Das sind die Gesichter der Berliner Graffiti-Szene

FYI.

This story is over 5 years old.

Vice Blog

Das sind die Gesichter der Berliner Graffiti-Szene

Da läuft jemand auf einer fahrenden U-Bahn in Kreuzberg. In seinem Bildband ‚Burning Down the House' gibt Norman Behrendt unglaubliche und einzigartige Einblicke in die Berliner Sprayerszene.

Der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch der Sowjetunion öffnete den Graffitikünstlern der Stadt, die sich 10 Jahre lang in Westberlin ausgetobt hatten, ein ganz neues Areal. Die 3,60 Meter hohe Betonmauer war zu einer Leinwand für farbenprächtige politische Slogans geworden, die sich gegen die Isolation Westberlins und globale politische Themen richteten. Im Osten machten Wachtürme und Hundestaffeln das Sprayen jedoch zu einer denkbar schlechten Freizeitbeschäftigung. Dementsprechend blieb dort bis 1989 auch das meiste ziemlich unberührt. Die neue Präsenz der alten Writer im Osten und ihre Arbeiten im Westen inspirierten eine neue Generation und eine Graffiti-Explosion vereinte Berlin.

Anzeige

Der Fotograf Norman Behrendt ist in der Berliner Sprayerszene großgeworden und fing 2007 damit an, einige Writer seiner Generation zu porträtieren. Das Projekt wuchs immer weiter an, bis er dann 83 Porträts und 76 Interviews zusammenhatte. Diese sind nun alle in seinem Buch Burning Down the House (Seltmann+Söhne, 2015) zusammengekommen. „Ich habe mich vor allem auf Typen konzentriert, die irgendwie ein Doppelleben führen", sagte Norman uns. „Einige sind Anwälte, andere studieren und einer arbeitet sogar bei der Polizei." Fernab aller Klischees stellt uns Norman Behrendt die anonymen Gestalter von Berlins öffentlichen Plätzen vor, indem er zum Beispiel eine Person inmitten einer Gruppe Fremder auf einem Bahnsteig stehen und dann dem Betrachter die Entscheidung überlässt. „Genau darum geht es. Du weißt nie, wer Graffiti macht, und du kannst die Leute auch nicht nach ihrem Aussehen beurteilen."

Die Porträts sind eine Zusammenarbeit zwischen Fotograf und Subjekt. Jeder Sprayer entscheidet selbst, wie er sich darstellen möchte, und spielt mit Themen, die in irgendeiner Verbindung zu seiner Kunst stehen—angefangen bei der Kleidung, bis hin zur Auswahl der Foto-Location. Einer von ihnen verwendete sogar vier Liter Schweineblut, um seinen anonymen Hinweis rüberzubringen. Überraschenderweise ist bei ziemlich vielen Porträts sogar das Gesicht klar erkennbar—ein mutiges Statement, wenn man bedenkt, dass diejenigen, die von der Polizei erwischt werden, mit einer hohen Geldstrafe und sogar Gefängnis rechnen können. Ironischerweise ist das Buch genau in dem Material gebunden, mit dem auch die U-Bahnsitze der BVG bezogen sind—und damit scherzhaft von dem gleichen Unternehmen gebilligt wurde, das mehrere Millionen Euro dafür ausgibt, um Graffitikünstler zu bekämpfen und hinter ihnen sauber zu machen.

Anzeige

Am Ende finden sich noch Polaroid-Porträts—jedes von ihnen separat zu den Originalporträts im vorderen Teil des Buches aufgenommen. Behrendt schickte diese zur Freigabe an die Writer und bekam jedes einzelne Polaroid mit einer ganz individuellen Bearbeitung zurück. Damit war es den Künstlern möglich, noch ein letztes Mal dem Buch ihren Stempel aufzudrücken und gleichzeitig ihre Identität zu schützen—dem Kernpunkt des Graffiti-Writer-Daseins.

Der Bildband Burning Down the House, 2007 – 2012 (Seltmann+Söhne)—A photographic study of Berliner graffiti Writers erschien im Januar 2015. Nach nur wenigen Monaten war die erste Auflage von 700 Stück ausverkauft. Jetzt bietet Norman eine Sonderedition des Buches an, die auf 30 einzigartige Kopien beschränkt ist. Erhältlich über http://www.burningdownthehouse.de/