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​Das Fegefeuer ist kein Barbecue – du kommst in die Hölle, so oder so

Für meine freichristlichen Nachbarn war klar: Die Hölle ist ein Ort unendlicher Qualen und ewiger Verdammnis. Für meine Zocker-Freunde hingegen war die Hölle eine riesige Spielwiese.

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Screenshot aus DOOM

Für meine freichristlichen Nachbarn war klar: Die Hölle ist ein Ort unendlicher Qualen und ewiger Verdammnis. Für meine Zocker-Freunde hingegen war die Hölle eine riesige Spielwiese, in der sie nach der Schule in Spielen wie Diablo und Doom Dämonen abknallen konnten. Und mir war dieser Ort ziemlich egal, denn als kleiner Junge in einer Familie von Ungläubigen, der ohne Computerspiele, Rockmusik und Kirche aufwuchs, hatte ich mit Satan nichts am Hut. Der kam erst später in mein Leben, als mir eine christliche Missionarin prophezeite, dass ich in der Hölle schmoren würde, weil ich Sex mit Männern habe. Aber wie sieht dieser Ort aus, an dem je nach Weltanschauung Ungläubige, Sodomiten und andere schlechte Menschen landen? Die Idee von der Unterwelt ist so alt wie die Menschheit. Klingt banal, ist aber so. Diese kleine Kulturgeschichte der Hölle führt uns von Bosch bis Adam Sandler und von Dante bis South Park. Und am Ende ist eins sicher: Wir landen eh alle in der Hölle. Doch vielleicht sind wir da gar nicht in so schlechter Gesellschaft.

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Höllenqualen: Von A wie Ananas im After bis Z wie Zerstückeln

Meine schönste Vorstellung von der Hölle ist die in Little Nicky, einem ziemlich schlechten Adam-Sandler-Film. Sandler spielt darin Satans Sohn und soll dessen Nachfolge antreten. Allein die Szene, in der die Höllenqualen Hitlers gezeigt werden, lohnt das Anschauen: Jeden Tag um 16 Uhr wird Hitler von Luzifer eine Ananas in den Arsch geschoben, die er vorher selbst aussuchen muss. Dabei trägt er ein Zimmermädchen-Kostüm. Könnte von Hieronymus Bosch kommen, doch zum Erscheinen des Films im Jahr 2000 war der schon fast 500 Jahre tot. Und wahrscheinlich im Himmel, denn Bosch war ein frommer Mann. Seine Visionen von der Hölle sind aber mindestens genauso verrückt, wie er religiös war. In seinem Triptychon Der Garten der Lüste widmet sich die rechte Tafel komplett den Höllenqualen, wie sie sich Bosch noch vor der Synthetisierung von LSD vorstellte. Und da gibt es ziemlich viel kranken Scheiß zu sehen. Den Baummann zum Beispiel, durch dessen offenen Hintern man Leute beim Kartenspielen sieht, die auf Kröten sitzen. Generell: Hintern. Bei Bosch steckt irgendwie allen etwas hinten drin: Flöten, Pfeile, Bohrer, Münzen. Einem Typen sind sogar Noten auf den Arsch gemalt, nach denen ein dämonischer Chor mit Verdammten singt. Niemand weiß, was für ein Lied das ist. Forscher versuchen schon seit Generationen, es in heutige Noten zu übersetzen, scheitern aber bisher immer dran. Ein mittelalterliches Highway to Hell oder Hells Bells, das wohl niemand mehr hören wird. Die Niederländer haben übrigens eine geniale interaktive Führung durch den Garten der Lüste programmiert , wo man sich die psychedelischen Visionen von Bosch im Detail anschauen und erklären lassen kann.

'Der Garten der Lüste' von Hieronymus Bosch

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Auch die sowieso perversen alten Griechen hatten eine sehr lebhafte Vorstellung von Höllenqualen. Im Tartaros, dem finstersten Teil des Hades, gibt es drei fiese Strafen, die von Gotteslästerern gebüßt werden müssen: Der mythische Tantalos muss mit schrecklichem Durst immer bis zum Kinn im Wasser stehen. Wenn er den Kopf neigt und trink will, zieht sich das Wasser zurück. Ähnlich zermürbend sind Sisyphos' Qualen, der einen riesigen Stein auf einen hohen Berg rollen muss, der immer kurz vorm Gipfel wieder runterrollt. Und die Ehemänner mordenden Danaiden sind dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit Wasser mit löcherigen Eimern zu schöpfen. Klingelt's? Das sprichwörtliche Fass ohne Boden. Mit den späteren christlichen Höllenbildern hat das wenig zu tun. Waren die alten Griechen der psychologisch raffinierte Thriller unter den Höllenquälern, ging es im europäischen Mittelalter eher wie in einem post-apokalyptischen Zombie-Splatter-Movie zu.

