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Die Berliner Politik hat immer noch keine Ahnung, wie sie mit den Flüchtlingsprotesten umgehen soll

Seit 10 Tagen versucht der Senat erfolglos, die Flüchtlinge in der Gürtelstraße auszuhungern. Das ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch ein Armutszeugnis für die deutsche Flüchtlingspolitik.

Aushungern und verdursten lassen, irgendwann werden sie schon runterkommen—mit klarer Linie verfolgt die Berliner Polizei weiterhin diese Taktik. Die erinnert eigentlich eher an mittelalterliche Kriegsführung als an eine vernünftige Lösung eines Problems, dass auch nach dieser weiteren Protestaktion von Berliner Flüchtlingen nicht aus der Welt geschafft sein wird.

Seit nunmehr 10 Tagen befinden sich acht Flüchtlinge auf dem Dach des Berliner Hostels in der Gürtelstrasse. Ohne regelmäßigen Zugang zu Wasser und Essen. Bis jetzt blieb der Zugang zum Hostel außer Polizeikräften und einem Pfarrer der evangelischen Kirche jedem versperrt. Selbst für die Anwälte der sich auf dem Dach befindenden Menschen oder Politiker wie Hakan Tas oder Canan Bayram hieß es draußenbleiben.

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„Der Senat macht sich nicht nur lächerlich, sondern teilweise auch strafbar, indem den Menschen Essen und Trinken verweigert wird”, sagte Bayram am vergangenen Mittwoch. Unterdes macht sich vor den Polizeiabsperrungen mehr und mehr Unmut bei den Unterstützern breit. „Warum sorgen sie nicht dafür, dass die Menschen Essen und Trinken bekommen?”, schreit einer der Aktivisten, während Polizeisprecher Thomas Böttcher mit Pressevertretern spricht und versucht, das derzeitige Vorgehen zu rechtfertigen. Aber es scheint auch ein Hauch von Menschlichkeit unter den oft schwer gepanzerten Polizisten der Polizeidirektion 5 zu geben. Einer von ihnen soll laut Berichten des Tagesspiegels am vergangen Dienstagabend die Weiterleitung von Essen erlaubt und dabei gegen eine klare Anweisung der Einsatzleitung verstoßen haben.

Seit gestern kommt nun die Isolation dazu. Die Solidaritätsbekundung wurde von der Polizei gezwungen, ihren Standort um die 150 Meter hinter die S-Bahnbrücke auf der Gürtelstraße zu verlegen. „Es ist eine Gefahrensituation für die Personen auf dem Dach selbst und wir stellen fest, dass von den Versammlungsteilnehmern hier laufend Aufforderungen erfolgen, auf dem Dach zu bleiben und auszuharren“, so Polizeisprecher Thomas Böttcher gestern Nachmittag. Zu dem soll es mehrfache Beschwerden von der in der Nähe ansässigen Kita wegen Lärmbelästigung gegeben haben. Gegen diesen durch die Versammlungsbehörde ausgesprochenen Auflagenbescheid werden die Demonstranten Widerspruch einlegen, um wieder in Sichtweite des Daches zu gelangen und weiterhin ihren Support zeigen zu können.

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Die vorübergehende Schließung der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Moabit aufgrund von zu vielen Anträgen am vergangen Mittwoch, die „freiwilligen Umzüge” mit Begleitschutz von weiteren 37 Flüchtlingen—all das macht deutlich, dass in dem sonst so weltoffenen Berlin nicht jeder mit offenen Armen empfangen wird. Brutal wird vom Senat weiter durchgesetzt, wer willkommen ist, und wer eben nicht.

Die Berliner Politik scheint mehr als überfordert. Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kapituliert vor dem Flüchtlingsansturm und verhängt eine Haushaltsperre. Laut Bezirksprecher Sascha Langenbach würde der Bezirk beim Fortführen der derzeitigen wirtschaftlichen Situation „am Jahresende 3,9 Millionen Euro Miese” haben. Eine Teilschuld würden auch die Investitionen in den Umbau der Gehart-Hauptmann-Schule haben.

Um dem Flüchtlingsansturm gerecht zu werden, möchte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Containerdörfer für etwa 2000 Flüchtlinge bauen lassen. Dies wäre eine Unterkunft, jedoch immer noch keine Lösung. Vor allem wäre es nicht im Ansatz etwas, dass den jungen Menschen, die bereit sind, ihren Teil zur Gesellschaft beizutragen, helfen würde. Es würde wieder nur in die Richtung der Verwahrung von Menschen gehen. Zu Czajas Vorhaben äußerte sich Hakan Tas in einer Pressemitteilung: „Container sind keine Lösung für die dramatische Situation der Flüchtlinge in Berlin. Dass der Senat Menschen in Not, die in Berlin Schutz und Aufnahme suchen, wegen Überforderung der zuständigen Behörden auf der Straße stehen lässt, ist zynisch, hilflos und verstößt gegen geltendes Recht.”