedient hatte und in einem Krankenhaus des Veteranenministeriums wegen PTBS in Behandlung war, in Mexiko mit einem riesigen Arsenal schwerer Waffen festgenommen. Wer weiß, was für ein Blutbad er südlich der Grenze mit seiner militärischen Ausbildung, seinen Waffenkenntnissen und seiner gestörten Psyche—alles mit den freundlichen Empfehlungen des US-Militärs—angerichtet hätte, wenn ihn die mexikanische Polizei nicht aufgegriffen hätte.

Das Unheil in Form eines psychisch labilen Militärdienenden brach im September 2013 wieder über die USA herein, als Aaron Alexis, Luftfahrtelektriker bei der Navy, eine gesicherte Marinewerft betrat und 12 Menschen erschoss. Alexis war in vielerlei Hinsicht repräsentativ für die vielen Probleme, die das US-Militär plagten, als es mit den Folgen mehr als eines Jahrzehnts des Kriegs und der Besatzung kämpfte. Er war mit zwei der höchstangesehenen Medaillen des US-Militärs ausgezeichnet worden und hatte vier Jahre lang ehrenhaft gedient. Doch er war zwei Mal wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verhaftet worden: zuerst 2004, bevor er sich bei den Marines einschrieb, und dann 2010, was seine Entlassung aus dem Dienst nach sich zog. Er war außerdem beim Kriegsveteranenverband in psychiatrischer Behandlung. Alexis' Vater sagte Ermittlern, sein Sohn habe „Probleme mit der Aggressionsbewältigung", die von PTBS herrührten.

Anzeige

Wie in diesem Buch dargelegt, betrifft die Geißel der PTBS Schätzungen zufolge mindestens 30 Prozent aller Veteranen, und während es zwar inzwischen mehr Ressourcen gibt, so herrscht doch ein eklatanter Mangel an Behandlung für psychische Leiden. Der Wille, dieses Problem unter Kontrolle zu bringen, fehlt in Washington. Ein Irakveteran, Omar Gonzalez, war so wütend, dass er ins Weiße Haus eindrang und durch fünf Sicherheitsringe gelangte, bevor Agenten des Secret Service ihn zur Strecke brachten. Er hatte, wie so viele Andere, die Diagnose PTBS erhalten, nachdem er drei beschwerliche Einsätze im Irak absolviert und dabei einen Teil seines Fußes verloren hatte. Als er in die USA zurückkehrte, wurde es nicht einfacher: Seine Ehe scheiterte und er lebte auf der Straße. Während traumatisierte Veteranen hauptsächlich für sich selbst gefährlich werden—geschätzte 22 Veteranen begehen täglich in den USA Selbstmord—kommt es immer häufiger vor, dass sie ihre Wut an Anderen auslassen. Dennoch zog das Militär daraus keine Konsequenzen.

Panzerpark in Tadschi, Irak, 2010. Das Graffiti steht für „Sactown Norte", eine kriminelle Bande aus Sacramento, Kalifornien. Foto: Jeffrey Stoleson

Im Nachfeld des Marinewerft-Massakers stellte ein Generalinspekteur des Pentagon fest, dass 52 Schwerverbrecher „routinemäßig" nicht-authorisierten Zugang zu Militäreinrichtungen hatten und damit „Militärpersonal, Angehörige, Zivilisten und Einrichtungen einem erhöhten Sicherheitsrisiko [aussetzten]." Kein Medienbericht erwähnte die riesige Anzahl Schwerverbrecher und andere Verbrecher, die, wie im Buch beschrieben, wissentlich ins US-Militär rekrutiert wurden, als sein Bedarf an Truppen am größten war.

