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Ex-Spielerfrau Dagmar Thiam über die Abgründe an der Seite eines Fußballprofis

„Götze, Reus und ihre Freundinnen: Das ist nicht das echte Leben, was wir da in den Magazinen sehen."

Foto mit freundlicher Genehmigung von Dagmar Thiam.

Ein Diplom als Betriebswirtin, ein Psychotherapie-Abschluss, ausgebildeter Team Coach, ehemalige Leistungssportlerin, TV-Moderatorin. Aus Dagmar Thiam ließen sich gleich mehrere eigenständige Menschen schnitzen und doch galt sie oft genug nur als "die Frau von…". In ihrem Falle vom ehemaligen FC Bayern und VfL Wolfsburg Fußballprofi Pablo Thiam. Sie waren verheiratet, sie ist die Mutter zweier seiner Kinder. Mit ihr sprachen wir über das Leben als"Spielerfrau" und das, was kommt, wenn die Karriere des Mannes zu Ende ist.

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VICE: Die EM beginnt und über uns werden in den nächsten Wochen Bilder hereinbrechenvom und neben dem Platz. Dazu gehören die obligatorischen Aufnahmen von perfekt geföhnten Spielerfrauen in maßgeschneiderten National-Trikots auf der VIP-Trübe. Wie geht es dir, wenn du das siehst?
Dagmar: Das Problem ist, dass nur bestimmte Typen von Spielerfrauen in den Medien vorkommen: Jene, die sich in den medialen Vordergrund spielen und dankend aufgegriffen werden. Insofern ist dieses Bild immer verzerrt.

Glaubst du, das Image von "Spielerfrauen" wird sich irgendwann verändern?
Ich glaube, die Medien ändern sich da nicht. Da bin ich auch dankbar, dass ich keine Sportjournalistin mehr bin. Du stellst nämlich immer wieder dieselben Fragen und kriegst immer dieselben Antworten. Der Fußball wird ja nicht völlig neu erfunden—so bleibt auch das, was die Medien zum Thema "Spielerfrauen" produzieren, immer dasselbe. Es sind natürlich die schillernden, die spannenden, die hübschen Figuren, die Models, die hervorgehoben werden, weil sie eben auch das bedienen, was die Zuschauer und Leser gerne hören und lesen wollen. Das glamouröse, das besondere Leben. Die ganz normalen Beziehungen, in denen die Frauen einem richtigen Job nachgehen oder nicht glamourös aussehen, sind für die Redaktionen nicht spannend. Ich glaube aber, dass die Frauen und Männer der neuen Fußballprofi-Generation sich geändert haben, genauso wie allen anderen, modernen Menschen auch. Ihre Beziehungen sind reifer geworden.

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Inwiefern "reifer"?
In den Beziehungen der Fußballprofis herrscht mittlerweile mehr Augenhöhe, die Paare diskutieren miteinander und die Frauen haben durchaus mehr Mitspracherecht bei den Karrieren der Männer, als das früher der Fall war. Ich bin immer noch sehr gut mit der Ex-Freundin von Owen Hargreaves befreundet und kann mich noch gut daran erinnern, wie sie auf Tribüne das Spielgeschehen kommentierte. Sie war selbst Fußballerin—und zwar eine richtig gute in Kanada mit profundem Fachwissen—doch nach wenigen Kommentaren drehte sich der Spielerberater von Owen zu ihr hin und sagte: "Du, also das eins mal klar ist: Bei Fußball brauchst du deinen Senf nicht dazugeben, das ist nicht dein Thema, halte dich mal lieber zurück." Und das war noch vor 15 Jahren! Frauen hatten nichts zu melden. Die Kommunikation ist mittlerweile eine andere. Auch in den Beziehungen.

