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Sex

Wir müssen endlich anfangen, anders über die männliche Masturbation zu denken

Freiheit der Sexualität und Freiheit der Selbstbefriedigung. Ohne und mit Spielzeug.
Titelfoto: Mateus Almério | Flickr | CC BY 2.0

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Präsentiert von Tenga

Vor kurzer Zeit haben in den sozialen Netzwerken Bilder einer japanischen TV-Show mit dem Titel Sing What Happens die Runde gemacht. Darin mussten Männer Karaoke singen, während Frauen ihnen einen runterholten. Keine Ahnung, was diese Show über die japanischen (Fernseh-)Kultur aussagt. Aber sie sagt ziemlich viel über die männliche Sexualität aus.

Zuerst einmal: Die männliche Libido funktioniert über optische und mechanische Reize. Ergo: Wenn eine hübsche Frau einen männlichen Penis massiert, wird sie ihn in aller Regel zum Orgasmus bringen, auch wenn der Mann dabei japanische Popsongs intoniert und von drei Kameras beobachtet wird. Zweitens: Männliche Sexualität funktioniert so ziemlich überall. Selbst in einem ziemlich unerotischen Fernsehstudio einer ziemlich herabwürdigenden Fernsehshow. Drittens: Männer machen so ziemlich alles mit, sobald man ihnen an den Penis fasst. Das soll nicht heißen, dass Männer keine Kontrolle mehr über sich und ihren Körper haben.

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Es ist allgemein bekannt und wissenschaftlich bestätigt, dass der Mann nicht einfach, die männliche Sexualität aber recht simpel ist. Das gilt auch für Selbstbefriedigung und dürfte einer der Gründe sein, warum diese bei Männern so verbreitet (oder sollte ich sagen: beliebt?) ist. Weil es überall, einfach und schnell geht, wird überall, häufig und schnell losmasturbiert.

Das hat viel mit Biologie zu tun. Der Leipziger Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski bestätigt, dass der sexuelle Druck bei Männern sehr viel ausgeprägter ist als bei Frauen. „Da bildet sich einfach viel mehr Material, das raus will. Also Spermien. Einen so intensiven Prozess gibt es bei Frauen nicht."

Wenn das der Regenwald wüsste. Foto: findingtheobvious | Flickr | CC BY-ND

Männer haben wirklich dicke Eier. Und das gar nicht mal so selten. „In der Pubertätszeit ist der Druck durchaus täglich da", sagt Seikowski. „Daher wird im Jugendalter auch sehr häufig täglich masturbiert." Ab Mitte 20 lässt es etwas nach. Was der Selbstbefriedigungsrate insgesamt aber auch nur in Ausnahmefällen einen Abbruch tut. Das Gespräch unter Männern darüber bleibt indes ein heikles. Onanie haftet auch 2015 für viele noch immer ein bisschen Heimlichkeit und Schmutz an. Vollkommen. Zu. Unrecht.

Seikowski führt das auf die jahrhundertelange Triebverunglimpfung durch Institutionen wie die Kirche zurück. „Die Kirche hat das abgewertet und alles, was abgewertet wird, bekommt in der Sprache negative Begriffe." Nur: Warum gibt es das bei Frauen nicht? „Mit Frauen hat man sich nicht beschäftigt. Noch bis vor 20, 30 Jahren war das überhaupt kein Thema. Frauen holen sich auch einen runter? Das kann doch wohl gar nicht sein!"

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Während weibliche Sexualität sich also kulturell mehr oder weniger aus dem Nichts etablieren musste, kämpft männliche Sexualität gegen ein veraltetes und über Jahrhunderte etabliertes Bild an: Dem Klischee einer schmutzigen, moralisch fragwürdigen Tat. Ein Stachel, der tief sitzt. Weit verbreitet ein Gefühl von Scham nach vollzogenem Akt—angesichts der Bilder, die einen noch Minuten vorher erregt haben.

