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The Weird Science Issue

Das unendliche Märchen

Die Perry-Rhodan-Serie ist der erfolgreichste Groschenroman der Welt und die am längsten kontinuierlich fortlaufend erzählte Geschichte aller Zeiten. Wir haben den Mann getroffen, der seit 13 Jahren die Schicksalsfäden unseres Helden im Weltall zieht...

Archivmaterial mit freundlicher Genehmigung vom Pabel-Moewig Verlag

Wir schreiben das Jahr 1971. Amerika schickt den ersten Mann zum Mond: Major Perry Rhodan. Dort tritt er mit einer außerirdischen Rasse in Kontakt, den Arkoniden. Ausgestattet mit deren überlegener Technik, kehrt er kurz darauf zur Erde zurück. Als mächtigster Mensch der Welt zwingt er die beiden Achsenmächte—Amerika und die Ostblockstaaten—dazu, sich unter seiner Führung zu einer globalen demokratischen Regierung zu vereinen. Als die „Dritte Macht“ läutet er das neue Zeitalter des Menschengeschlechts ein und führt es in eine ungewisse Zukunft, zu den Sternen. Auf seinen ersten Abstechern in die Unweiten des Alls erhält er die Unsterblichkeit und trifft auf die üblichen Sci-Fi-Gestalten: übermächtige Superintelligenzen, dreiäugige Riesenbestien und knuddelige Weltraum-Biber. Diese utopische Zukunftsvision wird seit September 1961 im wöchentlichen Rhythmus als Heftroman ununterbrochen weitererzählt. Die

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Perry-Rhodan-Serie ist der erfolgreichste Groschenroman der Welt und die am längsten kontinuierlich fortlaufend erzählte Geschichte aller Zeiten. Es handelt sich bei dieser Space-Opera nicht um einen US-Import, sondern um einen Heldenmythos made in Germany. Auch heute noch ist Perry Rhodan eine Metapher der Weltgeschichte und ein Heftchen über den großen Traum der Menschheit, das Weltall mit all seinen Wundern zu erfahren. Selbst die Mauer fiel 1989 im Perry-Universum. Angeblich reiner Zufall. Aber vielleicht erfüllte sich hier auch unbewußt und parallel zur Realität der kollektive Traum der Deutschen, genau wie bei der Voraussage der Mondlandung für 1971, welche dann tatsächlich schon 1969 stattfand. Wir haben den Mann getroffen, der seit 13 Jahren die Schicksalsfäden unseres Helden im Weltall zieht: Klaus N. Frick, Chefredakteur von Perry Rhodan. VICE: Wie sah Science-Fiction in Deutschland vor Perry Rhodan aus?
Klaus N. Frick: Science-Fiction in Deutschland gab es, wenn auch mit anderen Begrifflichkeiten, schon vor dem Krieg. Man ist bereits damals zum Mond geflogen, hat in der Vergangenheit gestöbert, nach Atlantis gesucht und kühnste technische Erfindungen gemacht. Der Heftroman mit Fortsetzungsgeschichte war ein gängiges Format, das es schon vor dem Ersten Weltkrieg gab. Die Autoren, die nach dem Krieg angefangen haben, haben auf diesem Fundament aufgebaut. In den späten 40ern hat man in Deutschland angefangen, Heftromane zu drucken, weil es kostengünstig war. Leute, die wenig Geld hatten, konnten nur Heftromane lesen. Das Taschenbuch kam erst um 1949/50 auf, mit Rowohlts Rotationsromanen [Romane, die aufgrund des Papiermangels in der Nachkriegszeit auf Zeitungspapier gedruckt wurden, Anm. d. Red.]. Davor gab es Heftromane für die armen Leute und gebundene Ausgaben für die gebildeten Stände.
 
