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Die falsche Tote: Wie man sich im Internet ein neues Leben aufbaut

Eine österreichische Polizistin sammelt Spenden für Flüchtlinge, reist nach Lesbos und Syrien. Das Problem: Die Frau ist keine Polizistin und die Spenden kommen bei den Bedürftigen vermutlich nie an.

Eine junge österreichische Polizistin engagiert sich für Menschen in Not, sammelt Spenden und reist nach Traiskirchen, Lesbos, Aleppo und Damaskus, um den Menschen dort zu helfen. Anfang Oktober nimmt sie sich mit 24 Jahren das Leben. Es ist eine tragische Lebensgeschichte—wäre sie nicht erfunden.

Sanela I. zog vor mehreren Jahren von Oberwart nach Wien. Bis Dezember 2015 war sie dort im 18. Bezirk gemeldet, seither hat sie keine offizielle Adresse mehr. Wohnhaft war die 24-Jährige davor bereits unter mehreren Adressen in mehreren Bundesländern. In der polizeilichen Evidenz sind verschiedene Einträge verzeichnet; darunter Urkundenfälschung, Diebstahl und Einmietbetrügerei.

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Auf Facebook hatte Sanela bis Anfang Oktober dieses Jahres 4000 Freunde, die sie immer wieder dazu aufrief, ihr Geld zu überweisen und Sachspenden für Flüchtlinge zu schicken. Wiederholt postete sie ihre Kontonummer oder Fotos ihrer Bankomatkarte.

Und ihre Facebook-Freunde spendeten. VICE liegen mehrere Kontoauszüge vor, die das beweisen. Für Sachspenden gab Sanela in Österreich eine Adresse im 15. Bezirk an, bei der ihre Schwester Grace leben sollte. Eine Grace I. gibt es unter dieser Adresse nicht. Mehr noch: Eine Frau mit diesem Namen gibt es in ganz Österreich nicht.

Trotzdem fahren wir zu der angegebenen Adresse im 15. Bezirk. Bei Top 7, wo Sanelas angebliche Schwester wohnen soll, öffnet niemand. Ein Nachbar fragt, ob wir von der Polizei seien. Er erzählt uns, dass Sanela selbst hier gelebt habe, er sie jedoch schon seit ein paar Monaten nicht mehr im Haus gesehen habe. Bei der zuständigen Hausverwaltung erklärt man uns, sich "die Dame", wie andere auch schon, "eingetreten zu haben". Die Hauptmieterin habe Sanela unangemeldet eine Zeit lang dort wohnen lassen. Als sie ausziehen wollte, habe sie gestanden, Sanela nicht mehr aus der Wohnung zu bekommen. Als die Hausverwaltung daraufhin vor Ort die Lage überprüfen wollte, habe man eine "devastierte Wohnung gefunden".

Ob je jemand Spenden an die Wohnung im 15. Bezirk geschickt hat, wissen wir nicht, Sanela hat die Adresse aber in einem Chatverlauf, der VICE vorliegt, potentiellen Spendern geschickt. Eine Bestätigung für Spenden aller Art bekam nie jemand. Jene, die auf ihrer Seite darauf aufmerksam machten, wurden gesperrt oder als Hetzer beschimpft. Sie helfe schließlich Menschen in Not—wer das anzweifle, würde mit Konsequenzen rechnen müssen.

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Auch viele ihrer Facebook-Freunde vertraten diese Meinung: Wer im vergangenen Jahr half, tat in diesem Umfeld automatisch etwas Gutes. Kritisch hinterfragt wurde kaum. Dabei wäre genau dieses kritische Hinterfragen im Sinne einer ehrenhaften Flüchtlingshilfe wichtig—denn wer die Abzocke aus mangelnder Skepsis zulässt, kann sich nicht sicher sein, dass Spenden auch tatsächlich dort ankommen, wofür sie gedacht waren.

In verschiedenen Postings gab Sanela an, nach Lesbos oder Syrien zu reisen. Für Lesbos sammelte sie neben Sachspenden auch Geld für Kleidung, Nahrung oder Leichensäcke für Kinder. Sie postete Fotos von Essensausgaben, ertrunkenen oder geretteten Geflohenen sowie von Lichtermeeren im Gedenken an Menschen, die bei der Flucht gestorben waren. Für ihre Reise nach Syrien sammelte sie später ausschließlich Geld. Beweise, dass Sanela jemals in Syrien war, gibt es nicht. Aber der Reihe nach.

