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DIE „CHANCENGLEICHHEIT, MY ASS“-AUSGABE

Atheismus - Sexismus = Atheismus+

Atheisten haben es nicht leicht und Atheistinnen erst recht nicht.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Jennifer McCreight

Atheisten haben es nicht leicht und Atheistinnen erst recht nicht. Als Atheistin musst du dich nicht nur mit Christen auseinandersetzen, die dir ständig einreden wollen, dass du in die Hölle kommst, sondern auch mit „aufgeklärten“ männlichen Ungläubigen, die dich anbaggern und Vergewaltigungswitze reißen, schließlich existiert kein Gott, der sie bestrafen könnte. Die Atheistin und Bloggerin Jennifer McCreight wurde zur Expertin für gottlose Misogynie, als sie 2010 „Boobquake“ initiierte und über ihren Blog Frauen dazu aufrief, sich am 26. April freizügig zu kleiden—ihre ironische Antwort auf die Behauptung des iranischen Geistlichen Hojatoleslam Kazem Seddiqi, das weibliche Dekolleté und nackte Beine würden Erdbeben verursachen. „Boobquake“ verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Jennifer wurde zur Internetberühmtheit, aber unglücklicherweise auch zur Adressatin einer Flut misogyner Hassmails ihrer Unglaubensgenossen. Wie üblich reagierte sie in ihrem Blog darauf und rief zu einer „Neuen Welle“ des Atheismus auf, der sich mit Feminismus und sozialer Gerechtigkeit befassen sollte. Der Zorn der engstirnigen, männerdominierten Welt atheistischer Blogs, den sie auf sich zog, veranlasste sie dazu, das Onlineforum rund um Atheismus+ zu gründen. Sie beabsichtigt, kompromisslos weiterzumachen, allen Anfeindungen und abfälligen Bemerkungen zum Trotz. Ich rief sie an, um zu erfahren, wie sie sich so schlägt. VICE: Seit wann wirst du von sexistischen Atheisten belästigt?
Jennifer McCreight: Als ich erstmalig an Atheismus­konferenzen teilnahm, riet man mir, bestimmte Referenten zu meiden, da sie dafür bekannt waren, jüngeren Frauen nachzustellen. Ich wurde nach meinen Vorträgen häufig angemacht. Die Männer machten dann wirklich widerliche, anzügliche Bemerkungen oder unterhielten sich hauptsächlich mit meinen Brüsten. Dann hast du den Beitrag verfasst, der zur Gründung von Atheism+ führte.
Ich habe eigentlich nur gesagt, dass wir uns dagegen wehren müssen. Wir müssen uns einen eigenen Raum schaffen, in dem wir derartige Diskussionen nicht tolerieren, genauso wenig wie Menschen, die versuchen, uns mit niederträchtigen Mitteln zum Schweigen zu bringen. Ich muss sagen, dass es mich ziemlich überrascht hat, dass die Leute sich darüber so aufgeregt haben. Atheism+ polarisiert stark—ich habe Blogs gelesen, die das Konzept von Atheism+ und das Forum, das du eingerichtet hast, überhaupt nicht gutheißen.
Alle, die sich schon vorher als wirklich hasserfüllt gezeigt haben, sind offensichtlich ziemlich sauer darüber. Sie betrachten das als ausgrenzend gegenüber Weißen bzw. Männern, aber darum geht es überhaupt nicht. Bei uns bringen sich viele weiße Männer gerne ein. Hier können wir über Feminismus, Rassenfragen oder soziale Gerechtigkeit sprechen, ohne dabei von anderen verleumdet oder bedroht zu werden. Ich glaube, einige Menschen empfinden das als Bedrohung. Ist es fair zu behaupten, dass Atheisten sich generell nicht für Feminismus interessieren?
Ich denke, für einige Menschen ist der Atheismus ihre einzige Minoritätenidentität. Sie sind nicht schwul, nicht schwarz, sie leben in den USA und viele von ihnen gehören zur Mittel- bzw. Oberschicht. „Atheist“ zu sein, ist die einzige Sache, für die sie sich engagieren können, daher sind sie davon überzeugt, dass es sich um die wichtigste Sache überhaupt handelt; es ist schließlich die einzige, die sie betrifft. Dadurch geraten ihre Prioritäten etwas durcheinander. Du hast erkannt, dass Gott nicht existiert, super! Aber es gibt noch einiges Irrationales, an das Menschen glauben können, wie etwa Sexismus.