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Die VICE-Top-11 der Bundesliga

Bundesliga-Listen sind meistens langweilig. Wir haben für euch die Spieler zusammengestellt, die diese Saison wirklich geprägt haben: die Geisterfahrer, die Verrückten und die Dicken.

Die Bundesligasaison, inklusive DFB-Pokal und der letzten Relegationsspiele, ist schon wieder vorbei, und was sie uns zurücklässt ist: Sehnsucht. Nach echten Emotionen, echter Spannung, echter Leidenschaft und echten persönlichen Schicksalen—und vor allem nach echtem Fußball. Rein sportlich betrachtet war schon recht früh klar, welches Vereinsheim sich auch dieses Jahr wieder mit der Meisterschale schmücken würde. Guardiolas Bayern walzten ab Spieltag 1 alles gnadenlos nieder, das Umfeld des HSV tat mal wieder alles für den ersten Abstieg, und Augsburg ist irgendwie doch ganz geil. Für Spannung gesorgt hat eigentlich nur Uli Hoeneß mit seiner Steuerzauberei. Das Titelrennen war so früh vorbei, dass wir es alle kaum erwarten können, dass unsere Sehnsüchte wenigstens bei der WM gestillt werden.

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Trotzdem wollen wir noch einmal einen Blick zurück auf die Saison werfen und die herausragenden Spielerpersönlichkeiten dieser Spielzeit küren. Normalerweise werden die von den einschlägigen Fachmedien in schrecklich bürokratisierten Auswahlverfahren mit viel Thermoskannenkaffee und Plundergebäck gewählt. Trotzdem liegen sie meistens daneben, und deshalb habe ich nach den wahren Protagonisten dieser Saison gesucht: den Spielern, die auf- und abseits des Platzes die Musik machten, oder eben nicht. Die uns eindrucksvoll aufzeigten, dass es in kaum einem Geschäft eine höhere Fallhöhe gibt als im Fußballzirkus. Und die die kleinen Nuancen setzten, die diese Saison anders machten als die letzte.

Torwart: Tim Wiese

„Wenn man mir das Maul stopfen will, dann muss man früher aufstehen“, sagte Tim Wiese, die wandelnde Selbstbräunertube, einst. Doch dieser Tage steht eventuell der ein oder andere Hartz-IV-Empfänger früher auf als der Hüter der gepflegtesten Speckmatte der Nation. Wer es hinkriegt, in zwei Jahren ganze zehn Bundesligaspiele zu absolvieren und dabei 3,5 Millionen pro Saison einzustreichen, dem muss man aber immerhin gratulieren. Was hat er sich mit dem Wechsel nach Sinsheim bloß eingebrockt? Laut eigener Aussage Wunschtorwart von Jose Mourinho bei Real Madrid, aber dann trotzdem zu 1899 gewechselt? Inzwischen ist selbst die berüchtigte Trainingsgruppe II, die ihn ab und zu auf den Platz gebracht hat, verbannt. Zur Imagepflege betreibt er immerhin sein sehr sehenswertes Webportal tim-wiese.de und beglückt uns regelmäßig mit detailreichen und sorgsam ausgewählten Juwelen aus seinem Kleiderschrank.

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Rechter Verteidiger: Kevin Großkreutz (BVB)

Der Kevin will doch eigentlich nur spielen. Ob rechts, ob links, hinten oder vorne, „90 Minuten Gras fressen“ ist immer drin. Wenn auch im Oberstübchen recht statisch aufgestellt, bringt er physisch alles mit, um 34 Spieltage auf und ab zu hetzen wie ein Rauhaardackel auf Speed. Er ist einer wie Gattuso—geliebt von den eigenen Fans, gehasst von dem Rest. Hat sich den Sprung auf den WM-Zug aber redlich erkämpft. Bleibt nur zu hoffen, dass die kleine Nervensäge in Jogis harmoniebedürftiger Truppe nicht ständig Raufereien mit den Bubis aus Herne-West anzettelt. Mit der nicht immer vorteilhaften Eigenschaft, immer das zu sagen, was ihm gerade durch den Kopf schwirrt, pfeift der Kevin auf die Volkshochschul-Rhetorikseminare, die sein Berater ihm zu verschreiben versucht. Mehr davon! Zuviel gute Stimmung kann auch schaden.