Tatsächlich gibt es Fotos, die Sanela auf der griechischen Insel Lesbos zeigen, auf die im vergangenen Jahr tausende Flüchtlinge vom türkischen Festland übersetzten. Auch mehrere Menschen, die selbst auf Lesbos tätig waren, bestätigen, Sanela dort gesehen zu haben. Welche Arbeit sie vor Ort genau leistete und mit wem sie zusammenarbeitete, konnte aber niemand so genau sagen.

Auch keine der auf Lesbos aktiven und von uns kontaktierten Hilfsorganisationen hat jemals mit ihr zusammengearbeitet. Mindestens eine stand mit Sanela jedoch in Kontakt: In einer Bewerbung an die schottische Hilfsorganisation gab sie damals an, Rettungsschwimmerin, Hebamme und Kinderärztin zu sein. Es kam zu keiner Zusammenarbeit, weil die Bewerbung von der Organisation als unseriös angesehen wurde. Kaum überraschend, dass auch im Verzeichnis der österreichischen Ärztekammer keine Ärztin mit dem Namen Sanela I. aufscheint.

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Mehrmals täglich postete Sanela Updates und Fotos ihrer angeblichen Rettungs- und Hilfsaktionen und gab an, Flüchtlinge aus dem Meer zu retten, einer Frau unter einem Baum beim Entbinden geholfen zu haben und weiteres Geld für Leichensäcke, Gebrauchsgegenstände oder Nahrung zu benötigen. Allein die schiere Zahl der Menschen, denen sie geholfen haben will, wirkt vorsichtig gesagt unglaubwürdig. An einem Tag soll Sanela I. etwa "62 Kinder geborgen" haben.

Auch viele der Fotos scheinen unglaubwürdig: einige waren in sehr guter Qualität und sahen nach professionellen Fotos aus, andere waren verschwommen und schlecht. Überprüft man die von Sanela geposteten Fotos mittels Google Reverse Image Search, bekommt man zwar zuerst meist kein Ergebnis—spiegelt man sie allerdings und lädt sie dann erneut hoch, kommt man auf mehrere Nennungen, verstreut über die verschiedensten Seiten.

Dieses Foto stammt von der Associated Press und erschien unter anderem im Guardian. Das Bild ist nicht einmal gespiegelt, sondern wurde 1:1 kopiert. Ein weiteres Foto, das eine Essensausgabe in Lesbos zeigt, haben wir auf der Seite des griechischen Nachrichtensenders ERT gefunden. Dort versichert man uns, dass das Bild nicht von einer Sanela I. stammt.

Ein Verein, für den Sanela regelmäßig warb und unterwegs war, postete auf Facebook ebenfalls gestohlene Fotos. Auch dieser Verein rief regelmäßig dazu auf, Geld zu spenden und veröffentlichte die Kontodaten auf seiner Facebook-Seite—es sind dieselben Kontodaten wie die der Bankomant-Karte, die Sanela I. auf ihrem privaten Profil veröffentlichte. Der Name des Vereins, "Dropped in the Ocean", ist dem einer norwegischen Flüchtlingshilfsorganisation, "A Drop in the Ocean", sehr ähnlich. Eine Verbindung besteht nicht.

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Im Vereins- und Firmenregister ist Sanelas Verein nicht zu finden, mittlerweile gibt es auch die Facebook-Seite nicht mehr. Ein Foto eines Lichtermeeres, das ebenfalls von der Organisation "Dropped in the Ocean" gepostet wurde, stammt eigentlich aus dem Jahr 2007.

Auf ihrem Profil hatte Sanela I. angegeben, als Polizistin zu arbeiten. Menschen, die sie hinterfragten, drohte sie teilweise damit, als Polizistin Einfluss zu haben. Eine Suchanzeige nach der Familie eines angeblich von ihr geretteten Kindes wurde von einer Hilfsorganisation veröffentlicht, die sehr strenge Regeln hatte: Nur Angehörige, enge FreundInnen, Amtspersonen oder BetreuerInnen der bekannten Hilfsorganisationen durften dort Suchanzeigen aufgeben. Als vermeintliche österreichische Polizistin erweckte Sanela damals keinen Verdacht.