Masturbatoren 2015. Müsste jetzt nur noch jemand ein schöneres Wort für Masturbatoren finden. Foto: Tenga

Ist man völlig fertig—die Erregungskurve lässt beim Mann ziemlich schnell nach—kann man schon mal auf die 36 Tabs runterschauen und leichte Schauer verspüren vor Reue. Kein Wunder, dass man darüber nicht mit seinem Kumpels spricht. Plus: Man hat Taschentücher vollgemacht und eventuell den einen oder anderen Tropfen auf Möbel- oder Kleiderstücke verloren. Ekelhaft.

Hilfsmittel sind bisher meistens Hand und Taschentuch, vielleicht mal Öl, wenn's hochkommt. Wo Spielzeug für Frauen längst im Mainstream angekommen ist, gilt es bei Männern tendenziell noch immer als Schweinkram.

Könnte es daran liegen, dass Sexspielzeug für Männer sehr oft sehr krampfhaft versucht, an weibliche Körperöffnungen zu erinnern? Wer keinen Kontakt zu echten Muschis bekommt, steckt seinen Penis halt in die Imitation und wer keine echte Frau abkriegt, macht's mit einer aus Plastik? Mit dem natürlichen Bedürfnis zur Selbstbefriedigung und der Realität der Allgemeinheit hat das wenig zu tun.

Das Klischee schämt sich mit. Foto: kellinahandbasket | Flickr | CC BY 2.0

Nicht jeder Mann wird Masturbations-Toys brauchen, die man getrost als Designobjekt bei seinen Eltern in der Wohnzimmervitrine abstellen könnte, aber eins tun sie für alle Jungs: Die Onanie aus der Schmuddelecke holen.

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Damit ist nicht einfach gemeint, dass antibakterielle Elastomere dafür sorgen, dass man sich keinen Scheidenpilz holt, ohne eine gesehen zu haben.

Gemeint ist, der männlichen Selbstbefriedigung nicht die Sinnlichkeit und das Bedürfnis nach Sinnlichkeit abzusprechen. Die Allverfügbarkeit von Pornografie und die Diskussion darüber haben das Bild vom stumpf und mechanisch wichsenden Mann vorm Bildschirm da zu sehr in den Köpfen festgesetzt. In den Köpfen beider Geschlechter.

Von sich selbst noch völlig fertig, der Mann. Foto: Sarina | Flickr | CC BY-ND 2.0

Wer bei den Frauen guckt, wünscht sich hier neues Denken. Unter Frauen sind Sextoys etabliert und gelten nicht als schmutzig, sondern als aufregende Erweiterung des Sexlebens, ob allein oder zu zweit zum Einsatz gebracht. Und sie werden schon lange auch ästhetisch ansprechend designt: Es gibt Dildos aus feinem Holz oder Kristallglas und Vibratoren, die aussehen, als wären sie von Apple. Doch wer Zeit und Geduld investiert, wird für seine Suche belohnt, öffnet sich auch der Markt für Männer weiter und bietet durchaus Ansehnliches und Spannendes. Sich als Mann das Äquivalent zu einem Premium-Vibrator zuzulegen, kann da weder verzweifelt noch bitter noch irgendwie pervers sein, sondern eine natürliche und längst überfällige Entwicklung. Fick das Klischee, könnte man sagen. Es ist Zeit.

Vom gesunden Menschenverstand mal abgesehen widersprechen despektierlichen Zuordnungen wie anormal oder unnatürlich auch dem Stand der Forschung. „Von Perversion sprechen wir eigentlich nur noch, wenn man Lust dabei empfindet, jemand anderes zu schädigen", sagt Kurt Seikowski. Alles andere sei vollkommen normal und akzeptiert. „Selbst wenn Leute sich bekacken und bepinkeln—also Kaviar- und Sektpartys feiern—, gilt das heute alles als normal und nicht als pervers. Solange alle mitmachen wollen."

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Freiheit der Sexualität und Freiheit der Masturbation. Ohne und mit Spielzeug.

Mehr zur Zukunft der Masturbation? Checkt unsere Dokumentation über die virtuelle Liebesindustrie:


Titelfoto oben: Mateus Almério | Flickr | CC BY 2.0