Es ist vermutlich nicht leicht, sich selbst in der großen Fußballmaschinerie zu behaupten, oder?
Ja, selbstbestimmt als Frau zu bleiben, ist ein wichtiger Faktor. Aber das gilt auch unabhängig vom Fußball. Wenn du als Frau mit einem sehr erfolgreichen und bekannten Mann zusammen bist, dann bist du immer "die Frau von…". Das können Fußballer, Schauspieler, Politiker sein. Du wirst immer an zweiter Stelle genannt. Es sei denn, du bist als Frau genauso bekannt, wie bei Schweinsteiger und Ana Ivanovic. Solche Paare haben den Vorteil, dass beide den selben Mechanismen unterliegen und in der selben Welt leben. Keiner muss sich benachteiligt fühlen. Aber das kann ja nicht die Lösung sein, dass man sich nur Partner sucht, die denselben Status haben. Dann bleiben dir als Partner nur zwei Möglichkeiten: Du kannst die total rauszuhalten und zurückzuziehen aus der Öffentlichkeit. Oder du nutzt das Fahrwasser, um dich selbst zu entwickeln, so wie es zum Beispiel Cathy Hummels macht. Nur dazu brauchst du einen verständigen Mann, denn nicht alle Spieler finden das toll. Ich bewundere Mats Hummels, der das stoisch aushält, wo noch nicht alles gelungen ist, was Cathy macht. Sie wird hart kritisiert, aber grundsätzlich ist es wichtig, dass Frauen sich eine eigene Selbstwirksamkeit aufbauen; nur sollte sie dann möglichst wenig mit der Karriere des Mannes zu tun haben. Denn sonst bist du wieder abhängig.

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Anderseits müssen die Egos der Fußballer auch keine Sternsysteme sein, um die sich alles zu drehen hat. Thomas Müller ist ein gutes Beispiel: Er unterstützt seine Frau Lisa bei ihrer Reit-Karriere. Ist auf Turnieren dabei, trägt ihr wie ein Caddie die Ausrüstung hinterher.
Der ist vom mentalen ohnehin ein totaler Ausnahmetyp. Grundsätzlich hängen die Möglichkeiten der Selbstbestimmung auch davon ab, wie weit der Mann ist, wie reflektiert er in der Beziehung ist. Also wenn du da sehr weit bist, in der persönlichen Entwicklung, dann denke ich, kannst du sehr gut deine Frau ihre Karriere machen lassen und auch aushalten, dass sie nicht immer zu Hause ist, wenn du zu Hause bist; und auch, dass du bei familiären Dingen mitmachen musst, egal, wie oft du unterwegs bist. Da musst du als Mann wirklich weit sein, nur hier ist die Frage: Wie weit kann sich ein Fußballspieler überhaupt entwickelt haben, wenn er bereits von einem ganz jungen Alter an nur auf Fußball fokussiert wird? Da bleiben einfach auch Teile der Persönlichkeitsentwicklung auf der Strecke. Und die müssen sozusagen nachreifen, nach der Karriere.

Mit dem Karriereende fangen die Probleme also erst richtig an?
Als Top-Spieler wird dir während der Karriere so viel abgenommen: Einkaufen, Umzüge, selbst Behördengänge, wo andere Menschen mit der Nummer in der Hand im Wartesaal sitzen. Das ist ein Leben auf so hohem Niveau, da machen sich viele keine Gedanken, was später kommt. Aber genau dann, wenn die Karriere vorbei ist, entsteht ein echter Knackpunkt—sowohl für den Spieler als auch die Beziehung. Das ist ein Riesenbruch im Leben des Profisportlers, weil alles, worauf sich sein Leben bezogen hatte, weg ist. Auch der schillernde Name verblast schnell. Ich habe so oft erlebt, dass Fußballer keine Trauerarbeit leisten. Solange die Kariere läuft, sind sie auf die Karriere fokussiert. Sie bereiten sich nicht auf das Ende vor, weil sie sich sagen: "Ich kann mich jetzt nicht damit beschäftigen, ich muss mich auf meine Leistung im Heute konzentrieren." Und so ist das für viele ein harter Aufprall. Und mit der teilweise fehlenden Persönlichkeitsentwicklung fehlen auch die Strategien und das Mind-Set, um sich etwas Neues aufzubauen.