Ein Foto, das Sanela einige Zeit als Profilbild verwendete und mit dem sie vermutlich ihre Behauptung, sie sei Polizistin, unterstützen wollte, zeigt nachweislich nicht Sanela selbst. Das Foto stammt von Getty Images. Eine Frau mit ihrem Namen war nie bei der österreichischen Polizei im Dienst und habe dort somit auch nie gekündigt, wird uns von offizieller Seite versichert.

Ein weiteres Foto, das Sanela im Juni 2016 in Syrien zeigen soll, wohin sie privat und teilweise durch Spenden finanziert gereist sein will, stammt aus dem Jahr 2015 und zeigt Sally Fadel, eine Journalistin des Assad-Regimes.

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Die Liste falscher Fotos ließe sich lange fortsetzen. Wie Sanela tatsächlich aussieht, bestätigen mehrere Quellen, die ihr schon einmal im echten Leben begegnet sind. Sie hat lange schwarze Haare und einige Fotos auf ihrer Seite zeigten tatsächlich sie selbst. Nur verwendet sie sowohl bei den Fotos von sich als auch bei den Fotos, die sie zeigen sollen, es aber nicht tun, oft Filter, zeigt sich von der Seite oder von hinten und versteckt sich hinter Haaren oder Make-up, sodass es oft schwierig ist, die Fakes als solche zu erkennen. Das gesamte Profil wirkte gut durchdacht; so als wäre es darauf ausgerichtet, Fakes nicht von tatsächlichen Fotos ihrer Person unterscheiden zu können.

Auf Vorwürfe verschiedener Fotografen, dass einige der Bilder ohne Erlaubnis und in falschen Zusammenhängen verwendet worden seien, antwortete Sanela I. mit einer Nachricht, die ausschließt, dass Sanela unabsichtlich falsche Fotos gepostet haben könnte. Dabei ist der Satz realiter nicht einmal gelogen.

Eine Behauptung auf Facebook, der Radiosender Ö3 würde sie in Lesbos besuchen und mit ihr über ihre Arbeit sprechen, wird uns dort so beantwortet: "Es liegen keine Hinweise vor, dass es eine solche Reise gegeben hat. Von der Ö3-Redaktion war in diesem Zusammenhang niemand auf Lesbos oder einer anderen griechischen Insel, auch haben wir im Ö3-Archiv keinerlei Beiträge zu einer solchen Reise oder einem solchen Einsatz gefunden."

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Und auch in einem ganz anderen Zusammenhang taucht Sanela I. auf: Auf einem Foto, das in verschiedenen Tierschutzforen im Internet verbreitet wurde—hier noch mit Sanelas altem Nachnamen—lacht sie mit einem Hund in die Kamera.

Im Text dazu schreibt eine Mitarbeiterin der Tierschutzorganisation, man solle Sanela bloß keinen Hund vermitteln; sie habe Hunde wochenlang in ihrem Badezimmer eingesperrt. Mitarbeiter hätten sich die Wohnung im 10. Bezirk zuvor zwar angesehen, seien aber getäuscht worden. Sanela habe zwei Gesichter, heißt es weiter. In einem Telefonat bestätigt die Mitarbeiterin die Vorwürfe noch einmal. Sie erzählt, die Wohnung, aus der die Hunde gerettet wurden, sei völlig verwüstet und zugemüllt gewesen. Laut ihres ehemaligen Nachbarn im 15. Bezirk besaß Sanela später trotzdem wieder einen kleinen weißen Hund.

Dazu passend verbreiteten einige User auf Facebook die Information, Sanela I. habe, bevor sie Spenden für geflohene Menschen gesammelt habe, in Tierschutzforen dazu aufgefordert, ihr Spenden für Tiere zu überweisen.

Am Telefon erzählt uns Sanelas ehemalige Mitbewohnerin, mit der sie an ihrer zuletzt gemeldeten Adresse zusammenlebte, mehrmals sei die Polizei, zweimal auch das Jugendamt in der Wohnung gewesen. Zwei Mieten habe sie damals bekommen, die dritte wurde schon nicht mehr bezahlt. Es ging vor Gericht, Sanela sei nicht aufgetaucht. In dieser Zeit, also 2015, habe Sanela auch ihren Nachnamen geändert—nicht durch Heirat, sondern bei der Magistratsabteilung 26, bei der sich erwachsene Menschen gegen Bezahlung einen sogenannten "Wunschnamen" eintragen lassen können.

