„I have no problem to die here!“—Die gewaltsame Räumung der Berliner Flüchtlinge

FYI.

This story is over 5 years old.

News

„I have no problem to die here!“—Die gewaltsame Räumung der Berliner Flüchtlinge

Nach einer Woche Besetzung hat die DGB sich entschlossen, den Flüchtlingen ein Ultimatum zu stellen. Die hatten sich aber mit Eisenketten aneinander gekettet.

„We are not criminals! I have no problem to die here!" schreit einer der 25 Flüchtlinge die circa 30 Polizisten in Kampfmontur und Helm ihm gegenüber an. Um den Hals trägt er eine schwere Eisenkette.

Er ist Teil der Gruppe, die heute morgen gewaltsam aus dem Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin Schöneberg geräumt wurde, das sie seit nunmehr einer Woche besetzt hatten.

Zur Räumung rückte die Polizei mit einem Großaufgebot von 200 mit Rammböcken und Bolzenschneidern ausgerüsteten Polizisten an. Teile der Flüchtlinge hatten sich mit Eisenketten am Hals zusammengekettet, auf der Treppe verschanzt und gedroht sich zu strangulieren, wenn sie gewaltsam entfernt würden.

Anzeige

Die Polizisten versuchten mit aller Gewalt, die Eisenketten zu durchtrennen, wurden jedoch durch starke Gegenwehr immer wieder unterbrochen und musste innehalten. Nach und nach wurden die nicht angeketteten Unterstützer mit Schmerzgriffen von der Treppe entfernt. Bei dem Versuch, weitere Ketten zu durchtrennen, geriet der Pulk von Flüchtlingen und Polizisten ins Fallen und endete vor dem Treppenaufgang. Nach einem kurzen Handgemenge blieb nur ein Flüchtling, der scheinbar sein Bewusstsein verloren hatte, auf dem Boden zurück. Ein weiterer wurde mit blutender Nase vom Polizeiarzt behandelt.

Gegen 11:20 war das Gebäude geräumt. Das Ergebnis: zwei Verletzte, einer davon wurde ins Krankenhaus gebracht, Anzeigen wegen massiven Widerstands und Hausfriedensbruchs für alle beteiligten Flüchtlinge. Stefan Redlich, der Sprecher der Berliner Polizei, stufte die Aktion trotzdem als korrekt ein. „Es war eine hochemotionale Stimmung, und ich denke, dass ist auch Teil einer Inszenierung für die Medien", sagte er mir. „Jetzt stehen die Flüchtlinge hinterm Haus und unterhalten sich."

Das vernichtendste Zeugnis, dass sich eine Gewerkschaft selbst ausstellen kann. #DGB #Refugeestruggle pic.twitter.com/tF01F7liDV

- Rosa (@questionatic) 2. Oktober 2014

Die Besetzer waren Flüchtlinge, die zuvor auch Teil des Hungerstreiks am Brandenburger Tor und der Besetzung des Fernsehturms waren. Ihre Forderungen an den DGB waren einfach: Gespräche mit einem Flüchtlingsverantwortlichen der Gewerkschaftsdachverbandes-und das Recht auf Arbeit. Außerdem sollte ein Kontakt zu Berliner Senatsverantwortlichen aufgebaut werden.

Anzeige

„Egal, wo wir hingehen, wir werden wie Tiere behandelt", wandte sich ein 21-jähriger Flüchtling direkt an den DGB-Pressesprecher Dieter Pienkny während der ersten Krisensitzung im Foyer am vergangenen Donnerstag. „Niemand scheint für uns verantwortlich zu sein. Wir sind hier, um eine Lösung zu finden. Ihr wisst nichts über unseren Kampf, deshalb ist es einfacher, wenn wir direkt vor euch stehen.

Pienkny machte jedoch relativ schnell deutlich, dass eine Besetzung des Gebäudes über einen langen Zeitraum keinen Sinn mache und auch nicht unbedingt förderlich für die Verhandlungen sein würde. Letztendlich wurde es dennoch eine Woche.

Lange hielt sich der DGB zurück, war bereit für Gespräche und schickte am ersten Tag die schon  angerückte Polizei wieder weg. Laut DGB wurde den Flüchtlingen einen Kontakt zu einem Mitglied des deutschen Bundestags ermöglicht, auch bei der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten wollten sie behilflich sein. Je länger die Besetzung dauerte, desto mehr sank die Toleranz des DGB.

Der @dgb_news. Die Vertretung der DEUTSCHEN Arbeiterklasse. #refugeestruggle

- Oliver Höfinghoff (@Riotbuddha) 2. Oktober 2014

Laut einer Pressemitteilung des Gewerkschaftsbundes wurden viele Beschäftigte im Haus an die „Grenze der Belastbarkeit gebracht" und die politische Gewerkschaftsarbeit durch die Besetzung „empfindlich gestört". Deswegen entschloss man sich schließlich dazu, den Besetzern ein Ultimatum zu stellen. Der DGB sieht sich nun mit scharfer Kritik konfrontiert-auch, weil anscheinend gegen einige Flüchtlinge Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch gestellt wurden.

Anzeige