Anzeige

Das Massaker im Washington Navy Yard war der zweitgrößte Amoklauf auf einem US-Stützpunkt in der Geschichte. Der Rekord in dieser Kategorie gehört dem islamischen Radikalen Nidal Malik Hasan, der im November 2009 in Fort Hood 13 seiner Mitsoldaten tötete. Die ungehinderte Bedrohung heimischer Militäreinrichtungen durch US-Soldaten wurde im April 2013 erneut betont, als Ivan Lopez, ein weiterer US-Soldat, der vom Militär verschriebene Mittel gegen Depressionen und Angstzustände nahm, wieder in Fort Hood, Texas, Amok lief und drei Personen sowie sich selbst erschoss. Ermittler schlossen, dass wie bei Alexis und seinem Massenmord in Washington, D.C., Lopez' „labiler" Geisteszustand der Auslöser der Schießerei gewesen sei; „In unserer Einschätzung ist dies der grundlegende, auslösende Faktor", schrieben sie. Man kam zu dem Ergebnis, dass er keine ernsthafte psychologische Behandlung erhalten hatte. Stattdessen hatte man ihm Pillen verschrieben, die bevorzugte Methode des Militärs, sich um sein Personal zu kümmern. Man hatte für Lopez, der im Irak gedient hatte, nicht einmal eine verfrühte Entlassung aufgrund seiner Probleme in Erwägung gezogen. Dies war eine vertraute Geschichte für ein verzweifeltes Militär, und sie strafte die Behauptung Lügen, sie hätten nach dem Rückzug aus dem Irak „am Riemen gerissen". Tatsächlich hatte Lopez die Waffe des Kalibers .45 im selben Geschäft in Killeen, Texas, gekauft, in dem auch Hasan fünf Jahre zuvor seine gekauft hatte.

Anzeige

Die meisten der oben beschriebenen Mörder sind berüchtigt, weil Massenmord an Amerikanern begangen wurde. Aber die langsam schwelende Gewalt der Banden und des US-Militärpersonals ging ebenfalls weiter, mit furchtbaren menschlichen Folgen. Die New York Daily News berichtete 2013, dass „mexikanische Drogenkartelle amerikanische Soldaten rekrutieren, um als verborgene Auftragsmörder in den Vereinigten Staaten zu arbeiten. Sie zahlen ihnen Tausende Dollar, um Mordanschläge auf behördliche Informanten und Rivalen im organisierten Verbrechen zu verüben." Der Artikel verbreitete sich in den gesamten USA. „Wir haben in den letzten paar Jahren Fälle gesehen, in denen amerikanische Soldaten sich an dieser Art Aktivität beteiligt haben", sagte Fred Burton, Vizepräsident von Stratfor Global Intelligence, Fox News. „Es ist ziemlich besorgniserregend, dass Individuen mit spezialisierter militärischer Ausbildung und Kampferfahrung mit den Kartellen assoziiert sind." Es hatte fast zehn Jahre gedauert, bis diese Geschichte den Mainstream erreichte, und das tat sie nur, weil die Unverantwortlichkeit des US-Militärs nun für Amerikaner selbst eine Bedrohung darstellte. Die unaussprechliche Wahrheit ist, dass kriminelle Banden für Veteranen zunehmend attraktiv werden, da ihnen der Einstieg in den Arbeitsmarkt oft unmöglich erscheint.

Los Zetas ist ein mexikanisches Kartell, das aus unzufriedenen früheren Elitesoldaten der mexikanischen Sondertruppen entstand, von denen einige in Fort Bragg trainiert hatten. Amerikanische Soldaten von demselben Stützpunkt schließen sich ihnen nun an. Die Drogenkartelle bemühen sich oft, sicarios—Auftragskiller—aus den Reihen US-amerikanischer, mexikanischer und guatemaltekischer Streitkräfte anzuheuern. Der furchtbare „War on Drugs" in Mexiko schwappt langsam über die Grenze in die Südstaaten der USA. Im Mai 2013 wurden vier mexikanische Staatsbürger festgenommen und für ihre Rolle in einer großen Methamphetaminschmuggel-Operation angeklagt. Es war ein Blick in die Zukunft. Über diese sich stetig entwickelnde Geschichte der Banden und US-Militärs wird selten berichtet, weil sie sich nur gegenseitig töten. Doch das könnte sich natürlich jederzeit ändern.

Anzeige

In diesem Buch beschreibe ich Fälle wie den des früheren Private First Class Michael Jackson Apodaca, der 2009 einen Auftragsmord für das Juárez-Kartell verübte, während er aktiv dienender Soldat in Fort Bliss war. Apodaca, der in Afghanistan im Einsatz war, wurde im El Paso District Court zu lebenslanger Haft mit 30 Jahren ohne Bewährung verurteilt.

