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Popkultur

Die Aufregung zu 'Terror – Ihr Urteil' erklärt in 10 Tweets

"Auf ARD läuft ein Film, bei dem die Zuschauer per Anruf das Ende bestimmen. Quasi Dschungelcamp für Leute mit Abitur." 87 Prozent von ihnen stimmten mal eben gegen das Grundgesetz.

Fast sieben Millionen Menschen in Deutschland und annähernd 850.000 Menschen in Österreich sahen gestern den Film Terror – Ihr Urteil. Das Szenario war minimalistisch: ein Gerichtssaal, eine Staatsanwältin, ein Verteidiger, ein Richter, zwei Zeugen und ein Angeklagter. Im Zentrum eine der großen moralischen Fragen unserer Zeit: Darf ein Pilot ein entführtes Passagierflugzeug abschießen und damit 164 Menschen töten, wenn er damit einen Terroranschlag verhindert, bei dem 70.000 Menschen sterben könnten?

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Besetzt war das Ganze mit den besten Schauspielern Deutschlands, Martina Gedeck als Staatsanwältin, Lars Eidinger als Verteidiger, Florian David Fitz als Angeklagter.

Die Öffentlich-Rechtlichen erfüllten endlich mal die Funktion, für die man sie idealerweise bezahlt: Informieren und gleichzeitig Unterhalten. Die Zuschauer durften auch ein wenig Barbara Salesch spielen. Per Anruf und Onlineabstimmung konnten sie ein Gerichtsurteil über den fiktiven Kampfpiloten Lars Koch fällen.

Und dabei hebelten sie mal eben so nebenbei vom Sofa aus das Grundgesetz aus.

Und weil der Film und das Urteil letzte Nacht das Land so aufgewühlt haben, stellen wir für euch die besten Reaktionen auf Twitter zusammen:

1. Was passiert, wenn man ein moralisches Dilemma per Abstimmung löst?

Der Film basiert auf dem Theaterstück des Anwalts und Schriftstellers Ferdinand von Schirach. Auch die Theaterbesucher in ganz Deutschland stimmten bei jeder Vorstellung ab, ob sie Koch freisprechen wollen oder verurteilen. Die Mehrheit stimmte für Freispruch. Das Verhältnis lag bei 40 zu 60. Was passiert, wenn man die Frage einem Millionenpublikum stellt?

Auf ARD läuft ein Film, bei dem die Zuschauer per Anruf das Ende bestimmen.
Also quasi Dschungelcamp für Leute mit Abitur.#TerrorIhrUrteil
— Dude (@literally_nice) 17. Oktober 2016

2. Eigentlich ganz schön, ein Gericht außerhalb des Nachmittagsfernsehens zu sehen

Der Markenanteil des Films lag bei 20,2 Prozent (und somit größer als der von Bauer sucht Frau). Wer ständig klagt, dass Fernsehzuschauer nur Trash sehen wollen, hat damit den Gegenbeweis. Auch mit großen Fragen der Menschheit kann man Leute begeistern.

Viele Sat1- und RTL-Zuschauer sind gerade mittel bis schwer entsetzt, wie "langweilig" und gesittet es vor Gericht zugeht. #TerrorIhrUrteil
— Julian (@DerJulian) 17. Oktober 2016

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3. Manche zweifelten allerdings die Glaubwürdigkeit an

#TerrorIhrUrteil ist vollkommen unrealistisch: die Bundeswehr hätte niemals einen einsatzfähigen Kampfflieger gehabt.
— alf frommer (@siegstyle) 17. Oktober 2016

4. Darf man 70.000 Leben gegen 164 aufwiegen?

Dem Film liegt ein moralisches Dilemma zugrunde, das an den Weichenstellerfall erinnert—an dem wir uns schon im Ethikunterricht den Kopf zerbrochen haben. Viele Zuschauer trieb die Entscheidung, ob Koch freigesprochen werden soll, oder nicht, in die Verzweiflung:

Ich verstehe beide Seiten!
Ich will mich nicht entscheiden#Libra #TerrorIhrUrteil pic.twitter.com/D5YXreWMqx
— Anastasio Bieberhaus (@LilEli) 17. Oktober 2016

5. Freispruch

Am Schluss hätte das Ergebnis aber nicht eindeutiger sein können. Was auch bedeutet: Wäre das Ganze eine Volksentscheidung, würde die überwiegende Mehrheit gegen unser Grundgesetz stimmen.

#TerrorIhrUrteil: 87% der Anrufer für Verfassungsbruch. pic.twitter.com/Al7vjzOhO4
— derPUPE vom #RumFunk (@derPUPE) 17. Oktober 2016

6. Die Erkenntnis: vielleicht ganz gut, dass wir für so etwas echte Gerichte haben

Der Autor selbst hat vorab betont, dass es gut ist, dass das Ganze nur eine Versuchsanordnung ist. Die Mehrheit tatsächlich über solche Fälle abstimmen zu lassen, sei "irre gefährlich".

wenn #terrorihrurteil eins gezeigt hat, dann dass der rechtsstaat manchmal auch gegen die meinung des volkes verteidigt werden muss.
— horst, hund + brodt (@horsthundbrodt) 18. Oktober 2016

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7. Gute Idee?

Das Experiment wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel, ob Volksabstimmungen eine so grandiose Idee wären, wenn selbst "das Dschungelcamp für Leute mit Abitur" solche Entscheidungen zustandebringt.

Das war extrem spannend. Möge es immer Theorie bleiben. #TerrorIhrUrteil
— Ayla Mayer (@santapauli1980) 17. Oktober 2016

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8. Das mit dem Internet hatte die ARD mal wieder nicht so ganz im Griff

Auch wenn der Film ein Erfolg war, ärgerten sich viele über das Ergebnis der Abstimmung und fragten sich, wie valide sie überhaupt war: Viele klagten, dass sie nicht im Netz abstimmen konnten.

Online-Abstimmung ist wohl zusammengebrochen. Das Urteil kann also angefechtet werden. #TerrorihrUrteil #Revision
— Andi Weiland (@ohrenflimmern) 17. Oktober 2016

9. Gehen Prinzipien über Bord, wenn der Angeklagte heiß ist?

Außerdem monierten viele (Frauen), dass man bei dem heißen Hauptdarsteller gar nicht unvoreingenommen sein könne. Auch wenn sich die Frage nach Frauenmagazin anhört, steckt Größeres dahinter: Wie sehr lassen wir unser Gerechtigkeitsempfinden davon leiten, wie sympathisch wir jemanden finden?

"Lassen sie sich nicht von Sympathien leiten?" Hallo, dann lasst Florian David Fitz nicht den Angeklagten spielen. #TerrorIhrUrteil
— Kim (@kmkrstn) 17. Oktober 2016

10. Allein ein Zweijähriger hätte keine Probleme bei der Entscheidung

Bei großen Fragen, die der Film aufwirft, gibt es kein "Richtig" oder "Falsch" als Antwort. Aber es ist wichtig, dass wir sie uns trotzdem stellen. Denn die Diskussion darüber entscheidet, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Einfache Antworten auf moralische Dilemmata haben wohl nur Zweijährige parat:

Ich möchte ja nicht spoilern. Aber dieser Zweijährige hat das Dilemma schon gelöst: https://t.co/TSG4CiibCc #TerrorIhrUrteil
— Philipp A. Bauer (@philalba) 17. Oktober 2016