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Natürlich werden auch jetzt wieder bessere Kontrollen bei der Mitarbeiterauswahl gefordert, es wird öffentlich über eine passende Ausbildung nachgedacht und einen „Arbeitskreis Schutz von Flüchtlingen" geplant. Aber es drängt sich die Frage auf, ob die Lösung wirklich darin liegen kann, einen privaten Sicherheitsdienst mit dem Schutz von geflüchteten Menschen zu beauftragen.Erkan Zünbül ist Gesellschafter der sächsischen Sicherheitsfirma Movement, die für ihre linke und subkulturelle Prägung bekannt ist und hat mit uns über Rassismus in der Branche, fehlende Kontrollen und das generelle Problem der Übertragung staatlicher Aufgaben gesprochen.Auch in Sachsen: Lutz Bachmann hat sich mit einem Lügenpresseausweis ins Gericht geschummelt. Hach, Lutz.
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Erkan Zünbül: Die Sicherheitsbranche hat generell ein Problem mit Nazis, das ist ja kein Geheimnis. Das Hauptproblem liegt aber in der Struktur an sich. Das, was jetzt in der Presse kommt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn man in den Unterkünften das Gespräch mit Geflüchteten sucht, wird man schnell sehen, dass der Großteil der Menschen ein Problem mit den Sicherheitsmitarbeitern hat. Und wenn dann was passiert, wird das immer nur als Einzelfall gesehen und nie als gesamtstrukturelles Problem. Die Behörden sind meist froh, wenn sie die Geflüchteten überhaupt erst einmal in irgendeiner Halle untergebracht bekommen haben und sich dann andere Leute darum kümmern.In vielen Fällen schieben die verantwortlichen Firmen Probleme auf Subunternehmer. Heißt das, dass es keinerlei Kontrollmechanismen gibt, wer da letztendlich arbeitet?
Der Ablauf bei der Vergabe ist immer ähnlich. Die staatlichen Stellen schreiben den Auftrag aus, darauf bewirbt sich meist eine große Firma mit einem guten Ruf. Diese Firma kann das alleine gar nicht bewältigen, darf aber, sobald sie den Auftrag hat, sofort ohne Prüfung von oben weitere Subunternehmer einsetzen.Und die machen das dann weiter. Letztendlich haben die Leute, die dann an der Unterkunft stehen, teilweise nicht einmal die Zulassung nach §34a—das heißt, selbst diese absoluten Minimalvoraussetzungen werden nicht erfüllt. Es gibt da keinerlei Kontrolle über den einzelnen Mitarbeiter. Zuweilen muss eine Firma mal bei Vertragsabschluss schriftlich versichern, dass keine Neonazis beschäftigt sind, aber das kontrolliert ja keiner.
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Da wird gerne weggesehen. Die Nachfrage steigt aktuell einfach immer weiter, es muss schnell gehen—entsprechend lasch wird das gehandhabt.Gerade in der Region Dresden z.B. gibt es mehr als eine Handvoll organisierter und bekannter Neonazis, die in diesem Bereich arbeiten. Es fallen immer wieder welche auf, die werden geoutet, werden dann auch schnell vom Job entfernt, aber eine richtige Kontrolle gibt es nicht. Da stehen Neonazis wirklich direkt an der Unterkunft. Und diese Leute, die da enttarnt werden, sind in der Regel auch immer richtige Kader. Es wird vorher nicht kontrolliert, und es kann nicht sein, dass sowas dann erst angesprochen wird, wenn es mal zu einem Vorfall gekommen ist.Könnte man das Problem durch funktionierende Kontrollen lösen?
Nicht wirklich, das Problem geht wie gesagt viel tiefer. Die Aufgabe der Sicherheitsleute ist ja eigentlich eine staatliche—und da fängt es an: Für tausend Menschen ein friedliches Zusammenleben sichern, und das in einer menschenunwürdigen Wohnsituation. Die Leute, die in den Unterkünften und Einrichtungen arbeiten, sind ja meist sonst klassische Türsteher, die haben keinerlei Ausbildung. Es gibt eine kurze Prüfung bei der IHK mit einem Multiple-Choice-Test und einem kurzen Gespräch, aber das bereitet ja nicht darauf vor, dort sozialen Problemen zu begegnen.
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Natürlich, das sind klassische Türsteher. Die reagieren entsprechend auch wie Türsteher, wenn in deren Club Stress ist. Dazu kommt dann die klassische Überforderung, Mitarbeiter, die nicht korrekt handeln und natürlich nicht dafür ausgebildet wurden.Rassismus hört ja auch nicht an der Grenze weiß/People of Color auf, sondern das geht ja weiter. Da herrschen so augenscheinliche Rassismen wie „der Asylant", „der benimmt sich hier nicht", „ich sorge hier für Ruhe". Und der wachsende gesellschaftliche Rassismus ist ja auch bei Sicherheitsmitarbeitern gegeben, wobei da dann nochmal so Faktoren hinzukommen wie: überwiegend männlich und hetero, von Machokultur geprägt, alles, was so ein klassisch rassistisches Umfeld nochmal trägt und Eskalation begünstigt. Selbst wenn ich bei großen Besprechungen mit anderen Firmen mit am Tisch sitze, sagen manche Chefs so was wie „die Kanaken können nicht rein". Das sagt einfach schon viel.Deine Firma hat entsprechende Anfragen für die Bewachung von Einrichtungen selbst abgelehnt. Warum?
Wir haben ganz klar gesagt, wir machen das nicht. Zum einen nehmen wir uns jetzt nicht aus der Problematik staatliche Aufgabe/privater Dienstleister raus und zum anderen geht es auch um die Verhältnisse vor Ort. Um Leben und Sacheigentum zu schützen, was ja unsere Aufgabe wäre, braucht es gewisse Grundvoraussetzungen. Die sind dort einfach nicht gegeben. Viele Unterkünfte sind einfach menschenunwürdig. Stattdessen helfen viele von uns lieber ehrenamtlich, um die Situation dort zu verbessern. Aber wir wollen nicht etwas garantieren müssen, was wir nicht garantieren können—und das eigentlich Aufgabe des Staates wäre.