Erst das Inferno, dann das Vergnügen

Grafische Darstellung von Dantes Weltbild nach Paul Pochhammer

Hölle ist nicht gleich Hölle. Im Abendland wurde lange an einer Höllenarchitektur gefeilt—und es gibt ein paar ziemlich abgefahrene Theorien. Am bekanntesten und einflussreichsten ist das Höllenbild aus Dantes Göttlicher Komödie. Die Voraussetzungen sind schon mal denkbar absurd: Als Luzifer vom Himmel stürzt, hinterlässt er einen großen Krater, der trichterartig bis zum Erdmittelpunkt reicht: die Hölle. In der Mitte hockt er selbst. Die Hölle—das Inferno—ist in neun Kreise plus Vorhölle aufgeteilt. Und jeder Kreis hat echt widerliche und brutale Foltern zu bieten. Passend zu den Lastern und Charakteren der Sünder gibt es eine Strafe: Mörder müssen sich in einem siedenden Blutfluss vor Zentauren verstecken, die sie beschießen, die Gefräßigen werden vom Höllenhund Kerberos zerfleischt, Huren müssen sich in ätzender Scheiße wälzen und Verräter liegen eingefroren im Eissee Cocytus, ganz unten in der Hölle.

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Neben der Hölle gibt es aber noch das Fegefeuer, in dem die sündigen Seelen geläutert werden können. Und auch das ist nicht ohne: Wie bei den zwölf Stufen der Anonymen Alkoholiker müssen die Sünder die sieben Terrassen des Läuterungsberges durchlaufen, was auch nicht viel angenehmer ist als die anderen Höllenqualen. Neidischen Menschen werden beispielsweise die Augen mit Draht zugenäht, Zornige müssen in sauren Rauch gehen, der sie blind werden lässt, und Wollüstige werden von einer Feuerwand geröstet. So geläuterte Seelen können dann aber ins Paradies kommen und müssen nicht ewig in der Hölle schmoren. Der Spießrutenlauf lohnt sich also. Für wen sich der ganze Höllenzirkus noch gelohnt hat: die katholische Kirche. Die hat nämlich mit der Angst der Menschen ein gutes Geschäft und mit dem Ablasshandel—quasi eine Versicherung gegen das Fegefeuerrisiko—richtig Kohle gemacht.

Was haben ein Priester, ein Gamer und ein Metaller gemeinsam?

Screenshot aus DOOM

Heißer Tipp: Es hat was mit der Hölle zu tun. Während Priester von Berufswegen vor der ewigen Verdammnis warnen müssen, beschäftigen sich Gamer und die Freunde des gepflegten Heavy Metals aus profaneren Gründen mit Satans Wohnzimmer. In manchen Metalsongs wird recht unverblümt für Teufelsanbetung geworben. Unvergessen das Debütalbum von Slayer Hell Awaits, dessen erster Song rückwärts gespielt die ständig wiederholte Aufforderung "Join us" abgibt. Auch der Rest der Tracklist lässt wenig Fragen offen: Songs heißen Kill Again, Necrophiliac und Praise of Death. Der Albtraum besorgter Mütter weltweit. Dass höllisch gute Musik auch Kulturerbe sein kann, beweisen Metallica. Ihr Album Master of Puppets wurde von der amerikanischen Library of Congress in den Bestand aufgenommen.

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Slayer live 2009 | Foto: Mdnghtshdw | CC BY SA-3.0

Auch Computerspiele wie Saints Row, Silent Hill, Diablo und DOOM machen sich das hölleneigene Flair von Schwefelgeruch und Dämonenbevölkerung zunutze und profitieren vom diabolischen Setting. Zockern dürften Bösewichte wie der Revenant, Mancubus und Cyberdemon mittlerweile geläufiger sein als die vierzehn Nothelfer katholischen Klosterschülern. Und mit diesen Dämonen gibt es auch bald ein Wiedersehen: Am 13. Mai kommt die neueste Version des Ego-Shooter-Kultgames DOOM raus. Der Plot: Eine Forschungseinrichtung auf dem Mars wird von übermächtigen Dämonen unter ihre Kontrolle gebracht. Als Marine kämpft man gegen die Höllenwesen, unter anderem den Baron of Hell, der so ziemlich an deine schlimmsten Kindheitsfantasien vom Satan heranreicht. An den Games lässt sich auch gut sehen, wie wenig sich das Höllenbild seit dem Mittelalter verändert hat. Die Hölle, das ist immer noch der Ort mit den siedenden Flüssen und der Raumtemperatur konstant über 100 Grad Celsius. Dazu kommt der Einfluss der modernen Höllen des 20. Jahrhunderts mit ihren gelebten Vernichtungsfantasien, dicken Wummen (die, wie in DOOM, teilweise mit den Dämonen verwachsen sind) und ihrem Schlachten. Wer sich einmal durch Silent Hill gespielt und die zerfledderten Leichen im Stacheldraht hängen gesehen hat, wird wissen, worauf das anspielt.

