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Bomben auf Papier – Ägyptens erste Karikaturistin

Rasha Mahdi wird niemals eine Karikatur des Propheten Mohammed oder irgendeines anderen Propheten zeichnen, aber ansonsten ist ihr für ihre Zeichnungen nichts heilig.

Das Bilderverbot ist ein uraltes. Während die mythischen Völker noch um das goldene Kalb tanzten, wurde diese Götzenanbetung später von den Religionsstiftern und Propheten verboten und das arme Tier geschlachtet. Im Koran gibt es kaum mehr als Muster und Ornamente und auch die Bibel verbietet, sich ein Bild vom Schöpfer zu machen. Wenn es dann doch passiert, fühlt sich schnell jemand angegriffen und dann gibt es handfesten und durchweg weltlichen Ärger. Allerdings werden heute keine Tieropfer mehr verbrannt, sondern gleich ganze Redaktionen abgefackelt, wie im Falle des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo.
Aber eigentlich sind Mohammed Karikaturen auch ein alter Hut. Uns interessierte viel mehr die andere Seite des Streits und diejenigen, die sich nicht hinter der Meinungsfreiheit der angeblich so säkularisierten westlichen Welt verschanzen und in ihren Kritzeleien leichtfertig und meist ziemlich phantasielos ganze Kulturkreise verunglimpfen. Auch in der islamischen Welt ist die Karikatur eine scharfe Waffe der Kritik. Deshalb unterhielten wir uns mit Rasha Mahdi, der ersten Karikaturistin Ägyptens.

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VICE: Warum bist du Zeichnerin geworden und was für Hindernisse gab es auf deinem Weg?
Rasha Mahdi: Ich habe an der Kunsthochschule Grafikdesign und Trickfilm studiert und 1997 meinen Abschluss gemacht, hatte aber nie den Plan, professionelle Karikaturenzeichnerin zu werden. Aber als ich 2002 die Chance bekam, meine politischen und sozialkritischen Bilder zu veröffentlichen und viel positiven Zuspruch bekam, entschloss ich mich doch dazu. Mittlerweile wird oft mein Name genannt, wenn es um die erste weibliche Karikaturistin in der ägyptischen Presse geht.
Ich denke, ich hatte die gleichen Probleme wie jeder Karikaturist. Deine Bilder müssen immer die gleichen Ansichten und Ziele verfolgen wie die Zeitung, für die du sie herstellst, damit möglichst wenig Kritik und Widersprüche aufkommen. Das war am Anfang eines der größten Probleme.
 
Was ist deine Meinung zum so genannten arabischen Frühling?
Viele ehrenwerte Araber haben mit ihrem Leben und ihrem Blut für die Freiheit bezahlt. Wir möchten keine Einmischung von außen, die die Früchte unserer Revolution ernten. Der Mittlere Osten ist eine sehr gefährliche Gegend, da es durch das Öl, das Gas und andere natürliche Ressourcen sehr reich ist. Abgesehen davon ist es natürlich das heilige Land für die abrahamitischen Religionen. Die USA und die Armee der Nato spielen dreckige Spielchen mit den arabischen Ländern, sie schlagen ihre Kriegstrommeln im Namen von Demokratie und Freiheit und führen die Welt an der Nase herum. Ich hoffe, dass wir unsere Revolution unabhängig von ausländischen Einflüssen entwickeln können.

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Worum geht es in deinen Zeichnungen?
Als Zeichner von Karikaturen kämpfst du grundsätzlich für die Verteidigung der Menschenrechte, also gegen sexuelle Diskriminierung, politische, persönliche und religiöse Unterdrückung. Ich persönlich setze mich vorrangig dafür ein, das wahre Bild des Islams zu verbreiten und zu erklären, insbesondere nach dem Karikaturenstreit 2005 in Dänemark. Ich denke, es liegt in der Verantwortung aller muslimischen Zeichner, darauf eine Antwort zu geben, indem wir in unseren Zeichnungen die wahre Botschaft des Propheten Mohammeds zeigen. Ich habe eine Kampagne ins Leben gerufen, die das unterstützt und Mohammeds Botschaft von Frieden, Güte und Liebe verbreitet. Ich benutzte seine Worte und erkläre sie durch meine Bilder.