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Irgendwann sei Sanela dann einfach weg gewesen und habe mehrere Müllsäcke in der Wohnung gelassen. Sie habe die Müllsäcke ohne hineinzusehen weggeschmissen, nachdem Sanela sie trotz mehrmaliger Aufforderungen monatelang nicht abgeholt hatte, erzählt die damalige Mitbewohnerin. Sanela habe ihr außerdem von Flüchtlingskindern erzählt, die sie aufgenommen habe—allerdings nicht in der gemeinsamen Wohnung in Wien, sondern an einem anderen Ort in Österreich.

Foto von Sanelas zurückgelassenen Dingen an ihrer letzten offiziellen Adresse.

Im August 2015 schrieb auch Sanela selbst auf Facebook, sie habe privat einige Flüchtlinge aufgenommen und bat ihre Facebook-Freunde wieder um Geldspenden. Außerdem benötige sie einen Schrank und einen Tisch. Ob das stimmt und wo sich Sanela nach Dezember 2015 überall aufhielt, ist nicht bekannt. Und zwar deshalb, weil Sanela I. seit damals nicht mehr in Österreich gemeldet war. Zwei Männer, die Sanela vergangenen Sommer in Traiskirchen kennenlernten, erzählen gegenüber VICE außerdem, sie habe damals einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling mitgenommen.

"Da saß ein minderjähriger Flüchtling bei einer oberösterreichischen Helferin im Auto. Der war zuvor im Lager misshandelt worden und wirkte sehr verängstigt", erzählt uns einer der Männer, die selbst beim Auto standen. Schließlich sei Sanela, die damals öfter in Traiskirchen war, dazu gestoßen.

"Sie hat gesagt, sie werde den Burschen zu sich nach Hause mitnehmen und versorgen."

"Sie hat gesagt, sie werde den Burschen zu sich nach Hause mitnehmen und versorgen", so der Zeuge. Geglaubt haben die beiden Sanela damals vor allem deshalb, weil sie auf Facebook mehrere Fotos einer großen Wohnung gepostet hatte. "Mir kam das dann aber doch ein bisschen komisch vor und ich habe nachgeforscht. Wir haben dann rausgefunden, dass die Fotos von einem Wohnungsinserat stammten", erzählt unsere Quelle.

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Was aus dem geflüchteten Minderjährigen wurde, wissen die beiden Zeugen bis heute nicht. Tatsächlich bekommen wir aber den Kontakt von einem Mann, dem Sanela einen Flüchtling für einige Zeit anvertraute und ihn bei sich wohnen ließ—ob es derselbe Jugendliche war, lässt sich nicht herausfinden: "Irgendwann hat Sanela ihm versprochen, ihn einmal zum Essen abzuholen. Das hat dann aber länger gedauert. Ich hab ein bisschen Druck gemacht—dann ist sie mit irgendjemandem gekommen, hat den Burschen zum Essen abgeholt und ist später noch einmal kurz gekommen, um seine Sachen zu holen. Ich habe beide nie wieder gesehen. Erst danach ist aufgekommen, dass in Traiskirchen immer wieder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verschwunden sind."

Am 6. Oktober 2016 setzte schließlich jemand allen Spekulationen, die zu diesem Zeitpunkt seit Monaten in der Flüchtlingshelfer-Szene rund um Sanela kursierten, ein Ende: Sie sei gestorben, postete jemand mit Zugangsdaten zu Sanelas Profil auf ihrer Seite.

"Liebe Leute,
leider mussten wir unsere geliebte Schwester nun ziehen lassen. Aufgrund ihrer langen Abwesenheit und einiger Personen, die sich sorgten, wollen wir deshalb nun dazu Stellung beziehen:

Am 30.09.2016 haben wir die traurige Gewissheit bekommen, dass unser kleiner Engel diese Welt verlassen hat. Nach dem Beziehungsaus stürzte ihre Welt ein, wir fanden keinen Zugang mehr zu ihr, sie war verschlossen, verletzt und hatte einen folgenschweren Zusammenbruch. Man sah ihr den Schmerz an, es verging keine Minute mehr, in der keine Träne über ihr Gesicht rann…. Nachdem wir drei Tage nicht mehr von ihr hörten, fuhren wir am 2.10. in die Wohnung und fanden unseren Engel leblos in der Wohnung auf."