In diesem Zuge ist dann auch Perry Rhodan entstanden?
Es gab relativ bald beliebte Autoren. Es gab Karl-Herbert Scheer, der 1948, mit Anfang 20, seinen ersten Roman Stern A funkt Hilfe veröffentlicht hat. Walter Ernsting kam erst 1950 aus der Kriegsgefangenschaft heim und wurde später Übersetzer. Diese beiden haben Mitte der 50er die Heftromanszene im Science-Fiction-Sektor dominiert. Der damalige Moewig-Verlagsleiter wollte eine Serie schaffen, in der die Geschichte der Menschheit in der Zukunft geschildert wird. Als Aufhänger nutzte man das damalige Ziel der Menschheit: die Mondlandung. Beide Autoren waren sehr unterschiedlich in ihrer Art zu schreiben und zu denken. Zusammen entwickelten sie im Frühjahr 1961 das Konzept für Perry Rhodan. Und was waren die Gegensätze zwischen Scheer und Ernsting?
Scheer war ein Action-Autor, da hat es gekracht. Er hat Seeräuberromane, Weltraum-Agenten-Romane und Krimis geschrieben. Scheer wäre im Krieg gerne ein großer Ingenieur gewesen und hat in seinen Romanen die technische Zukunft beschrieben. Ein handfester Science-Autor. Ernsting war ein Träumer. Ernsting hat mir in einem seiner letzten Interviews erzählt, dass er während seiner Kriegsgefangenschaft in Karaganda immer davon geträumt hat, zum Mond zu fliegen. Er war 1945 bis 1950 in Russland in Gefangenschaft. Und während er dort mit Lungenentzündung auf der Krankenstation lag, hat er sich den Flug zum Mond vorgestellt. Er verkörperte die Fiction. Er war Pazifist. In seinen Romanen treten wunderliche Außerirdische auf, es geht um die Unsterblichkeit und Superintelligenzen. Die Gegensätze der beiden Autoren haben dazu beigetragen, dass Perry Rhodan ein Erfolg wurde. Die Vision der Serie war, dass der Krieg auf der Erde endet, man die Unterschiede zwischen Rassen, Religionen und Völkern—all diesen Unfug—beiseite schiebt und die Menschen zusammenhalten.
 
Gibt es Gründe warum Perry Rhodan nie richtig international erfolgreich geworden ist?
Die Art, wie unsere Autoren die Geschichten erzählen, ist natürlich eine europäische. Der grundsätzliche Unterschied zeigt sich schon im ersten Band. Der erste Perry-Rhodan-Roman beginnt damit, dass Major Perry Rhodan, ein amerikanischer Held, zum Mond fliegt. Die letzte Szene des ersten Romans ist—und das wäre für amerikanische oder russische Science-Fiction in den 60ern undenkbar gewesen—dass Perry Rhodan sich die Schulterklappen herunterreißt und in den Staub wirft: Er desertiert. Der Held ist ein Dieb und Deserteur.
 
Was macht heute den Unterschied aus?
Heute ist der Unterschied das serielle Erzählen. Das serielle Erzählen mit zehn bis zwölf Autoren über Jahrzehnte hinweg hat im Ausland nie funktioniert. In den USA gab es einen einzigen Versuch, eine Science-Fiction-Romanserie mit einem Autorenteam zu kreieren: Wild Cards. Ich glaube aber, in Deutschland war ich der Einzige, der sie gekauft und gelesen hat (lacht). Auch wenn man heute das serielle Erzählen aus dem Fernsehen kennt, war Perry Rhodan über Jahrzehnte hinweg die einzige Romanserie, bei der es funktioniert hat. In der klassischen Science-Fiction werden ja sozialkritische oder gesellschaftliche Fragen aufgeworfen. Gibt es auch eine Frage, die in Perry Rhodan gestellt wird?
Dass die klassische Science-Fiction gesellschaftliche Fragen aufwirft, wäre mir neu. Das war in der Mehrheit der Science-Fiction bis in die 70er Jahre hinein ein Randthema. Wahrscheinlich haben Sie die besseren Romane gelesen, in denen solche Themen vorkamen. Die Mehrheit war eher auf Abenteuer orientiert. Science-Fiction war früher eine Ideen-Literatur. Es ging darum, eine möglichst originelle Idee zu haben und diese in einer Geschichte zu erzählen.
 
