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The Magic Hour Issue

Reviews: Das Beste, das Schlimmste und alles dazwischen

Alles, was ihr diesen Monat hören solltet, und der Rest, den ihr vergessen könnt.

BESTES ALBUM DES MONATS

AMESTIGON
Thier
(W.T.C.)

Amestigon starteten vor 20 Jahren als Abigor Offshoot und veröffentlichten in den 90ern für diese Zeit typischen Black Metal, was aber genau so unwichtig für dieses Review ist, wie das Vorgänger-Album Sun of All Suns (und die Info, dass dieses nun endlich auf Vinyl veröffentlicht wird): Thier oszilliert bei genauerer Betrachtung nämlich auf einem ganz anderen Stern. Musikalisch könnte man bei Enslaveds Vikingligr veldi ansetzen, was das Zelebrieren des Riffs in 10-Minuten-Songs betrifft, und bei deren progressiver Spätphase, wenn man den druckvollen und leicht 70er Rock gefärbten Sound vergleicht. Atmosphärisch dichter, wesentlich dunkler und letztendlich auch einfallsreicher als bei den Norwegern geht es aber hier kompositorisch wie textlich zu. Huldigt den Priestern der chemognostischen Sexualmagie!
DEFHEVIN SHALLBURN

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SCHLIMMSTES ALBUM DES MONATS

SOLEY
Ask The Deep
(Virgin EMI)

Soleys neue Platte klingt genau so abgehalftert wie die Bimmeln von neun Millionen Fahrrädern in Beijing. Ins Rollen kommt die Musikerin vielleicht, wenn man sie einen Berg runterschubst. Aber so von selbst—eher nicht. Und zu dieser, ihrer Medizin-Studenten-WG-Frühstücks-Musik, tut Soley nun so, als hätte der Teufel seine Zunge so tief in sie reingesteckt, dass sie oben, aus ihrem Mund, wieder herauswedelt. Kauf ich ihr nicht ab.
EURO OYSTEIN

BESTES WURST-COVER DES MONATS

DIE BUBEN IM PELZ & FREUNDINNEN
s/t
(Konkord)

In der Geschichte des Rock'n'Rolls gibt es einige berühmte Bananen. Zum Beispiel erzählen Black Sabbath gerne und ausgiebig davon, wie sie ihre Groupies mit Bananen bedient haben. Die berühmteste unter den gelben Früchten ist aber ntürlich die, die Andy Warhol für das für das Cover von The Velvet Underground & Nico gestaltet hat. Die Buben im Pelz aka Christian Fuchs und David Pfister haben dieses Album, das ja irgendwie jeder gut findet und gut finden muss, gemeinsam mit diesen „Freundinnen und Freunden" aus Wien neu vertont. Im Stil des Wienerlieds. Was nach einer ziemlich beschissenen Idee klingt, funktioniert in der Realität erstaunlich gut. „I'll be your mirror" wird dann zu „Tiaf wia a Spiagl", und es macht Spaß. Großen Spaß.
GOING BANANAS

SCHLIMMSTES WURST-COVER DES MONATS

CONCHITA WURST
Conchita
(Sony)

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Pünktlich eine Woche vor dem Eurovision Song Contest in Wien bringt Conchita ihr Soloalbum heraus. Die Plattenfirma überschlägt sich damit, wie vielseitig, facettenreich und wandelbar die Platte nicht sei, „genau wie Conchita selbst". I call that Bullshit. Das Album ist eine sehr durchschnittliche Pop-Scheibe mit viel Dramatik, schnelleren und langsameren Nummern. Das tut niemandem weh, ist aber so weit weg vom Rad-Erfinden wie die Mayas. Die Frage, die Conchita wieder mal aufwirft: Kann man die Musik vom Künstler trennen? Denn die Musik mag eher gewöhnlich sein, Tom Neuwirth aka Conchita Wurst ist es natürlich nicht. Meine Voraussage: Die Platte wird bald in sehr vielen österreichischen Haushalten herumliegen, ohne gespielt zu werden. Conchita sei es gegönnt!
SAUSAGE FEST

