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Drogen

Bis zu 30 Gramm legal: Die deutschen Grünen haben ihr Cannabis-Gesetz vorgestellt

Staatlicher Anbau, Qualitätskontrollen, Jugendschutz: Warum der grüne Vorschlag endlich eine sachliche Diskussion auslösen könnte.

Katja Dörner. Foto: Michael Knodt

Während uns die österreichische Grünen-Gesundheitssprecherin und Nationalratsabgeordnete Eva Mückstein heute erklärt hat, dass im Grünen-Klub hierzulande eine Cannabis-Entkriminalisierung bzw. Legalisierung lediglich „diskutiert" werde, scheint man in Deutschland schon einen klaren Schritt weiter zu sein: Die dortige Fraktion von Bündnis90/Die Grünen hat einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der den Anbau und den Verkauf von Cannabis zukünftig regeln soll.

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Die stellvertretende Vorsitzende der deutschen Fraktion, Katja Dörner, präsentierte mit Harald Terpe, dem drogenpolitischen Sprecher der Fraktion, am Vormittag im Rahmen einer Pressekonferenz ein Papier, das die Details eines regulierten Cannabis-Marktes auf knapp 70 Seiten zusammenfasst. Vorrangige Ziele ihres Vorschlags seien die Entkriminalisierung der Konsumenten sowie eine bessere Gewährleistung des Jugendschutzes. Die wichtigsten Eckpunkte der neuen Gesetzgebung erinnern dabei stark an die der Vorlage aus Uruguay:

  • Der Kauf und der Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis soll nicht mehr unter Strafe stehen.
  • Der Anbau von bis zu drei Pflanzen soll legal sein. Wer mehr als 30 Gramm erntet, darf seinen Vorrat zu Hause aufbewahren.
  • Kommerzieller Anbau und Verkauf unterliegen strengen, staatlichen Auflagen wie einer Dokumentations- und Meldepflicht.
  • Der Verkauf erfolgt über staatlich lizenzierte Cannabis-Fachgeschäfte, zu denen Jugendliche unter 18 keinen Zutritt haben.
  • Der Verbraucherschutz wird durch ähnliche Auflagen wie bei Lebensmitteln oder Medikamenten geregelt, Stichwort sichere Verpackung und Beipackzettel.
  • Pro Gramm verkauftem Gras soll eine Steuer von vier bis sechs Euro erhoben werden
  • Im Straßenverkehr soll der Grenzwert von derzeit 1ng THC/ml im Blut auf 5ng THC/ml im Blutserum angehoben werden.
  • Vier Jahre nach Inkrafttreten sollen die Auswirkungen des neuen Gesetzes evaluiert und bei Bedarf angepasst werden.

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Die Grünen und das Gras

Die Grünen beschäftigen sich nicht erst seit gestern mit dem Thema Cannabis. Obwohl sie ihren Wählern schon seit gefühlten Ewigkeiten versprechen, Kiffer wenigstens richtig zu entkriminalisieren, ist auch unter grüner Regierungsbeteiligung bislang selten etwas passiert. Das Hanfsamenverbot wurde als Teil eines drogenpolitischen Gesetzespakets gar 1998 unter Rot-Grün durch den Bundesrat gewunken, um die noch unter Kohl beschlossene Methadon-Vergabe nicht zu gefährden, die auch Teil des Pakets war.

Die erste Drogenbeauftragte der Fraktion, Christa Nickels, war in Sachen Cannabis auch weitestgehend erfolglos. In Baden-Württemberg regiert gar ein grüner Ministerpräsident—der seinen SPD-Innenminister trotzdem nicht davon abhalten kann, einfache Kiffer durch's Ländle zu jagen. Eine beliebte Disziplin hierbei sind die Personenkontrollen am Heidelberger Hauptbahnhof, die in Neckarstadt alle paar Wochenenden die Statistik der Polizei aufpäppeln, kann man doch bei Drogendelikten auf eine fast 100 prozentige Aufklärungsquote verweisen. In Schleswig-Holstein sind die Grünen ebenso zahnlos wie in Bremen, wenn's um Gras geht.

Hat das Chancen?

Doch jetzt hat sich die Fraktion im Bundestag zum ersten Mal wirklich intensiv dem Thema gewidmet, was sicher zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen wird. Zudem ist das Betäubungsmittelgesetz ein Bundesgesetz und kann nur auf Bundesebene geändert werden. Die Chancen, dass CDU und SPD im März, wenn der Entwurf dem Bundestag vorgestellt werden soll, Gras legalisieren, sind jedoch gleich null. Doch immerhin schaffen es die Grünen so, beide große Parteien zu einer Diskussion zu zwingen, die man bislang nur polemisch oder gar nicht geführt hat.

Ob der Entwurf nach der kommenden Bundestagswahl innerhalb der SPD, ohne die eine Regierungsbeteiligung der Grünen nicht möglich ist, eine Chance hätte, ist eher fraglich. Sollte das „Lex Cannabis" 2017 wirklich auf die Tagesordnung kommen, wird die SPD erst einmal versuchen zu bremsen, bevor sie irgendwann aus wahltaktischen Gründen umschwenkt.

Ob die Grünen wegen ein bisschen Gras auf den Griff nach der Macht verzichten, wenn die SPD beim Grasgesetz bockt, ist mindestens genauso fraglich. Beim Nato-Doppelbeschluss, der Homo-Ehe oder dem Atomausstieg hat so ein grundlegender Meinungswechsel bei den Sozialdemokraten zwei Legislaturperioden gedauert. Das wird beim Weed nicht anders sein. Von einer schwarz/grünen Regierung wäre natürlich noch weniger zu erwarten. Immerhin hat es die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit einem detailliert ausgearbeiteten Cannabiskontrollgesetz geschafft, das Thema aus der Schmuddelecke auf bundespolitische Ebene zu befördern. Es ist noch nicht die Legalisierung, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Bei den österreichischen Grünen nennt man den deutschen Gesetzesentwurf „gut ausgearbeitet und durchdacht". Grünen-Gesundheitssprecherin Mückstein meint, dass er in eine Richtung gehe, die auch in Österreich diskutiert werden sollte. Auch wenn dem deutschen Entwurf in vielen Punkten zugestimmt werden könne, herrsche bei den österreichischen Grünen aber vor allem hinsichtlich der Frage, ob Cannabis in lizensierten Geschäften verkauft werden sollte, noch große Skepsis.

Thumbnail: Bündnis 90/Die Grünen, LAG Drogen Berlin