Nun da der Druck der zwei Besatzungen weggefallen ist, hat das US-Militär offen eingestanden, dass es allen möglichen Verbrechern und Banden erlaubt hatte, sich einzuschreiben, wenn Personalmangel bestand. „Eine Person wie Apodaca würde heute überhaupt nicht mehr zugelassen", sagte Army Major Joe Buccino, Sprecher für Fort Bliss. „Wir sind selektiver, als wir es zum Höhepunkt des Irakkriegs waren." Leider war nicht einmal das wahr, doch es war die aktualisierte Ausrede der Kriegsjahre.

Doch es wurde langsam immer schwerer, das sture Schweigen zu wahren. Im Mai 2014 wurde Juan Jesús Guerrero-Chapa, ein ehemaliger Anwalt des Golf-Kartells, in einem wohlhabenden Vorort von Fort Worth, Texas, niedergemäht. „Offensichtlich deutet das Wesen dieses Mordes, die Art, wie er ausgeführt wurde, darauf hin—und ich sage, deutet darauf hin—, dass es sich hier um eine Organisation handelt, die ausgebildet wurde, diese Art von Handlung auszuführen", sagte Stephen Mylett, Polizeichef von Southlake, nach dem Attentat. „Wenn man es mit Individuen zu tun hat, die auf solch einem professionellen Niveau arbeiten, dann gebietet mir die Vorsicht zweifellos, dazu zu tendieren, dass dies das Tun organisierter Verbrecher ist." Mylett gab zu, dass der Mord eine „gezielte Tat" war, die „von professionellen Mördern ausgeführt wurde", doch er weigerte sich, preiszugeben, ob die Mörder militärisch ausgebildet waren. „Die Ermittlungen in diesem Fall sind noch nicht abgeschlossen", fügte er hinzu. Es gab sogar Berichte, denen zufolge zwei Mitglieder von Straßenbanden aus Los Angeles losgezogen waren, um an der Seite der Milizen, die mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad in Verbindung gebracht werden, im syrischen Bürgerkrieg zu kämpfen, vielleicht aus demselben Grund, aus dem sie auch das US-Militär infiltriert hatten: Ausbildung und Waffen.

Anzeige

Neonazi-Graffiti außerhalb von Camp Taji in Tadschi, Irak. Foto: Jeffrey Stoleson

Der Grund, warum diese Ereignisse in den Nachrichten landeten, ist, dass sie sich in den USA abspielten. Aber man braucht wirklich keine besonders gute Fantasie, um sich vorzustellen, dass ähnliche Verbrechen während des Jahrzehnts der Besatzung gegen die Bevölkerung des Irak und Afghanistans begangen wurden. Wie viele Sikh-Tempel-Massaker, Navy-Yard-Schießereien und Fort-Hood-Amokläufe gab es in Irak und Afghanistan? Wir werden es nie erfahren. Alle bekannten Massaker, die von US-Soldaten verübt wurden, wurden zuerst abgestritten, bis die Wahrheit endlich ans Licht kam. Das Motto des US-Militärs ist: abstreiten, abstreiten, abstreiten—bis das aufgrund der Last der Beweise nicht länger haltbar ist. Die allermeiste Zeit erfuhren wir erst von den kriminellen Aktivitäten von US-Soldaten, wenn sie zu Hause Fehler machten, wo die Rechtsordnung nicht so einfach ignoriert werden konnte. Diese negativen Folgen werden nicht aufhören.

Die Militarisierung der polizeilichen Kontrolle auf amerikanischem Boden ist ebenfalls vorangetrieben worden, vielleicht als Folge der neuen militärischen Entwicklung der kriminellen Unterwelt. Das hat nicht nur für ultra-gewalttätige Drogenbanden gefährliche Folgen, sondern auch für jeden Amerikaner und jede Amerikanerin, die ihre Rechte, wie sie der erste Verfassungszusatz garantiert [Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Petitionsrecht], wahrnehmen wollen. Sie sehen sich nun einer militarisierten und schwerbewaffneten Exekutive gegenüber, die ein für Kriegsgebiete angemessenes Verhalten auf die heimische Hauptstraße bringt. Die Judge-Dredd-artige Polizeimacht, die 2014 versuchte, die schwarzen Nachbarschaften von Ferguson, Missouri, zu „befrieden"—nach der Erschießung eines unbewaffneten schwarzen Teenagers—war ein böses Omen für die Zukunft.