Meinst du der Islam wird in der westlichen Medienwelt falsch dargestellt?
Nach 9/11 verbreitete sich auf einmal eine starke Angst vor dem Islam, die sich bis heute hält. In der internationalen Darstellung gilt der Islam als grausam, da werden brutale Männer mit langen, zotteligen Bärten und Schwertern gezeigt, die Köpfe abschlagen, während die schwarz verhüllte Frau daneben steht und unterdrückt und sexuell diskriminiert wird. Diese Bilder machen mich wirklich traurig und zeigen, wie die Medien den Menschen falsche Tatsachen vorgaukeln. Sie bringen die Menschen tatsächlich dazu, diese Dinge zu glauben. Jeder, der den Koran liest, wird sich davon überzeugen, dass das Hetzkampagnen sind, die das Bild des Islams verzerren.

 
Bist du religiös?
Die Frage sollte lauten: „Welcher Religion gehörst du an?“ Denn ich denke, jeder Mensch gehört irgendeiner Religion oder einem Glauben an, je nachdem, was zu seinem jeweiligen Leben passt. Selbst Atheisten haben eine eigene Art von Leidenschaft und Glauben an ihre Ideen.
Meine Religion ist der Islam. Aber viele Leute kennen die wahre Bedeutung des Wortes Islam nicht. Im arabischen bedeutet es „Unterwerfung unter Gott“. Gleichzeitig bedeutet es die Freiheit von der Unterwerfung unter falsche Götter. Das ist der richtige Weg für mich, ich bitte Gott jeden Tag, mich zu leiten. Ich hoffe, dass Gott mir den Weg zeigt, der mich ins Licht führt. Was sind für dich Tabus, wo ziehst du die Grenze und warum? Wurdest du schon einmal für eine deiner Karikaturen bedroht?
Ein guter Karikaturist kann Symbole und Metaphern benutzen, um seine Ideen zu verdeutlichen, ohne mit spezifischen Merkmalen zusammenzustoßen. Man kann alles grundsätzlich auf eine intelligente Art und Weise sagen und alle Themen symbolisch darstellen und diskutieren. Natürlich habe ich schon mal scharfe Kommentare wegen einiger Bilder bekommen, wenn die Leser nicht meiner Meinung waren. Aber ich wurde nie bedroht im eigentlichen Sinne.
Ich habe nie eine Karikatur vom Propheten Mohammed oder irgendeinem anderen Propheten gezeichnet, da sie heilig sind.
 
Immer wieder gibt es Angriffe gegen Zeitungen oder Personen, etwa auf ein Pariser Satiremagazin, auf den syrischen Karikaturisten Ali Ferzat und natürlich 2005 auf die dänische Tageszeitung Jyllands Posten. Ist die Pressefreiheit unantastbar oder wo ist die Grenze …
Ich denke, das ganze Universum ist auf gewissen Regeln aufgebaut und diese Gesetze und Regeln bestimmen unser Leben. Wenn wir bestimmte Grenzen überschreiten, dann entsteht Chaos. Also muss auch Presse- und Ausdrucksfreiheit Regeln haben, denn wenn wir unbegrenzte Freiheit hätten, würden uns einige Dinge aus den Händen gleiten. Jeder Karikaturist kann beleidigen und Menschen verletzten, heilige Symbole oder Propheten missbrauchen oder die Leute anders hinters Licht führen. Das alles zu erlauben, ist nicht akzeptabel. Im Gegenteil, ein Zeichner muss die richtigen Moralvorstellungen und ethischen Richtlinien haben, um dann mit Mut seiner Verpflichtung nachzukommen, für Gerechtigkeit zu kämpfen.

Wie groß schätzt du deine eigene Reichweite ein? Können Karikaturen tatsächlich etwas verändern?
 Auf jeden Fall. Eine Karikatur kann die Ideen eines langen Artikels schneller zusammenfassen, denn ein Bild drückt in kurzer Zeit viel mehr aus als geschrieben Worte. Das Internet ist heute eine riesige Plattform für jeden Zeichner, wo wir den Einfluss unserer Arbeiten sehr gut nachvollziehen können. Dort können Millionen Menschen unsere Zeichnungen sehen, mit uns in Kontakt treten oder sie durch Twitter und Facebook verbreiten. Durch diese Verbreitung kann jeder Zeichner leicht an internationalen Ausstellungen teilnehmen. Wir können froh sein, in Zeiten des Internets zu leben.