Perry Rhodan ist also nur ein Abenteuerroman und kann sich nicht zur gehobenen Literatur zählen?
(lacht) Perry Rhodan ist in erster Linie Unterhaltungsliteratur, ganz klar. Wir schreiben eine abenteuerliche Science-Fiction, wo jede Woche auch etwas passieren muss. Im Rahmen des Gesamtzusammenhangs bringen wir immer wieder Themen ein, aber ohne den erhobenen Zeigefinger. Hier ist die Serie ein Spiegelbild ihrer Zeit. Beispielsweise Mitte der 70er Jahre, als die Serie stark im Umbruch war, gab es eine Handlungsepisode von 50 Romanen, in denen eine Menschheit ohne Liebe präsentiert wurde. Es wurde eine Gesellschaft geschildert, die strikt nach kapitalistischer Logik funktioniert. Behinderte wurden abgeschoben, alte Menschen kamen in Stummhäuser. In den 80er Jahren war die Serie sehr stark auf einem Peace-and-Love-Trip. Perry Rhodan war öko-sozial. In den 90er Jahren haben wir bewusst gesagt, wir spiegeln die Entwicklung der Welt wider. Wir haben den Jugoslawien-Krieg als Anlass genommen, um in Perry Rhodan darüber nachzudenken, wie Krieg und Frieden in einem Universum funktionieren könnten, in dem Hunderttausende von Planeten existieren. Wie würde Perry Rhodan den Frieden durchsetzen. Müsste er verhandeln, müsste er mit einer Kriegsflotte kommen. Was macht Perry Rhodan, wenn zwei Planeten in der Nachbarschaft der Erde im Krieg liegen? Im Prinzip haben wir den Jugoslawienkonflikt in unserer Serie gespiegelt.
 
Reale Ereignisse hatten also direkten Einfluss auf die Serie?
Immer, das passiert auch in diesen Tagen.
 
Ich hab gehört die Mauer wäre in Perry Rhodan 1989 auch gefallen?
Das war aber wirklich Zufall. Es gab einen Handlungszyklus, in dem die Milchstraße mit einer Energiemauer umgeben war, und die fiel tatsächlich genau in dem Moment, als die Mauer bei uns gefallen ist.
  Karl-Herbert Scheer (rechts) und Walter Ernsting, 1961

Sind Fortsetzungs-Heftromane heute noch zeitgemäß?
Ich glaube insofern ja, dass der Perry-Rhodan-Leser von heute kein Jugendlicher mehr ist. Er ist zwischen 40 und 50, größtenteils männlich und technisch orientiert. Die Leute haben Geld, es geht bei dem Kauf des Romans nicht darum, zu sparen. Aber wenn ich mit Lesern spreche, höre ich oft, dass sie ganz froh sind, nicht mehr als einen kurzen Roman pro Woche lesen zu müssen, weil sie häufig sehr wenig Freizeit haben.
 
Haben Sie keine Angst, dass Ihnen die Leser wegsterben?
Wie alle Zeitschriften im Handel haben wir das Problem, dass die Auflagen zurückgehen. Wir sehen natürlich eines. Der Heftroman ist für junge Leser heute nicht mehr so attraktiv wie bis in die 80er Jahre hinein. Typisches Einstiegsalter war früher zwischen 13 und 14. Bis Mitte der 80er hatten wir in Deutschland nur zwei Fernsehprogramme. Das Programm begann um 16 Uhr und endete um 22 Uhr. Man war also darauf angewiesen zu lesen. Wenn man als Jugendlicher in den 70ern abends was machen wollte und auf dem Dorf lebte, dann musste man lesen, oder Brettspiele mit der Oma spielen. Das änderte sich massiv Mitte der 80er Jahre. Der erste Medienschock für uns war die Einführung des Kabelfernsehens 1986. Dann kamen Computerspiele, Handys, das Web 2.0 und so weiter.
 
Hat sich das auf den Verkauf von Perry-Rhodan-Romanen ausgewirkt?
Auf Heftromane allgemein, zwischen 1986 und 1992 ist der Heftroman-Markt in Deutschland brachial geschrumpft. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es nur noch drei Verlage, die Heftromane rausbringen. Wenn heute jemand 15 Jahre alt ist, kann ich sogar gut nachvollziehen, wenn er sagt: „Es gibt so viel Spannendes, warum sollte ich die Zeit mit einem Buch vertrödeln!“
 
Wie sind Sie zu Science-Fiction und Perry Rhodan gekommen?
Als Kind habe ich Comics gelesen und Star Trek geschaut. Wir haben mit den Kindern im Nachbargarten Raumschiff Enterprise gespielt. Als 13-jähriger habe ich angefangen, Perry Rhodan zu lesen. Ich war ein schrecklich aktiver Fan.
 