Die Medien ignorierten weiterhin die tief verwurzelten Probleme innerhalb des US-Militärs, weil diese Geschichte so offensichtlich der Märchenperspektive auf den War on Terror widersprach. Diese Perspektive war eine, die die Mainstream-Medien in den USA tatkräftig miterschaffen und unterstützt hatten. Über individuelle Massaker und Gräueltaten wurde bis zur Marktsättigung berichtet, doch der Kontext fehlte. Es war auch unvorstellbar, dass die Menschen an der Spitze der Regierung, die wissentlich weggesehen hatten, Menschen wie der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, eine Teilschuld haben könnten. Vielleicht ist das der Grund, warum jede neue Gewalttat eine solche Überraschung darstellt: Amerikanern wird unweigerlich erzählt, es handle sich dabei um Einzelfälle und nicht um das Produkt eines US-Militärs, das Extremismus erlaubt und seine marginalisierten Veteranen ignoriert. Je länger die Debatte unter den Teppich gekehrt wird, desto schlimmer werden das Problem und die Gewalt, die es nach sich zieht, werden.

Im Frühling 2014, nach dem antisemitischen Angriff in der Nähe von Kansas City, tanzte die New York Times aus der Reihe und druckte mutig eine beißende Kolumne, die auf das Problem radikalisierter Soldaten und Veteranen aufmerksam machte. Die Autorin, Kathleen Belew, eine Doktorandin, die an einem Buch über Vietnam und den äußeren rechten Rand des politischen Spektrums arbeitet, fragte: „Hätte man [Miller] genauer unter die Lupe genommen, wenn er Muslim, Ausländer, nicht weiß oder kein Veteran gewesen wäre? Die Antwort ist offensichtlich, und beängstigend." Sie sah sich einem Sturm der Aggression und der Beschimpfungen ausgesetzt, weil sie die Ehre aller Veteranen beleidigt habe—nachdem sie sich große Mühe gegeben hatte, genau das zu vermeiden. Es war die Standardtaktik, mit der jede Diskussion dieses Themas blockiert wird, und es war absolut vorhersehbar. Daniel Dellinger, Kommandant der Veteranenorganisation Amerikanische Legion, nannte es einen „schlecht recherchierten und politisch motivierten Artikel" und fügte hinzu: „Die New York Times sollte über der verleumderischen Stereotypisierung von Männern und Frauen stehen, die uns gegen jene rassistischen Ideologie verteidigt haben, die Frau Belew und die NY Times zweifellos ablehnen."

Doch nur einen Monat später gewann Belews Artikel durch eine Nachricht, laut der Rekrutierungsflyer in Fort Carson, Colorado, Soldaten dazu aufriefen, im bevorstehenden Rassenkrieg für eine „weiße Nation" zu kämpfen, nur noch an Legitimität. „Fragst du dich je, ob du auf der richtigen Seite kämpfst?", fragte der Flyer und beschwor die Soldaten, „die Existenz unseres Volks und eine Zukunft für weiße Kinder" zu sichern. Einem weiteren Bericht zufolge hatte ein Zuwachs an Mitgliedern mit militärischer Erfahrung beim Ku-Klux-Klan es den Loyal White Knights erlaubt, zum ersten Mal in ihrer Geschichte Kampftraining abzuhalten. In diesem Fall kam die übliche Phrase, die der Diskussion einen Riegel vorschieben soll, vom ehemaligen republikanischen Kongressabgeordneten und Militäroffizier im Ruhestand Allen West: „Warum stelle ich das in Frage? Weil ich die Taktiken der liberalen, progressiven Linken kenne, und das Militär in den Dreck zu ziehen, um ihre althergebrachte These zu beweisen, ist sehr wichtig", schrieb er. Ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass diejenigen, die versucht haben, die warnenden Kassandras unglaubwürdig zu machen, Mitschuld haben werden, wenn dieser „Rückstoß" die nächsten unschuldigen Amerikaner trifft.

