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​Die deutsche Bundesregierung hat gerade erklärt, dass sie die Strafverfolgung Böhmermanns erlaubt

Pressefreiheit sei ihr trotzdem wichtig, sagte Angela Merkel.
Foto: imago | Future Image

Spätestens jetzt ist es wirklich eine Staatsaffäre: Angela Merkel hat heute öffentlich ihre Entscheidung kundgetan, dem Strafverlangen der türkischen Regierung gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts stattzugeben.

Es ging dabei um den Strafantrag der türkischen Regierung gegen Jan Böhmermann, weil der den türkischen Präsidenten Erdogan in einem „Schmähgedicht" öffentlich unter anderem einen „Ziegenficker" genannt hatte. Die türkische Regierung berief sich dabei auf den Paragraphen 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts unter Strafe stellt.

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Damit es auch zu einer Verhandlung kommt, müssen aber zwei Bedingungen erfüllt sein: Die ausländische Regierung muss einen Antrag stellen (das ist schon vor Tagen passiert), und die deutsche Bundesregierung muss „die Ermächtigung zur Strafverfolgung" erteilen. Und das hat sie heute getan.

Die Entscheidung ist der Bundeskanzlerin bestimmt nicht leicht gefallen: Gute Beziehungen zur türkischen Regierung sind ihr aktuell wichtiger denn je, weil sie Ankaras Kooperation für den Deal in der Flüchtlingskrise braucht. Gleichzeitig wurde die aggressive Vorgehensweise der türkischen Regierung im Fall Böhmermann in Deutschland auf vielen Seiten als ein Eingriff in die Meinungsfreiheit in Deutschland gesehen. Von der Bundesregierung wurde gefordert, dem türkischen Verlangen nicht nachzugeben, um ein klares Zeichen für Presse- und Meinungsfreiheit zu setzen.

Jetzt hat sich die Bundesregierung entschieden. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, vier Ministerien seien an der Beratung beteiligt und die Koalitionspartner verschiedener Meinung gewesen. Aber jetzt steht sie. Die erste Begründung: „Die Türkei ist ein Land, mit dem Deutschland eng verbunden ist", erklärte die Kanzlerin in ihrer Mitteilung. „In dieser engen Partnerschaft sind gegenseitige, auch völkerrechtliche Achtung von besonderer Bedeutung."

Gleichzeitig wollte die Kanzlerin wohl auch eine Lanze für die Pressefreiheit brechen: „Umso mehr erfüllen uns die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten mit großer Sorge", erklärte sie kurz danach. Und sie erklärte, dass sie den Paragraphen 103 jetzt abschaffen will—offenbar hat sie keine Lust, jemals wieder in so eine Situation zu kommen.

Erdogan kann damit jetzt gleich zwei Verfahren gegen Böhmermann ins Rollen bringen: Einmal das große wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts, und einmal ein kleines, das der Privatmann Erdogan wegen Beleidigung bei einem deutschen Zivilgericht angeleiert hat.