War Perry Rhodan Ihr erster Kontakt mit Science-Fiction?
Der erste bewusste. Ich habe natürlich später auch andere Science-Fiction gelesen, bin aber trotz aller „anspruchsvoller“ Science-Fiction meiner Perry-Rhodan-Serie immer treu geblieben. In den 80er Jahren galt es als unfein, Perry Rhodan zu lesen, weil die Reihe als schundig galt. Ich habe trotzdem immer weiter­gelesen und finde auch heute noch, dass Perry Rhodan lesen etwas völlig Vernünftiges ist. Ich habe nie verstanden, warum es Leute gibt, die sich der Heftromane schämen. Für mich gibt es keinen Widerspruch zwischen der „anspruchsvollen“ und der „Heft“-Science-Fiction. Wie sind Sie Chefredakteur von Perry Rhodan geworden?
Nachdem ich Perry-Fan geworden bin, fing ich an, Kurzgeschichten zu schreiben, und 1979 brachte ich ein Fanzine über Science-Fiction und Fantasy raus. In den 80ern war mein Fanzine ziemlich erfolgreich: Wir waren in Farbe und am Kiosk erhältlich. Darüber bekam ich viele Kontakte zu Verlagen und man kannte man mich im Pabel-Moewig Verlag und wusste von meiner Redaktionserfahrung. Und 1992, als der Chefredakteur in der Karriereleiter aufstieg und zeitgleich der Lektor gestorben war, hat man sich an mich erinnert. Ich war zuerst Lektor und Redakteur. Dann Redaktionsleiter und seit 1999 Chefredakteur.
 
Was macht für Sie die Faszination Perry Rhodan aus?
Perry Rhodan ist die größte Geschichte, die die Welt zu bieten hat. Perry Rhodan lebt von dem Lindenstraßen-Effekt. Es besteht aus ganz vielen kleinen Mosaiksteinchen, jeder Roman ist ein Mosaiksteinchen. In jedem Roman wird eine komplette Geschichte erzählt, die im Idealfall spannend und unterhaltsam ist. Dann stellt man fest, der Roman steht im Zusammenhang mit anderen Romanen und entdeckt ein ganzes Universum. Und dann passiert das, was seit Jahrzehnten das Erfolgsrezept ist: Es macht nichts, wenn einem zwischendurch ein Roman nicht gefällt. Ich hatte früher auch Lieblingsautoren. Und bei anderen Autoren musste ich mich durchquälen, weil ich sie schlecht fand. Aber ich wusste, nächste Woche kommt wieder einer von meinen Lieblingen. Da es aber eine Fortsetzungsserie ist, musste ich sie trotzdem alle lesen. Das ist bis heute das Erfolgsrezept.
 
Perry Rhodan wird gerne als Space-Opera bezeichnet, was ist denn das eigentlich?
Space-Opera ist ein Uraltbegriff, der ist bei Perry Rhodan gar nicht so falsch. Der Begriff leitet sich von den Fernsehserien der 20er Jahre ab. Da gab es die Horse-Opera, quasi die Western­geschichten, und die Soap-Opera. Man hat für die groß angelegten Science-Fiction-Geschichten den Begriff Space-Opera besetzt. Damit meinte man Geschichten, in denen es darum geht, dass große Raumschiffe ins All vorstoßen. Im Gegensatz zur Inner-Space-Literatur, wo es um die Veränderung des Menschen, oder zur Social-Fiction, wo es um gesellschaftliche Themen geht.
 
Vor allem in den Anfängen von Perry Rhodan wurde das Heft gerne als Landser-Geschichte im Weltall bezeichnet.
Da ist insofern was dran, als dass es in den frühen Perry-Rhodan-Romanen, gerade in den ersten 500, um Weltraum-Action geht. Heute würde man Military-Science-Fiction dazu sagen. Raumschlachten waren vorherrschend, Kommandoeinsätze von terranischen Agenten und Soldaten.
 
Es gibt den Vorwurf, dass in der Reihe Krieg verherrlicht wird.
Da würde ich widersprechen, das ist unser heutiger Blick. Wenn man sich ansieht, wie Unterhaltungsliteratur wie James Bond in den 60ern funktionierte, sieht man, dass sie viel stärker das Heldische betonte. Bis weit in die 70er Jahre waren gebrochene Helden und graue Charaktere unüblich. Und vor allem in gedruckten Heftromanen auch ungern gesehen. Die Bundesprüfstelle hat damals ausdrücklich graue Charaktere verboten. Sie könnten ja eine sozial-ethische Verwirrung des jungen Lesers mit sich bringen.

Wurden Heftromane in den 60ern wirklich zensiert?
Es gab ja in den 50ern und 60ern den Kampf gegen die sogenannte „Schundliteratur“ und da musste man aufpassen: Die Helden hatten gut auszusehen und gut zu sein. Und die Bösen hatten sich böse zu verhalten.
 