Es gibt tatsächlich fast niemanden, der als Insider kritisch über die Situation im US-Militär gesprochen hat und dessen Karriere oder Ruf infolgedessen intakt geblieben wäre. Nach der Veröffentlichung von Irregular Army lernte ich einige Whistleblower kennen, die während des War on Terror mutig diese Umstände aufgedeckt hatten. Nachdem das Ministerium für Innere Sicherheit 2009 in einem Bericht vor der Bedrohung des Rechtsextremismus warnte, entschuldigte sich Ministerin Janet Napolitano bei den Veteranen für die Unterstellung, Menschen mit militärischer Erfahrung seien besonders anfällig für Rekrutierungsversuche durch rechtsextremistische Gruppen. Daryl Johnson, der hochranginge Analyst, der den Bericht verfasst hatte, wurde nach einer furiosen Gegenreaktion seitens Beamten des Ministeriums, des Militärs und einiger Politiker in Washington in den Ruhestand versetzt. Trotz der Tatsache, dass Johnsons Weckruf inzwischen immer hellsichtiger wirkt, musste er das Ministerium für Innere Sicherheit verlassen und arbeitet nun als Berater. Mit anderen Whistleblowern war es dasselbe, von Army Reserve Sergeant Jeffrey Stoleson, der seine Vorgesetzten vor den Banden in seiner Einheit warnte und dessen Leben zerstört wurde, bis hin zum ehemaligen Bandenermittler des Verteidigungsministeriums Scott Barfield, der gnadenlos angegriffen wurde, als er vor der rechtsextremen Unterwanderung des US-Militärs warnte.

Bei meinen Interviews mit Vertretern der amerikanischen Mainstream-Medien war der Fokus fast immer darauf, was die Erkenntnisse in dem Buch für Amerikaner bedeuten. Niemand fand die Auswirkungen auf die Einwohner des Irak und Afghanistans von Interesse. Zehn Sekunden vor meinem geplanten Auftritt auf MSNBC als Gegenüber eines Colonels im Ruhestand sprach der Produzent in den Knopf in meinem Ohr. „Versuch bitte, Vergewaltigungen und Massaker auf ein Minimum zu beschränken, Matt", sagte er. Ich lachte halb, aber er meinte es todernst. Als ich über die Versuchung hinweg war, meinen ersten Satz mit „Wir alle wissen, dass es viele Vergewaltigungen und Massaker im Irak gibt" zu beginnen, übte ich keinerlei Zurückhaltung, auch wenn der Moderator behauptete, ich hätte das Buch nur des Geldes wegen geschrieben.

Diese Kriege sind noch lange nicht vorbei, wie das Bombardement der Positionen des Islamischen Staats (IS) im Irak und in Syrien verdeutlicht. Dazu passend verkündete Präsident Obama, nachdem er jahrelang lauthals den vollständigen Rückzug aus Afghanistan für Ende 2014 angekündigt hatte und das Ende dieser Frist sich am Horizont abzeichnete, dass 9.800 Soldaten bis 2016, dem letzten Jahr seiner Amtszeit, im Land bleiben würden. Viele sagen voraus, dass die Taliban dem Kurs des IS folgen werden, sobald dieser Rückzug vollendet ist. Wie in Vietnam werden Jahre des Kriegs, Millionen zerstörter Leben und gigantische Ausgaben nichts weiter bewirkt haben als eine gefährlichere Welt. Die USA zogen sich 1973 aus Südvietnam zurück, und die Botschaft in Saigon wurde 1975 überrannt. Die USA zogen sich 2012 aus dem Irak zurück, und militante IS-Kämpfer eroberten 2014 den Norden des Irak. Es wäre nicht einfältig zu glauben, dass eine noch immer starke Taliban 2018 die Macht übernehmen wird, wenn die USA sich 2016 endlich aus Afghanistan zurückziehen. Dies sind die Probleme einer Besatzermacht, die versucht, den Einheimischen ihren Willen aufzuzwängen. Die vergangenen 13 Jahre des Kriegs sind ein langer, schwarzer Albtraum für die Menschen im Irak und in Afghanistan gewesen, ebenso wie für die US-Soldaten, die ihre Länder besetzen. Die Zukunft sieht nicht viel rosiger aus—weder für sie noch für die Amerikaner, die sich jetzt einer neuen Bedrohung durch ihre eigenen Soldaten und Veteranen gegenübersehen.