FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Ein Fake-Psy verarscht reiche Kinder auf der Fashion Week

Wir begleiteten den falschen Psy auf eine Fashion-Week-Party und stellten fest, dass der Promikult Leute wirklich blind und vielleicht sogar ein bisschen rassistisch macht.

Letztes Jahr ging ein französisch-koreanischer Typ namens Denis Carre nach Cannes und wurde überall, wo er auftauchte, für Psy gehalten. Denis trug zwar die Sonnenbrille aus dem „Gangnam Style“-Video, aber der Clip wurde ungefähr zwei Milliarden Mal angesehen. Man sollte meinen, dass die Leute in der Lage wären, zwischen dem echten Psy und einem etwas rundlich aussehenden französisch-koreanischen Mann im Anzug und schwarzer Ray-Ban-Brille zu unterscheiden. Macht der Promikult die Leute wirklich so blind? Und vielleicht sogar ein bisschen rassistisch? Oder wollten die Leute einfach glauben, dass sie dem berühmtesten YouTube-Gesicht aller Zeiten gegenüberstanden? Denis ist ein Freund von mir und ich habe ihn letztes Jahr auf die Fashion Week begleitet, um die ganze Sache zu fotografieren. Dabei erlebte ich—neben anderen surrealen Momenten—, wie ihm Clubbesitzer Geldbündel für einen Auftritt entgegenstreckten und wie ihm Geschäftsführer von Autohäusern Schlüssel für Sportwagen geben wollten, „weil es so cool wäre, ihn fahren zu sehen“. Ein Jahr später gingen wir wieder auf eine Fashion-Week-Party, um herauszufinden, ob die Leute noch immer so begeistert davon sein würden, Denis im Anzug zu sehen.

Anzeige

Den Kommentaren in Zeitungen und Zeitschriften zufolge ähnelt die kulturelle Aufmerksamkeit unserer Generation einem endlosen Vine-Loop, in dem Leuten Sahne ins Gesicht geklatscht wird. Deshalb dachten wir, dass es vielleicht schon wieder in Vergessenheit geraten sei, wer Psy war oder warum man sich jemals für ihn interessiert hatte. Um den Leuten auf die Sprünge zu helfen, hatten wir ein paar Sticker, T-Shirts und Abzieh-Tattoos mit der Aufschrift „DO ME GANGNAM STYLE“ mitgebracht. Das stellte sich jedoch als Geldverschwendung heraus. Die meisten Leute scheinen globale Epidemien, die unsere Populärkultur befallen, ein ganzes Jahr lang im Gedächtnis zu behalten.

Nachdem die Vorarbeit (der Versuch, Moderedakteurinnen davon zu überzeugen, ihre 1000-Euro-Balenciagas mit „Gangnam Style“-Stickern zu bekleben) geleistet war, kam Denis, flankiert von massenhaft blitzenden Kameras, und posierte für Fotos mit diesen beiden Damen. Alle fingen an, auf ihn zu zeigen, offensichtlich begeistert davon, in einem Raum mit einem Südkoreaner zu sein.

Dieser Security ergriff die Initiative und geleitete Denis und die Models in den Club. Zu diesem Zeitpunkt war die ganze Aktion irgendetwas zwischen lustig und deprimierend. Natürlich war es irgendwie witzig, dass die Leute Denis für Psy hielten, aber es war auch deprimierend, weil die einzige Gemeinsamkeit in ihrem asiatischen Aussehen und der Tatsache, dass sie drinnen gern Sonnenbrillen tragen, besteht.

Anzeige

Denis wurde direkt zum VIP-Bereich weitergeleitet, wo viele Leute mit ihm für Fotos posierten und dabei vergeblich versuchten, den „Gangnam Style“ nachzuahmen. Irgendwie taten sie mir leid, aber es wird einfach nie langweilig, schöne Menschen dabei zu beobachten, wie sie sich blamieren.

Eine Nebenbemerkung: In Clubs in Barcelona eine Sonnenbrille zu tragen, macht dich offenbar mit todsicherer Wahrscheinlichkeit zu einem Ladykiller. Schau dir das an! Und dann schau dir an, was passiert, wenn du keine Sonnenbrille trägst.