Innenverteidiger: Marcel Correia (Eintracht Braunschweig)

Nach Hinrundenverletzung wieder mühsam zurück in den Kader gekämpft und seit der Rückrunde absolute Defensivkonstante im aufopferungsvollen Braunschweiger Abstiegskampf. Dann kommt DAS Spiel der Saison. Im Falle vom vergleichsweise überschaubar talentierten Correia wohl eher das Spiel der Karriere. Sogar gegen verhältnismäßig kriselnde Bayern—da könnte doch eventuell was gehen? Anstatt gründlich ausgeschlafen mit seinen hungrigen Kollegen morgens Nutella-Brote zu essen, verpennt Correia das Mannschaftsfrühstück. Vermutlich abends zu lange mit Kollege Bellarabi Mau-Mau gezockt und mit Erdnüssen aus der Minibar vollgestopft. Die knappe Niederlage darf er sich also von der Tribüne anschauen … Zum Trost darf er nächstes Jahr sein Talent an Wochenenden in Sandhausen, Aue und Heidenheim zeigen.

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Innenverteidiger: Daniel van Buyten

Ein Fußballer, wie er untypischer selten daher kommt. Eine Athletik wie Hulk Hogan, aber so unbeweglich wie ein Torpfosten. Kämpfer, Leader, Kopfballungeheuer—so was wie der Ralph Möller des FC Bayern. In den letzten Jahren nur noch Teilzeitkraft in München, war van Buyten primär als Vaterfigur für die Bespaßung des schmollenden Franck Ribéry zuständig. Manch einer behauptet gar, dass er einzig aus diesem Grund so lange an der Säbener Straße bleiben durfte. Nach acht Jahren Bayern ist seine Hüfte nun vollends versteinert. Der Sohn eines Showcatchers auf dem Hamburger Dom ist nun auf der Suche nach dem letzten Vertrag seiner Karriere—für den Effzeh könnte es durchaus noch reichen.

Linksverteidiger: Levan Kobiashvili

Ein weiterer Zeitzeuge glorreicher Bundesliga-Historie verlässt uns. Nach 16 Jahren Bundesliga und 351 Spielen hängt Levan endgültig die Schuhe an den Nagel. Freiburg, Schalke, Hertha, und „sogar die Bayern waren mal dran“, wird er vor seinen Enkeln irgendwann mal behaupten können. Endlich ist Zeit für Bootsführerschein, Angeln und einfach mal die Seele baumeln lassen. Tim Wiese hat vielleicht noch Platz vor der Playstation. Legendär war die georgische „Willi“-Connection aus Freiburger Tagen, in die sich unfreiwillig auch noch der deutsche U21 Nationalspieler Tobias Willi gesellte. Typ zuverlässiger Musterprofi, der abgesehen von einer über 7-monatigen Rekordstrafe für Schiedsrichterkloppe nach den Relegationsspielen 2012 eigentlich ein sehr friedfertiger Geselle ist. Nun als Politiker in Georgien im Gespräch—das hat mit Seele baumeln lassen eher weniger zu tun.

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Rechtes Mittelfeld: Ronny (Hertha BSC)

Der Brasilianer mit dem linken Huf eines Brauereipferds war mit 32 Scorerpunkten letztes Jahr noch Herthas Aufstiegsgarant. Keiner hämmert die Pille schöner ins Kreuzeck. Doch in der Sommerpause hat er offensichtlich zu viel Zeit auf Ailtons Ranch verbracht und den einen oder anderen Caipirinha zu viel geschlürft. Seitdem trabt er im Training hinterher wie ein pummliges Shetlandpony und wird die überschüssigen Pfunde einfach nicht los. Wenn er dann allerdings mal den Ball trifft, scheppert’s von Berlin bis Freiburg! Fazit: Für 5 Meter Anlauf reicht die Fitness allemal, für die erste Elf leider nur hier.

Zentrales Mittelfeld: Philipp Lahm (FC Bayern)

Endlich erntet der kleine Phipsi die Früchte seiner jahrelangen harten Arbeit—die gesamte Fußballwelt liegt im zu Füßen. Sein Coach Pep Guardiola kann sich an dem sympathischen kleinen Mann aus München-Gern gar nicht satt loben, und Lahm genießt die steigenden Sympathiewerte mehr denn je. Auch aufgrund seiner Vielseitigkeit auf dem Platz gilt er gemeinhin als der intelligenteste Mensch der Welt, der gefühlte 2cm über der Grasnarbe die Fäden im Spiel des Rekordmeisters und in Jogis weißem Ballett zieht. Der bekennende Rainhard-Fendrich-Fan ist das Gegenteil des typischen Fußball-Stars—keine Frau will mit ihm schlafen, und kein Mann wirklich so sein wie er—trotzdem ist der Phipsi der niedlichste Kapitän, den die Bayern und die Nationalmannschaft jemals hatten.