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In einem Abschiedsbrief soll Sanela geschrieben haben, sie wolle lieber sterben als mit dem Schmerz und der Enttäuschung weiterzuleben. Weiter wolle man darauf aber nicht eingehen.

"Es ist jedoch bestätigt, dass sie sich aufgrund der Trennung ihres Ex-Freundes an seinem Geburtstag das Leben nahm und dies auch bereits einige Tage zuvor beschlossen hatte. Wir haben nach langer Zeit, aufgrund der Wünsche einiger entschieden, die Facebook- Seite unserer geliebten Schwester noch aufrecht zu erhalten, um euch auch die Chance zu geben, in Erinnerungen zu schwelgen, sowie auch liebevolle Worte von der Seele zu schreiben.

Wir bitten euch um ruhige und respektvolle Beitrage und hoffen, dass sie aufgrund ihrer selbstlosen Taten und Einsätze für Flüchtlinge, Obdachlose und all jene, die Hilfe benötigen, in unseren Erinnerungen bestehen bleibt."

Ein Mann namens Fabio I., der sich als Sanelas Bruder ausgab, postete daraufhin auf Facebook das Foto eines Sarges mit dem Begleittext: "Es ist kein auf Wiedersehen, sondern ein Schlafe gut, bis wir uns wieder sehen" und verlinkte seine angebliche Schwester.

Fabio hatte ihr Tage zuvor noch Geburtstagswünsche gepostet—3 Tage nach ihrem tatsächlichen Geburtstag. Sein Profilbild, das ihn und seine Schwester zeigen soll, ist gespiegelt und diesem Instagram-Account entnommen. Es zeigt die US-amerikanische Beauty-Bloggerin Carli Bybel mit ihrem Freund.

Tatsächlich verhält es sich mit dem Foto des Sarges gleich wie bei vielen anderen Bildern auf Sanelas Facebook-Seite: Spiegelt man das Foto, das von ihrem nichtexistenten Bruder gepostet wurde, kommt man auf die Seite eines australischen Bestattungsunternehmens. Genauer gesagt zum Symbolbild für "White Grecian Urn". Auch in der Verstorbenensuche ist, wenig überraschend, keine Frau mit dem Namen Sanela I. zu finden.

Wenige Tage nach dem Posting ihres Bruders war Sanelas Seite gelöscht, zur gleichen Zeit ging ein neues Facebook-Profil online—mit anderem Nachnamen, aber Fotos der tatsächlichen Sanela. Auch auf ihrem neuen Profil veröffentlicht sie unter anderem wieder Fotos, die aus dem Internet zusammengesammelt waren. Spiegelt man zum Beispiel dieses Foto, bekommt man auf Google 170 Ergebnisse von Seiten; auf einigen davon steht das Bild bereits seit mehreren Jahren online.

Mitte November schrieb Sanela auf Facebook, sie liege mit Gehirnhautentzündung im Krankenhaus. Laut des Wiener Krankenhausverbands lag zu diesem Zeitpunkt keine Frau mit diesem Namen in einem ihrer Spitäler. Kurz darauf postete sie ein Foto von ihr und einem kleinen Mädchen beim Kochen und schrieb dazu "Family Love". Es zeigt Lilit Avagyan, eine armenische Tänzerin, mit ihrer Tochter.

Mitte November hatte Sanela wieder 1000 Freunde auf Facebook. Nachdem wir versuchten, sie zu kontaktieren, sperrte sie ihr neues Profil. Wir bekamen die Telefonnummer von Sanela, wo eine Frau abhob, die sich als ihre Schwester vorstellte. Ihre Identität lässt sich von uns nicht feststellen. Sie erzählte uns am Telefon, Sanela lebe seit 8 Monaten in Griechenland—obwohl sie auf Facebook mehrmals pro Woche angegeben hatte, in Wien zu sein. Was mit den bisherigen Spenden passiert ist, ist ungewiss. Vielleicht kamen einige tatsächlich bei Menschen in Not an. Beweise gibt es dafür jedenfalls nicht.

Paul auf Twitter: @Gewitterland, Hanna auf Twitter: @HHumorlos.