Hat sich Perry Rhodan an diese Vorgaben angepasst oder hat man auch versucht auszubrechen?
Man kann sich das wohl nicht wie eine Zensurbehörde vorstellen. Die Autoren waren sowieso vom Zeitgeist geprägt. Frauen hatten damals in Fernsehserien und Romanen eine ganz eindeutige Rolle, wie man sie heute nicht mehr präsentieren würde. Bei Perry Rhodan, wie auch bei vielen Unterhaltungsserien dieser Zeit, ging es vorrangig um Action und nicht um charakterliche Tiefe. Das hätten die Leser damals gar nicht gewollt. Und wie ist das Frauenbild von Perry Rhodan heute?
Wir versuchen, selbstbewusste Frauen zu schildern, die—schönes Sprachklischee—ihren Mann stehen. Ich weiß aber, dass wir mit guten weiblichen Charakteren Probleme haben. Was natürlich damit zu tun hat, dass wir zu wenige weibliche Autoren haben. Man merkt natürlich, wenn neun Männer und nur eine Frau eine Serie schreiben. Wenn ich die Zusammenfassung der ersten Perry-Rhodan-Bände lese, da wird von einem glorifizierten Helden gesprochen, der die Menschheit vereint und die Dritte Macht gründet. Das hört sich für mich schon nach einer Verherrlichung des Dritten Reiches an.
Das kommt aber nur von der Begrifflichkeit Dritte Macht.
 
So etwas wählt man, vor allem als Deutscher, aber doch bewusst?
Perry Rhodan war für viele Leser damals eine Er­mächti­gungsfantasie. Man hat sich vorgestellt: Was würde ich machen, wenn ich in dieser Position wäre. Und auf diese Ermächtigungsphantasie haben die Autoren versucht aufzubauen: Ich würde versuchen eine Dritte Macht zwischen dem Osten und Westen zu platzieren. Ich würde dafür sorgen, dass die Menschheit unter meiner Führung vereinigt wird, damit wir gemeinsam ins All vorstoßen können.
 
Ähnelt das nicht auch einigen der Versprechen des Dritten Reiches?
Wenn jemand unverdächtig war, rechts zu sein, dann war es Ernsting. Ernsting stand vorm Kriegsgericht, er war Nazigegner. Der kam aus dem Krieg zurück und wollte von diesem ganzen Dreck nichts mehr wissen. Und Scheer hat seine Jugend damit verbracht, Bombenopfer in Frankfurt auszubuddeln. Ich glaub, die waren beide bedient. Insofern tue ich mich schwer, da einen Vergleich herzustellen.
 
Viele Wörter sind in Deutschland vorbelastet oder rufen sofort bestimmte Assoziationen hervor.
Ja, diese Assoziation mit dem Dritten Reich und der Dritten Macht würde man heute nicht mehr wählen. Die Sprache war damals generell anders, man hat in dieser Zeit auch ganz selbstverständlich von Rasse gesprochen. Man hat den Jargon des Dritten Reiches in Deutschland oftmals eins zu eins übernommen, in der Umgangssprache und in den Romanen. Das sind Dinge, die einem heute absolut absurd vorkommen. Insofern haben sich die Autoren damals gesellschaftlich und sprachlich in einem Umfeld bewegt, das auch mir heute fremd vorkommt. Wir verzichten heute bei Perry Rhodan Neo auf solche Begrifflichkeiten. Die Dritte Macht kommt bei uns natürlich nicht vor. Es gibt einfach nur die Terranische Union. Wenn wir die Serie heute neu erzählen, erzählen wir sie immer mit unseren heutigen sprachlichen Mitteln und Ideen. Das dürfte aber auch daran liegen, dass es heute die Ostblock-Staaten und Amerika als gegenpolare Weltmächte nicht mehr gibt, richtig?
Ja, da merkt man bei den Anfängen einfach, das Perry Rhodan eine eindeutig deutsche Geschichte ist. Man stellte sich damals vor, auf der einen Seite Westdeutschland, auf der anderen Ostdeutschland, beide hochgerüstet bis auf die Zähne. Da brauchte man eine Dritte Macht, um das zu lösen. Man glaubt nicht daran, dass die Menschheit ihr Problem von innen heraus löst?
Nein, der Grundgedanke der Autoren damals war, man braucht jemanden von außen, der die Menschheit zwingt sich zu vereinen.

Fotos: Jörg Koopman