Hat die Berliner Polizei gegen die Autonomen gewonnen?

FYI.

This story is over 5 years old.

News

Hat die Berliner Polizei gegen die Autonomen gewonnen?

Zur „Antirepressionsdemo 2014“ kamen doppelt so viele Polizisten wie Demonstranten. Jetzt leckt die linke Szene sich die Wunden.

Die „Antirepressionsdemo 2014“ am Samstag in Berlin war kein Erfolg. Bereits nach einer knappen halben Stunde wurde der Demonstrationszug von der Polizei gestoppt und durch Dutzende rabiate Zugriffe schließlich völlig zermürbt. Die für nachts geplante Geheimdemo am Moritzplatz wurde von der Polizei gleich im Keim erstickt. Die Demonstranten mussten sich verteilen, irgendjemand zündete auf dem Heimweg ein Auto einer Sicherheitsfirma an, und jemand kippte heldenhaft einen mit Morgenpost-Aufklebern beklebten Smart um.

Anzeige

Es ist zwar irgendwie ironisch ist, wenn eine 800-Menschen-Demonstration gegen Überwachung und „staatliche Repression“ von 1800 Polizisten zuerst begleitet und dann faktisch gewaltsam gesprengt wird. Aber diese Geschichte verbreitet sich nur unter linken Sympathisanten—für die breite Öffentlichkeit wird davon kaum etwas hängenbleiben. Also müssen sich die linken Gruppen, die zur Demonstration aufgerufen hatten, die Frage stellen, was damit erreicht wurde.

Wenn die Demonstration zeigen sollte, dass man immer noch Großdemonstrationen mit Teilnehmern aus ganz Deutschland organisieren kann, dann ist das ziemlich gescheitert. Nicht mal die von der Polizei erwarteten 1000 Demonstranten kamen zusammen, laut Polizei bildeten 40 Magdeburger die einzige größere angereiste Gruppe.

Wenn es darum ging, die Schlagkräftigkeit der Autonomen gegen die Polizei zu beweisen, dann hat auch das gründlich versagt: Trotz der üblichen provokanten Sprechchöre („Ganz Berlin hasst die Polizei“, „Wo wart ihr in Rostock?“) wirkten die begleitenden Polizisten die meiste Zeit so, als würden sie sich prächtig amüsieren. Kurz nachdem die Demo zum Stehen gebracht worden war, begannen kleine Trupps in Kampfmontur, mit voller Wucht in den Zug einzubrechen, um angeblich vermummte Teilnehmer aus der Mitte zu greifen und zu verhaften.

Bitte unterlassen Sie das Anlegen von Vermummung in der Versammlung. #b2203, #antirep14

— PolizeiBerlinEinsatz (@PolizeiBerlin_E) 22. März 2014

Anzeige

Die Polizei hat jetzt übrigens auch einen Twitter-Account. Was es damit auf sich hat, lest ihr hier bei Motherboard http://motherboard.vice.com/de/read/berliner-polizei-regelt-demos-jetzt-auch-per-twitter).

Der Block formierte sich zwar nach jedem rabiaten Angriff neu, trotzdem war nach mehr als einem Dutzend solcher Angriffe die Luft raus, und die Demonstranten verzogen sich brav zur U-Bahn-Station—wahrscheinlich trösteten sie sich mit der Aussicht auf die Geheimaktion in der Nacht, die dann aber genauso von Hunderten breit grinsenden Polizisten eingedämmt wurde. Der Tagesspiegel-Reporter Jörg Hasselmann hatte die Demo jedenfalls als Kräftemessen zwischen Autonomen und der Polizei verstanden, und er erklärte hämisch die Polizei zum Sieger.

Polizei viel besser: Bei der Antirepdemo in Moabit schwächelte linke Szene. Mal sehen, was der Abend in Kreuzberg bringt. #b2203 #antirep14

— Jörn Hasselmann (@Polizeihassel) 22. März 2014

Auch wenn auf indymedia jetzt protestiert wird, es habe sich nicht um ein Kräftemessen gehandelt und man beschwörend versichert, es sei „nicht alles verloren“—die linke Szene ist nicht stolz auf den Samstag. „Diese Demo war auch in dieser Hinsicht kein Erfolg“, schreibt ein Kommentator. „Es wurde halt mit großen Worten Etwas angekündigt, dass nicht umgesetzt werden konnte.“ (sic!)

Jetzt wird auch die Frage gestellt, ob derartige Demonstrationen überhaupt noch einen Sinn haben. „Egal was man tut, egal wie arm die Menschen sind oder wie wütend sie sind. Sie suchen nach Menschen denen es dreckiger geht und trösten sich damit“, klagt ein Forumsmitglied. „Wie kann man heutzutage die breite Öffentlichkeit erreichen, ohne in der Informationsflut des Internets oder der Verdummung im Fernsehen unterzugehen?“ Ein anderer antwortet: „Die Antwort ist so enttäuschend, wie einfach: gar nicht.“

Anzeige

Mittlerweile müssen sich die Linken also überlegen, ob diese Demonstrationen der richtige Weg sind, um Menschen auf Probleme wie den Überwachungsstaat, Polizeigewalt oder die verfehlte Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. Die „revolutionäre Demo am 1. Mai“ ist schon längst zu einem sinnentleerten Ritual geworden, das keinerlei politische Inhalte mehr transportiert. Wenn die linken Gruppen das aktuelle Machtgefüge effektiv kritisieren wollen, müssten sie sich vielleicht andere Formen des Protests ausdenken. Sich einen Nachmittag lang in Moabit verhaften und rumschubsen zu lassen, scheint nicht mehr auszureichen.

Ungefähr 800 Demonstranten hatten sich am Samstagnachmittag in Moabit versammelt.

1800 Beamte waren am Nachmittag in Moabit im Einsatz.

Trotz sichtbar getragenem Presseausweis wollten die Beamten einen Fotografen ohne ersichtlichen Grund festnehmen. Sie entschieden sich dann jedoch gegen die Festnahme.

Eine Verhaftung am Nachmittag.

Ein Demonstrant versucht, die ständigen Polizeiangriffe mit Regenschirmen abzuwehren.

Ingesamt spricht die Polizei von 17 Verhaftungen.

Die unagemeldete Demo am Moritzplatz wurde von der Polizei vor ihrem Beginn unterbunden.

Samstagnacht brannten auch einige LKWs, dahinter steckt aber möglicherweise ein technischer Defekt.

Zerstörte Scheiben an der BVG-Gebührenstelle für Schwarzfahrer

Der Werkstatt eines Canon-Zulieferers wurden die Scheiben eingeworfen.