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Zentrales Mittelfeld: Rafael van der Vaart (HSV)

Der kleine Engel kann auch anders—das wissen wir nicht erst seit seiner Duftmarke auf der holländischen Bank vor ein paar Jahren. Auf dem Platz nach gutem Start ist er eher durchwachsen unterwegs, angesteckt von der geballten Inkompetenz beim immer noch letzten Dino der Liga. Dazu die bittere Erkenntnis, vom 20-jährigen Neuzugang aus der zweiten Liga den Rang als Zauberfuß der Truppe abgelaufen zu bekommen—ein herber Tiefschlag für van der Vaart. Auch wenn er im Sportteil nicht mehr vorkommt, ist ihm immerhin ein Platz in der Bunten gewiss. Etwas unbeholfen steht er im Hintergrund einer unglaublich zähen Seifenoper. Fazit: sowohl sportlich als auch privat gerade noch so die Klasse gehalten.

Linkes Mittelfeld: Eljero Elia (Werder Bremen)

Dieser wieselflinke Holländer und Vize-Weltmeister 2010 hat es tatsächlich geschafft, sich selbst einen Knoten in die Karriere zu dribbeln. Nachdem er sich in bester Söldnermanier vom HSV zu Juventus motzte, nahm er aufgrund mangelnder Leistung zähneknirschend den Umweg nach Bremen, um zumeist links draußen auf der Bank Platz zu nehmen. Dafür hat er nun genug Zeit, abseits des Platzes mit seinem Fußballer-Bentley richtig Gas zu geben—ob mit oder ohne Führerschein—und ist mittlerweile einer der höchstdotierten Autofahrer Deutschlands in Flensburg. Prognose: fährt in 5 Jahren öffentliche Verkehrsmittel und arbeitet im Fanshop bei Twente Enschede.

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Sturm: Mike Hanke (SC Freiburg —> ?)

Welch unglaubliche Entwicklung der deutsche Fußball in den letzten Jahren genommen hat, verdeutlicht die Personalie Mike Hanke am beeindruckendsten. Einst die größte deutsche Sturmhoffnung seit Thomas „Katze-Kahn-ich-hatte-Angst-vor-dir“ Brdaric trägt er selbst beim SC Freiburg außer den Isostar auf den Trainingsplatz nicht sonderlich viel zum Spielbetrieb bei. Vier Spiele von Anfang an—langsam wird es Zeit, dass er in unteren Spielklassen nach einem Stammplatz sucht, wenn er noch weiter Fußballspielen will. Wie sein Sturmpartner Kießling Teil der bedrohlich anschwellenden Masse junger Fußballer, die entgegen aller westlicher Konventionen die Namen ihrer Kinder würfeln: im Fall Hanke mit dem Resultat Janatha-Fey und Jayron-Cain. Kein Glück im Spiel, in jeder Hinsicht.

Sturm: Stefan Kießling (Bayer Leverkusen)

Der Phantomtorjäger des Jahres! Durchs Außennetz ins Hoffenheimer Tor geköpft—klar war der nicht drin. Was ein Miro Klose sofort zugegeben hätte, mit anschließender Verleihung der goldenen Fairplay-Medaille, ließ Stefan Kießling absolut kalt und so spart er sich das Geständnis beim Unparteiischen. Oder ist er einfach nur mit einer blühenden Phantasie gesegnet? Wie der liebe Gott nun mal kleine Sünden sofort bestraft, wurde der konstanteste Bundesliga-Torjäger der letzten fünf Jahre so um einen Sommerurlaub mit Marcel Schmelzer, Ron-Robert Zieler und Co. am Zuckerhut gebracht. Auch nicht schlimm, dafür kann der selbsternannte Spitzenkoch während der Weltmeisterschaft an seinen Sprösslingen Hailey-Milu und Tayler-Joel (?!) neue Rezepte ausprobieren—Phantasie hat er ja.

Trainer: Bert van Marwijk

Vize-Weltmeister mit Holland 2010, UEFA-Cup-Sieger; Schwiegervater von Aggressivleader Mark van Bommel—der Mann brachte einen eindrucksvollen Lebenslauf mit an die Elbe und hinterließ nach nicht ganz fünf Monaten nur Schutt und Asche am Volkspark, plus ein Loch von geschätzten 1,5 Mio. Euro in der Kasse des klammen Dinos. Dazu noch Vereinsrekord für die meisten verlorenen Spiele am Stück—unser ganzer Respekt gebührt van Marwijk. Der eigentliche Punkt ist aber ein anderer: Ohne ihn stünde der HSV genau auch da unten, dem Aufsichtsrat, Präsidium, Management und allen anderen im Verein sei Dank. Der HSV ist der Langzeitpatient der Liga—nur muss man manchmal vielleicht akzeptieren, dass manche Krankheiten unheilbar sind.

Bank
TW: Timo Hildebrand
IV: Carlos Zambrano
CM: Jermaine Jones
CM: Ilkay Gündogan
ST: Cacau

Folgt Caspar auf Twitter: @casparino1.

Wenn ihr bessere Vorschläge habt—oder es generell besser wisst—, sagt uns in den Kommentaren Bescheid.