Auschwitz: Die Hölle auf Erden

Einfahrtsgebäude des KZ Birkenau, Ansicht von Innen | Foto: Stanislaw Mucha | CC-BY-SA 3.0

"Heaven is a place on earth" heißt es in dem gleichnamigen Belinda-Carlisle-Song. Aber auch die Hölle hatte ihren Platz Erden. "Die Toten haben vielleicht mehr Glück als die Lebenden. Sie müssen nicht mehr diese Hölle auf Erden ertragen und die Grausamkeit von Menschen erleben", formulierte es der Shoa-Überlebende Shlomo Venezia in seinen Erinnerungen Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Was er dort gesehen hatte und tun musste, hätte eins zu eins aus den Höllenvisionen mittelalterlicher Theologen stammen können. Ein Mithäftling, der sich als Zahnarzt ausgegeben hatte, musste für die Nazis Zahngold ziehen:

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"Man hatte ihm eine kleine Zahnzange und einen kleinen Spiegel gegeben, um den Toten in den Mund schauen zu können. Ich erinnere mich, dass er fast in Ohnmacht gefallen wäre, als er begriff, was er machen sollte. Anfangs, bei den ersten Leichen, arbeitete er ziemlich schnell. Er öffnete den Mund und zog die Goldzähne heraus. Aber nach einer gewissen Zeit wurde die Arbeit immer schwieriger, weil die Toten steif geworden waren und die Kiefer mit Gewalt geöffnet werden mussten."

Die ewigen Vergleiche von Auschwitz und Hölle rufen aber auch Kritiker auf den Plan, denn der Vergleich hinkt: "Im Inferno werden schließlich die 'Sünden' von den 'Schuldigen' gesühnt", schreibt Martin Walser. Aber ob Walser—Stichwort: Auschwitzkeule—in Sachen Auschwitz so ein guter Berater ist, sei mal dahingestellt.

Schlimmer als der Teufel in Person

Es ist gute Tradition, unbeliebte politische Führer mit dem Teufel zu vergleichen. Der damalige venezolanische Präsident Hugo Chávez hat einen Tag nach George W. Bushs Rede vor den UN 2006 vom Podium gesagt, er würde noch immer den Schwefelgeruch am Pult riechen, weil der Teufel gestern dort war. Bushs Widersacher Saddam Hussein bekam in South Park sein Fett weg, wo er als Satans eifersüchtiger Liebespartner (und später Ex-Freund) auftritt. Als Saddam dem Fürst der Finsternis zuviel wird, verbannt er ihn in den Himmel, wo er die Ewigkeit mit glücklichen Mormonen verbringen muss—was viel schlimmer ist als alle Höllenqualen zusammen.

So stellt sich Sandro Botticelli den Abgrund zur Hölle vor

Natürlich wurde auch Hitler, der Antichrist schlechthin, mit dem Satan verglichen. In dem amerikanischen Propagandastreifen The Devil with Hitler von 1942 wird er sogar als schlimmer als der Leibhaftige dargestellt. In dem Film muss der Teufel persönlich Hitler zu einer guten Tat vollführen, um seine Stellung als das absolut Böse und die Herrschaft über die Hölle zu verteidigen. Und so weit hergeholt ist das alles gar nicht: Die Zeppelintribüne auf dem Gelände des Nürnberger Reichsparteitags der NSDAP war dem Pergamonaltar nachempfunden, der in der Bibel als Thron des Satans beschrieben wird. Ironie der Geschichte? Das antike Pergamon galt den Christen als der Ort, an dem der Teufel hauste, weil es ein Sündenpfuhl von Heiden war, in dem rumgehurt und Götzendienst abgehalten wurde. Der Märtyrer Antipas wurde dort in einen glühenden Ochsen aus Eisen geworfen und verbrannt. Zweitausend Jahre später wurden in Nürnberg die Rassengesetze angenommen, die in letzter Konsequenz die Hölle von Auschwitz möglich machten.

"Die klimatischen Bedingungen in der Hölle sind sicherlich unerfreulich, aber die Gesellschaft dort wäre von Interesse", soll Oscar Wilde gesagt haben. Als Freund das mann-männlichen Analverkehrs wird er wohl gerade selbst ein Glas Schampus im Schwefelpool zu sich nehmen. Aber jenseits von religiösen Drohkulissen zeigt die Geschichte: Schlimmer als auf Erden kann es eigentlich eh nicht mehr werden. Denn die Hölle, das sind die Anderen—und damit wir.

Wenn du die Hölle als Spielwiese erkunden möchtest, dann hol dir ab 13. Mai das neue DOOM.