Die außergewöhnliche Architektur einer libanesischen Kleinstadt

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Die außergewöhnliche Architektur einer libanesischen Kleinstadt

Egal ob Flugzeug, Pyramide oder griechischer Tempel—die Häuser und Bauwerke von Miziara sind etwas ganz Besonderes.

Das Pyramidenhaus der libanesischen Kleinstadt Miziara (Alle Fotos: Gaia Squarci)

Folge der Straße, die sich durch endlose Olivenbaum-Felder zieht. Frage dann immer wieder die alten Männer, die sich am Straßenrand vor einem Abi-Nasr-Café unterhalten, nach dem Weg. Fahre einen Umweg durch Ehden. Schließlich wirst du irgendwann in einer Kleinstadt ankommen, die auf den ersten Blick wie jede andere libanesische Kleinstadt daherkommt.

Gegenüber des Willkommens-Schildes am Ortseingang von Miziara findet man eine Nachbildung der Geburt Christi mit Hunderten lebensgroßen Figuren. Knapp einen Kilometer weiter wird das Panorama dann noch absurder—zwar kann man auch anderswo auf der Welt größenwahnsinnige Architektur finden, aber die Einwohner von Miziara setzen dann doch noch mal einen drauf.

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Das Flugzeughaus

Das auffallendste aller Gebäude ist wohl das 1975 erbaute Flugzeughaus. Mit zwei Stockwerken, 30 Fenstern pro Seite, einer kurzen und rundlichen Nase sowie zwei Triebwerken pro Flügel ist das Haus quasi eine exakte Kopie eines Airbus A380. Nur am Heck ist dann ein Unterschied auszumachen: Anstelle der EU-Flagge findet man dort eine kleines Loch, in dem eine Statue der Jungfrau Maria platziert wurde.

Wenn man die staubige Straße weiterläuft, kommt man irgendwann zu einer Baustelle, wo gerade ein richtiger griechischer Tempel gebaut wird—ein ganzer Haufen großer Marmorsteine wartet nur darauf, zurecht geschnitten und verbaut zu werden. Direkt daneben hat ein weiterer unerschrockener Architekt Türme in allen Formen und Größen zusammengestellt und damit eine natürliches Bauwerk geschaffen, das irgendwie an Lego erinnert.

Dass es im Libanon leider auch ganz anders zugehen kann, zeigt unsere Dokumentation.

„Die Leute hier wollen eben etwas Außergewöhnliches kreieren und das ist ihnen auch möglich. Deshalb machen sie es einfach", erzählt mir der Anwohner Joseph Chagoury, nachdem ich ihn gefragt habe, wie sich diese einst bescheidene christliche Kleinstadt in eine Touristenattraktion verwandelt hat. Sein Bruder erschuf in den 90er Jahren eine weitere von Miziaras Kuriositäten, die als Pyramidenhaus bezeichnet wird—der Ursprung des Namens dürfte dabei relativ offensichtlich sein. Chagourys eigenes Bauprojekt war ein eher konventionelles, aber dennoch luxuriöses Hotel. Er ist auch selbst einer der größten Bewunderer der Stadt. „Wir lieben Miziara einfach", meint er. „Jeder kommt von hier, also verändern wir zwar die Größe, aber nicht die Seele und das Gesicht der Stadt. Wir nennen es Fortschritt."

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Ein vom alten Ägypten inspirierter Teppich in einem Schlafzimmer des Pyramidenhauses

Architektur ist allerdings ein Hobby, das sich nur die Reichen leisten können, und solche Gebäude wären ohne gut betuchte Anwohner überhaupt gar nicht realisierbar. Gilbert Chagoury, ein Verwandter von Joseph, ist wohl der bekannteste Mensch, der mit Miziara in Verbindung gebracht wird. In den 90er Jahren machte er in Nigeria bei seinen Geschäften mehrere Hundertmillionen Dollar Gewinn—allerdings wohl durch Korruption. Heutzutage ist Gilbert Chagourys Name in Miziara quasi omnipräsent: In einem Frontline-Artikel aus dem Jahr 2010 steht, dass „die meisten Menschen aus Miziara, die alt genug zum Arbeiten sind, von den Chagourys pro Jahr neun Monate lang in Nigeria angestellt werden" und sich die protzigsten Häuser in der Nigeria Avenue befinden.

Einige der Miziaraner, die ihr Glück im Ausland versuchen, kommen nicht mehr zurück. Deswegen hat Joseph Chagoury inzwischen damit angefangen, Auswanderern der zweiten oder dritten Generation Geld anzubieten, damit sie zurück in die libanesische Kleinstadt ziehen, ihre Kultur erforschen und die Staatsbürgerschaft beantragen. Dazu setzt er sich auch noch dafür ein, dass richtige Touristenattraktionen gebaut werden, die Miziara zu einem beliebten Reiseziel machen würden. Chagoury erzählt mir, dass sich die Kleinstadt vor Kurzem Expansions-Zuschüsse der Regierung gesichert hat. Das bedeutet wahrscheinlich, dass schon bald noch mehr bizarre Gebäude und Bauwerke wie Pilze aus dem Boden schießen werden.

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Die Nigeria Avenue

Ein Privatpool, der erst noch fertig gebaut werden muss

Die Baustelle des griechischen Tempels

Baumaterialien für den Akropolis-Nachbau

Das Flugzeughaus aus der Ferne

Das „Lego"-Haus

Der Basketballplatz im Garten des Pyramidenhauses

Das Esszimmer des Pyramidenhauses

Ein christlicher Schrein

Ein Brunnen inklusive Statue der Jungfrau Maria

Im Heck des Flugzeughauses befindet sich ebenfalls eine Statue der Jungfrau Maria.

Mehr Fotos von Gaia Squarci findest du auf ihrer Website.