DEATH GRIPS
The Powers That B
Harvest

Ich bin mir zu 95 Prozent sicher, dass Death Grips eine gigantische musikalische Musik-Internet-Verschwörung ist, die von 4chan ausgeht, und dass die ganze PR für ihre halbgaren Veröffentlichungen und ihre Fan-Verarsche auf das Konto von Tausenden 14-jährigen Schweden geht, die dieses Forum bevölkern. Ich bin mir sicher, dass ein paar einflussreiche Meme-Blogger von Tumblr auch ihre Finger mit im Spiel haben. Die ersten paar Alben waren gut, vor allem als Soundtrack für den Arbeitsweg zum Kino, den du auf deinem BMX zurückgelegt hast. Das waren harte sechs Kilometer, klar. Aber irgendwie muss man ja die Tankfüllung für Mamas Volvo bezahlen.
UNCLE RUMPUS

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SNOOP DOGG
Bush
(Sony)

Snoop Dogg ist von seinem Jamaica-Trip zurück und hat den Löwen dementsprechend wieder in den Käfig gesperrt. Ersetzt hat er ihn glaube ich durch Pharrell, den er vermutlich irgendwo auf seinem Grundstück an der Leine herumführt und gelegentlich zum Austollen ein Mischpult bespringen lässt. Irgendwie ist gefühlt jeder Track auf Bush ein undefinierbares Funk/R'n'B-Stück, bei dem irgend jemand mit Falsett-Stimme vor sich hin trällert. Das wäre ja grundsätzlich noch kein Problem, wenn es wenigstens interessante, undefinierbare Funk/ R'n'B-Stücke wären. Das sind sie aber nicht. Da hat Pharrell einfach in den letzten Jahren schon so viel Besseres gemacht. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist ja eigentlich, dass man bei Reincarnated—so peinlich das Ganze auch war—immer noch gehört hat, dass es eine Snoop- Platte war. Das passiert bei Bush nicht. Und das ist wirklich ein Verbrechen.
PHARRELL ON A LEASH

MIEUX
Are You Happy
Self

Auch wenn viele der Protagonisten mittlerweile in der Welt herumjetten, gilt Wien gemeinhin ja als gutes Pflaster für das, was man in Ermangelung eines besseren Labels gerne unter „Bassmusik" zusammenfasst. Das liegt auch an Leuten wie Mieux. Nicht nur, dass ihre Pressefotos „on fleek" sind, wie die jungen Leute heutzutage sagen. Ihre Platten sind es auch. Die neue EP Are You Happy macht dich auch dann glücklich, wenn du von deinem Partner oder deinem rechten Arm verlassen wurdest. Es sei denn, dein Ex war Calypso-Musiker. In dem Fall solltest du einen Bogen um Are You Happy machen. Die zahlreichen Steeldrums, Handclaps und Vocal-Samples würden eher böse Erinnerungen wecken. Der Rest darf sich die Musik unbeschwert anhören. Vor dem Fortgehen, nach dem Fortgehen. Vielleicht sogar während des Fortgehens.
TRINIDAD TOBAGO

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PETER HOPE & THE EXPLODING MIND
Hot Crow on the Wrong Hand Side
HauRuck!

Heute ist es ja schon ein Wunder, ein Stück originärer Musik zu finden, das nicht medial dahergehyped wurde. Umso schöner ist es, ein Wahrhaftiges auszumachen. Entstanden in vier Ländern über einen längeren Zeitraum hört man die kleine Weltreise bei jedem Song raus, ohne dass die Platte willkürlich zusammengestöpselt klingt. Dem potenziellen Hörer möchte ich jetzt aber nicht alles vorkauen, diesem Werk sollte man sich am besten auf einer getunten Harley unter Schampuseinfluss nähern, irgendwo zwischen Wien und Vladiwostok, auf der Suche nach Mister Mayhem.
SONNY PRYDE

THE MAKEMAKES
s/t
Almost Perfecto Records

Hätten die Makemakes ihr selbstbetiteltes Debüt-Album aufgenommen, nach- dem sie zum offiziellen Österreich-Vertreter beim ESC 2015 geworden sind, dann hätte uns darauf vermutlich irgendetwas äußerst Seltsames erwartet. Ein Conchita Wurst-Feature vielleicht, eventuell auch eine musikalische Liebeserklärung an Mirjam Weichselbraun, oder—noch seltsamer—Arabella Kiesbauer. Aber das ist nicht der Fall. Abgesehen von den zwei Songs, die sie für den Song Contest in L.A. eingespielt haben, ist auf The Makemakes alles bereits zuvor im hauseigenen kleinen Salzburger Studio aufgenommen und selbst produziert worden, teilweise ein bisschen unsauber und Lo-Fi und nicht so 100% radiofreundlich, wie man es eventuell erwarten würde. Balladen sind schon ein paar darauf zu finden, aber ich glaube nicht, dass die direkt an ORF-Moderatorinnen gerichtet sind. Der gelungenste Song am Album, „Save Me", ist übrigens aus irgendeinem Grund auf die undankbare vorletzte Stelle der Tracklist verbannt worden. Aber zumindest wird das Durchhören eines Albums so zur Abwechslung mal wieder belohnt.
MIRJAM KIESBAUER

