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The Sick Day Issue

Geburt eines Hochstaplers: JT Leroys erste Story

Heroin, Schmerz und Luftballons: Lies hier die erste Kurzgeschichte des Alter Egos, das die literarische Welt schockte.

Fotos von Michael Marcelle

Aus der Sick Day Issue

2000 veröffentlichte der Autor JT LeRoy den Roman Sarah, der angeblich auf seinen eigenen Erfahrungen als transvestitischer, minderjähriger Raststättenprostituierter basierte. 2005 stellte sich heraus, dass LeRoy eine 40-jährige Frau namens Laura Albert war. Die literarische Welt war entsetzt und bezeichnete LeRoys Werk eilig als "Hoax". Diesen Monat erscheint Author:The JT LeRoy Story, eine von VICE Films produzierte Doku, die Laura Alberts Version der Geschichte erzählt. Anlässlich der Premiere veröffentlichen wir hier die erste Kurzgeschichte, die Albert als LeRoy schrieb. Sie ist zuerst in einer Zeitung in Connecticut erschienen.

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Ich wusste es einfach schon immer. Dass Heroin in Ballons kommt, war eine besondere Botschaft nur für mich. Die Mexikaner haben sie im Mund. Kleine verknotete Ballons. Sie spucken sie dir in die Hand, wenn du in Ordnung bist, und schlucken sie, wenn du 'n Bulle bist. Crayon meinte immer, ich würde das Heroin nur wegen dem verdammten Ballon kaufen, weil ich den Ballon nie aufschneide, außer ich bin unterwegs und mir geht's langsam dreckig. Aber selbst dann fühle ich mich wie der Typ in diesem Film, der seinen treuen Hund aufschlitzt und die Hände reinsteckt, um nicht zu frieren. Ich sitze und picke am Ballonknoten, alle drehen schon meinetwegen durch, aber keiner ist so dumm, ihn mir wegzunehmen.

Ich hebe alle Ballons auf. Ich hole wirklich für die Ballons Zeug. Klar, ich rauche, ballere mir den dunklen Harzklumpen. Das muss ich. Das ist wie mit Baseballkarten: Der eklige Kaugummi, der dabei ist, muss gekaut werden. Aber nur die Ballons können mich retten. Ich weiß es und sie wissen es auch.

Ich verstecke sie in einer Zigarrenkiste unter Büschen im Golden Gate Park. Wenn ich zehn Ballons zusammenhabe, grabe ich die Kiste aus und lege die neuen dazu. Ich sitze gern nachts im stillen Park und leuchte mit der Taschenlampe auf meine Sammlung. Ich vergrabe mein Gesicht in ihren klebrig-klammen Hohlkörpern und atme den gummiartigen Geruch ein. Dann liege ich im Gras, zerrissene Ballons, die einst meiner Mutter gehörten, auf meinen Augenliedern wie Münzen auf einem Toten. Das gibt mir Trost und beruhigt mich so, dass ich eindöse.

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Ein Mexikaner an der Ecke 16th und Valencia hat beschissenes Braunes, aber dafür leuchtend silberne Ballons, also hab ich bei ihm gekauft und nicht beim Mexikaner mit dem guten Zeug in schwarzen Ballons.

Niemand weiß von meiner Sammlung, und ich sage auch nichts, bevor die Zeit gekommen ist. Ich habe meinen Plan schon ewig. Ich kann nicht einfach Ballons kaufen, es müssen magische Ballons sein, getauft in Spucke, geheiligt durch die Angst, mit ihnen erwischt zu werden, göttlich durch das Verlangen, das in all der Spannung schwimmt. Unser Schweiß, unsere Angst, meine Liebe. In meiner Kiste habe ich noch welche von den roten Ballons, die meine Mutter mit ihren langen roten Nägeln zerriss. Wenn ich den Knoten langsam öffnete, schrie sie mich an, ich solle endlich die Spritze aufziehen, sonst müsse sie sterben. Dann zerriss ich sie auch. Aber ich wusste, irgendwann kaufe ich meine eigenen.

Ich träume nachts von meinen Ballons, versuche zu entscheiden, wie viele ich brauche. Ich fasse mir zwischen die Beine und reibe da, wo es guttut, und stelle mir vor, wie sie den Himmel füllen, und das werden sie. Als würde im Himmel ein Kaugummiautomat auslaufen.

Ich kann den Boden kaum noch spüren. Ein weiterer dunkelroter Ballon, geheilt von den Fingernägeln meiner Mutter, und ich bin frei.

Das Heroin da drin, um mal ehrlich zu sein, soll mich nur am Ball halten, bis die Zeit kommt. Es wird ein klarer Tag sein, ohne Wolken oder Wind, nur blauer Himmel wie Buttermilch. Menschen werden sich versammeln, fröhlich lachend. Ein Clown in Riesenschuhen mit gelben Bommeln dran wird den Ballons mit roten Heliumlippen Leben einhauchen. Leute werden mich umringen und einen vollen Ballon nach dem anderen—meine silbernen, blauen, grünen und gelben—an meine ausgestreckten Arme und Beine hängen. Ich werde verkünden, dass die Zeit nun gekommen ist. Sie werden weinen und sagen, dass ich ihnen fehlen werde, aber sie wissen auch, das hier ist ein Wunder—dies ist der Plan, wie er schon immer aussah und aussehen muss.

Ich fühle, wie ich schwerelos werde. Ballonäste sprießen von meinen Gliedmaßen auf. Ich sage ihnen, sie sollen nicht weinen, ich muss für ihre Sünden auffahren. Ich bin Gottes Ausgestoßener und trete ihm für alle Ausgestoßenen gegenüber. Ich werde mich weigern, den Himmel zu verlassen, und werde das schwarze Heroin preisgeben, das ich mal vor meiner Mutter versteckt und nicht mehr rausgerückt habe, selbst als ihre Fäuste auf mich eindroschen, als sie zitterte und schwitzte, heulte wie eine Füchsin in der Falle und ich sie ignorierte und fernsah. Angesichts dieses Opfers wird Jesus zu meinen Füßen weinen. Ich kann den Boden kaum noch spüren. Ein weiterer dunkelroter Ballon, geheilt von den Fingernägeln meiner Mutter, und ich bin frei. Ich fliege wie in meinen Träumen. Der Jubel verschwindet unter mir, ich verschwinde ins Blaue, hoch zu Gott und Jesus …

Ich bin der Heilige Geist, der kommt, sie zu erlösen, ob sie wollen oder nicht. So sieht der Plan aus und so hat er schon immer ausgesehen, seit ich das damals in der Sesamstraße gesehen habe—ein kleiner Junge, liebevoll eingerahmt von Ballons, der über den Jubel hinwegfliegt, während seine abwesende Mutter irgendwo da unten stirbt.