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Brexit-Panik: Hat die Deutsche Post tausende britische Briefwahlen verloren?

Die Briten vermuten bereits eine EU-Verschwörung.
Foto: imago | I Images

Die britische Wahlkommission befürchtet, die Deutsche Post hindere in Deutschland lebende Briten am Wählen—weil einigen Beamten die britischen Umschlaggrößen nicht gefallen.

Laut Guardian klingt es wie eine handfeste Katastrophe: "Tausende britische Bürger fürchten, dass ihre Stimme im EU-Referendum in der Post verloren gegangen sind" heißt es in der englischen Zeitung, auch der Independent berichtet.

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Damit sie am 23. Juni darüber abstimmen können, ob Großbritannien Mitglied der EU bleibt, hat die britische Royal Mail an über 100.000 in Deutschland lebende Briten Wahlunterlagen gesandt. Und zwar in speziellen Briefumschlägen. Die Unterlagen sollen ausgefüllt zurückgeschickt werden, damit ihre Stimme zählt. Wenn die Deutsche Post wirklich Tausende davon verloren hätte, wäre das schon eher schwierig.

Die britischen Leser in den Kommentarspalten sind dementsprechend aufgebracht: "Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber ich werde langsam sehr misstrauisch—wurde das manipuliert, oder ist das einfach unglaublich inkompetent?" schreibt einer beim Independent. "In DEUTSCHLAND… wer hätte das gedacht? Was für einen Grund könnten die Deutschen/Merkel nur haben, um zu verhindern, dass eine demokratische Volksabstimmung (die EU zu verlassen) nicht gezählt wird?"

Abgesehen davon, dass es dumm von den Deutschen wäre, ausgerechnet die Stimmen der proeuropäischen Exil-Briten zu unterschlagen—stimmt an der ganzen Nachricht leider fast nichts.

Denn das ist wirklich passiert: Weil die Umschläge mit ihrem A5-Format das deutsche Standarbriefformat überschreiten, wurden laut dem Guardian einige hoffnungsfrohe Briten von übereifrigen Postbeamten gebeten, Porto zu bezahlen. Obwohl, und hier kommt der Skandal, die Royal Mail das Porto für diese Umschläge schon an alle Partner-Postunternehmen im Ausland entrichtet hat! Die hätten also doppelt zahlen müssen! Verloren wurde gar nichts, sondern nur nicht angenommen.

Allerdings: Wie oft das genau passiert ist, geht nicht aus dem Artikel hervor. Im Guardian liest es sich wie eine kleine Katastrophe. Wenn man die britische Wahlkommission selber hört, klingt das schon etwas anders: Nur "eine sehr kleine Zahl von Wählern" sei "möglicherweise" in "einer Handvoll Filialen in Europa" abgewiesen worden, weil das Format nicht gestimmt habe. "Tausende" klingt anders.

Und ein Sprecher der Deutschen Post erklärt gegenüber VICE, man habe die Filialen über die Spezialsendungen der Briten informiert. Das es sich bei den britischen Briefgrößen "jedoch um ein selten genutztes Produkt handelt", kann es in Einzelfällen vorkommen, dass ein Filial-Betreiber beim Kunden fälschlicherweise Porto auf diese Sendungen erhebt." In dem Fall empfiehlt der Sprecher, den Brief einfach in einen Briefkasten zu werfen.

Und das war's. An ein paar Schaltern in deutschen Postfilialen wurde ein paar Briten gesagt, dass sie noch Porto für die Briefe zahlen müssten, obwohl das gar nicht stimmt. Dasselbe ist übrigens auch in Frankreich passiert.

An der Nachricht ist also fast nichts dran. Dafür hat der Guardian damit eine neue Gattung ins Leben gerufen: Den Stille Post-Journalismus.