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Und dann hat man vermutlich auch noch einen Anspruch an Erfolg.
Ja, du warst super erfolgreich in einem Gebiet und jetzt fängst du von Neuem an und zwei Mal auf so ein hohes Niveau zu kommen, wird den meisten nicht gelingen. Und dann hast du auch in der Partnerschaft ein Riesenproblem. Da werden alle Zeichen neu gesetzt. Es kommt dann echt drauf an, wie gut du kommuniziert hast, wie gut du gewachsen bist und wie du zusammen so ein Thema einholst und bearbeiten kannst. Wir sind daran gescheitert. Und das, obwohl Pablo direkt einen Anschlussjob bei Wolfsburg hatte, wo er bis heute noch ist. Aber selbst dieser vermeintlich perfekte Übergang vom Spieler zum Manager war damals mental nicht so einfach für ihn.

Und wenn dann so eine Familie auseinander bricht, dann ist die Trauerarbeit auch nicht einfach, oder? Wird einem das Recht wie "normale Paare" zu leiden, überhaupt gewährt?
Oft bekommst du zu hören, dass du glücklich sein kannst, überhaupt so einen Mann mit so viel Geld und Ruhm kennengelernt zu haben. Dabei habe ich einen Mann geheiratet, denn ich liebe und wenn er Kaminkehrer gewesen wäre, hätte ich ihn auch genommen. Das glaubt dir aber niemand. Und eine Beziehung, die kaputt geht, schmerzt genauso, ob du mit einem Fußballspieler verheiratet warst, oder einem Bäcker. Es tut weh, es ist ein Rieseneinschnitt für die Kinder und auch für den Mann ist das schwer. Es spielt keine Rolle, wer du bist und was du auf dem Konto hast. Es gibt keinen Unterschied beim Schmerz.

Und deshalb ist die Bezeichnung "Spielerfrau" nicht nur eine Demütigung, weil das Wesen einer Person über die Existenz einer anderen definiert wird, sondern sie ist auch ungenau: Man müsste wenigstens den Unterschied zwischen Spielerfreundin und Spielerehefrau treffen.
Es gibt viele dieser jungen Paare, die das Geld genießen und alle Möglichkeiten haben. Und klar, warum sollten sie sich nicht austoben, aber das echte Leben kommt noch. Es ist nicht das echte Leben, was ich da auf den Bildern in den Magazinen sehen. Götze, Reus—ich weiß nicht, ob Aubameyang eine Freundin hat. Spielerfrau oder -freundin zu sein ist im Grunde das Prinzessinnenmärchen von früher, nur im modernen Gewand. Dass man aber die meiste Zeit allein zu Hause sitzt und es recht langweilig ist, wird ausgeblendet. Und doch ärgert es mich, dass die Spielerfrauen so wenig aus diesem "Schein", der auf sie mitstrahlt, machen.

Du meinst, dass sie die Möglichkeiten nicht sinnvoll nutzen?
Ja, denn du hast ja auch eine Reichweite. Es wäre schön, wenn die Frauen diese Reichweite, auch mal für etwas nutzen würden, das sich nicht auf Lifestyle, Mode oder die Existenz als Schmuckdesignerin beschränkt. Warum nicht auch Themen ansprechen, die die Bevölkerung und das Land betreffen. Sei es Kinderarmut, sei es Menschenrechte oder Politik—aber nicht einfach nur so dahin geblubbert, sondern mit Kompetenz. Auf so eine Spielerfrau warte ich noch. Aber vielleicht sind die Mädels auch etwas zu jung, um solche Kompetenzen auszubilden; vielleicht kann man ihnen nicht mit aller Härte den Vorwurf machen. Die von dir erwähnte Cathy Hummels bringt durchaus Elan und Arbeitseifer mit. Die Frage ist nur tatsächlich für was.
Diesen Vorwurf müssen sich die Spielerfrauen gefallen lassen: Dass sie sich kaum positionieren und die gegebenen Möglichkeit nicht gebührend nutzen. Wenn du eine solche Chance hast, die Öffentlichkeit zu erreichen, wäre es doch sensationell etwas für die Allgemeinheit zu tun. Also, sich nicht nur um das eigene Bankkonto zu kümmern und möglichst oft das Gesicht in die Kamera zu halten, sondern das Leben mit echtem Sinn zu füllen. Das ist ja dann auch für einen selbst viel befriedigender."

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