Während der Security-Typ damit beschäftigt war, mit Pommesgabel vor den Kameras zu posieren, bestellte der Typ auf der rechten Seite ein paar Flaschen Champagner für den Tisch. Das war der Punkt, an dem die ganze Sache etwas dubios wurde. Trinkt man den Alkohol, den jemand für dich gekauft hat, nur weil der denkt, dass man den Tanz erfunden hat, der auf der Hochzeit seines Onkels aufgeführt wurde? Oder beichtet man die ganze Sache und bestellt sich eine eigene Flasche billigen Prosecco? Am Ende sagten wir gar nichts, da es wahrscheinlich noch demütigender für den Typen gewesen wäre, wenn jeder mitbekommen hätte, dass er irgendeinen dahergelaufenen Typen in einem Anzug mit jemandem verwechselt hat, der die letzten eineinhalb Jahre überall in den Medien präsent war.

Aber im Grunde lief dieses ganze Nummer recht gut für Denis. Egal, wo er war, ihm wurde Champagner für lau angeboten—das passiert ganz automatisch, wenn man ein wenig wie eine Berühmtheit aussieht und mit Besoffenen herumhängt. Seine „Leber ist im Arsch“, deshalb gab er meistens nur vor zu trinken oder stand mit seinem Glas Wasauchimmer in der Hand herum.

Anzeige

Wir entschlossen uns dazu, den ersten Club zu verlassen, da das Gerücht die Runde machte, dass Pierre Sarkozy— der Sohn von Nicolas—irgendwo am Ende der Straße als DJ auftrat und wir alle wissen, dass es keine bessere Party geben kann als eine, auf der der Filius eines früheren Staatschefs den Soundtrack liefert. Bevor wir aufbrachen, begann die Masse, die nicht reingelassen wurde, Fotos zu machen und ununterbrochen den „Gangnam Style“ aufzuführen, während uns alle angrinsten.

Uuuuuuund hier ist Denis neben Pierre Sarkozy. Er war sehr aufgeregt, dass er neben einem südkoreanischen Mann stehen durfte, dem ein „Gangnam Style“-Sticker auf der Brust prangte. Das Verrückte an der ganzen Sache war, dass Denis die gleiche Show am exakt selben Ort durchgezogen hat und das bereits seine Runden im Internet drehte. Trotz allem fragte sich in diesem Jahr niemand, ob dass diesmal nun auch wirklich der richtige Typ war. Sie geleiteten ihn einfach direkt in die VIP-Bereiche, kauften ihm flaschenweise Champagner und wollten mit ihm fotografiert werden.

Dann legte Pierre „Gangnam Style“ auf und Denis wurde auf die Bühne gezwungen, wo er dann sein Shirt ablegte und umhertanzte. Er hat nicht wirklich den Tanz aufgeführt, er brachte einfach nur eine sehr mittelmäßige Imitation eines Typens, der ein Pferd reitet. Aber auch das kümmerte niemanden, da alle zu beschäftigt waren, ihre Telefone auf ihn zu richten. So oder so war das die Kulmination der Nacht. Ein gesamter Raum voller Leute, die einen Mann anbeteten, der nur entfernt wie Psy aussieht. Und das auch nur, wenn er die exakt gleiche Kleidung wie der Musiker trägt.

Ich habe noch nie so viele Leute gesehen, die wegen so wenig so aufgeregt waren. So stelle ich mir das Publikum bei den Beatles 1964 vor. Vielleicht war es der Alkohol, vielleicht war es die Aufregung, jemanden zu sehen, von dem sie dachten, er sei berühmt, vielleicht ist das alles auch schon so lange her, dass die Leute sich nicht mehr an das Gesicht von Psy erinnern oder vielleicht sind sie alle ein wenig rassistisch veranlagt, doch knapp 800 Menschen waren felsenfest davon überzeugt, dass der Mann vor ihnen Psy war. Man stelle sich nur vor, wie diese Leute am nächsten Tag ihre Fotos betrachteten. Vielleicht fiel ihnen nüchtern auf, dass das nicht der echte Typ war. Vielleicht aber auch nicht. Aber was macht das auch für einen Unterschied? Sie dachten, sie würden einen Promi sehen und waren deshalb begeistert. Am Ende bekam also jeder das, was er wollte, und Denis konnte eine Menge Champagner trinken. Bis zum nächsten Jahr Barcelona!