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SUUNS AND JERUSALEM IN MY HEART
s/t
Secretly Canadian (Cargo Records)

Jeden Morgen, wenn ich in meinem Cadillac Allanté von 1987 aufwache, nehme ich erst mal was gegen Sodbrennen und einen Schluck billigen Whiskey, bevor meine Post von einem jungen laotischen Mann namens Haimi zugestellt wird, dessen Name auf Laotisch wahrscheinlich so was wie „der Suchende" bedeutet. Er bringt immer die Post von ein paar Tagen, in einem großen Umschlag, mit Mangosaftflecken. Meistens sind es nur Prospekte und Briefe wegen Unterhaltszahlungen, aber manchmal ist auch ein Presseaussand über eine Kollabo von zwei Bands dabei, und davon krieg ich einen Ständer. Das ist der Grund, warum ich überhaupt noch dabei bin.
THADDEUS WEAKBISCUIT

THE KING KHAN & BBQ SHOW
Bad News Boys
In the Red

Ich war letztes Jahr beim SXSW, oder irgendeinem dieser anderen Festivals, die nur eine Ausrede dafür sind, schlechtes Kokain in einem Dixie-Klo zu ziehen, und irgendjemand erzählte mir, dass der Typ von King Khan den Sound macht und ich dachte: „Wow, dieser Typ ist so gut darin, eine Frontsau zu sein und bei jedem Auftritt die Leute so richtig fertigzumachen, und jetzt sorgt er auch noch dafür, dass andere Musiker gut klingen." Und etwas später dann: „Wow, dieser Typ ist so gut darin, eine Frontsau zu sein und bei jedem Auftritt die Leute so richtig fertigzumachen, weil er andere Bands wirklich schrecklich klingen lassen kann." Nach einer kurzen Google-Suche bin ich mir sicher, dass Mark Sultan nie irgendwo den Sound gemacht hat.
ABE SEEDY

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PURITY RING
Another Eternity
4ad/Beggars Group

Du kannst sie hassen oder du kannst sie lieben, aber ich wünschte, Purity Ring wären keine Band, sondern ein protofuturistischer Masturbationsapparat/Gang, der ausschließlich als Subreddit existiert, in dem man mit Marmelade gefüllte Schokoteilchen beauftragen könnte, die mit pornografischen Motiven dekoriert wären (keine Ahnung, wie das funktionieren soll). Außerdem wären Bibelzitate draufgedruckt und man könnte sie an Freunde und Feinde verschicken.
CEE-LOO BIAFRA

BJÖRK
Vulnicura
Embassy of Music (Warner)

Unsere Musikredaktion hat einen Zauberer, der auf einem Boot in Neuseeland lebt, gefragt, was er vom neuen Björk-Album hält und das hat er gesagt: „Ich habe Jay Z getroffen. Ich habe Kanye West getroffen. Ich bin seit 20 Jahren Zauberer. Immer auf diesem Schiff zwischen Wellington und Bicton. In der Nähe vom Karori Rip ist die Magie richtig gut, das hat mit den Gezeiten zu tun. Ich glaube, ich habe Björk einmal getroffen. Musiker fahren umsonst mit, wenn sie auf dem Boot auftreten—die andere Passagiere hassen das. Deswegen habe ich den Zauberstab. So sind alle zufrieden."
NIGEL THE BOAT MAGICIAN

MODEST MOUSE
Strangers to Ourselves
Glacial Pace

Ich habe mal gesehen, wie Isaac Brook einen obdachlosen Jungen in Portland mit einer echt fiesen Ayn-Rand-Rede fertig gemacht hat, in der es darum ging, dass er auch schon unter Brücken schlafen musste, aber nie soweit gesunken ist, dass er Leute angebettelt hat, wie ein Arschloch. Der Junge schubste Isaac und der holte gerade zum Schlag aus, als ein paar Roadies dazukamen und das Ganze auflösten. Kurz danach hat mich meine Mutter abgeholt. Wir holten uns Eis und ich aß es meditativ auf dem Nachhauseweg. Das war ein sehr wichtiger Moment in meinem jungen Leben, Isaac. Jeder sollte mal erleben, wie die eigenen Helden fallen.
DINGUS CORIANDER