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DIE SKAMMERZ ISHU

Der „wahre“ Heino

Norbert Hähnel hat Heino übernommen und aus Deutschlands liebstem Volksmusikanten wurde ein Antifaschist.

Norbert heute in seiner Wohnung, vor seiner Plattensammlung. Porträt von Jonas Holthaus.

Norbert Hähnel ist sozusagen das Gegenteil von Heino. Er ist ein Berliner Punk, der diverse Kneipen und Plattenläden hatte, das erste Umsonst & Draußen veranstaltete, und generell kein großer Freund der Volksmusik ist. Nachdem Heino einschlägige Berühmtheit erlangt hatte, unter anderem, indem er alle Strophen des Deutschlandliedes und Klassiker wie „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ sang, sowie eine Tourneereise durch das Südafrika der Apartheid und die ehemalige deutsche Kolonie Namibia unternahm, entschloss sich Norbert, Heino wieder in die richtige Bahnen zu lenken.

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Im Namen der Kunst übernahm er Heinos Identität und erfand ab 1982 eine alternative Biografie für den Volksmusikstar. Laut Norbert erlebte Heino nämlich in Afrika seinen großen Wandel: Infolge dessen soll er mit einer „Negerkapelle“ zusammen auf Tour gegangen sein—ganz zum Missfallen seiner Plattenfirma Emi-Electrola. Diese soll ihn daraufhin gefeuert haben und den wahren Heino ersetzt haben mit einem Doppelgänger, Heinz Georg Kramm, der sich ab diesem Zeitpunkt Heino nannte. Der „wahre Heino“, alias Norbert, trat ab jetzt in den Punkläden Deutschlands und vor allen Berlins auf.

Der tatsächliche Heino (Kramm) sah diese Geschichte leider nicht so gelassen, und verklagte Norbert ursprünglich auf 500.000 DM wegen einer angeblichen Verwechslungsgefahr, was wohl selbst dem Richter absurd erschien. Norbert ließ sich nicht vom Auftreten abhalten und hing stattdessen immer die einstweilige Verfügung in jedem Konzertsaal auf. Hauptsächlich deswegen wurde er zu einer Geldbuße von 10.000 DM, beziehungsweise 20 Tagen Gefängnis verurteilt. Letzteres zog er vor. Um die Prozesskosten, die er ebenfalls tragen musste, zahlen zu können, veranstalteten seine Freunde, unter anderem Rocko Schamoni, die Goldenen Zitronen und die Toten Hosen 1986 ein Benefizkonzert für ihn im Berliner Tempodrom. Wir zeigen exklusive und unveröffentlichte Bilder von diesem Gipfeltreffen zwischen Punk- und Volksmusik.

Am Benefizkonzert für Norbert nahmen alle Größen der damaligen Punkszene teil; Rocko Schamoni, Die Toten Hosen, Die Goldenen Zitronen mit Schorsch Kamerun, die Waltones, die Subtones und der Fußballchor von Hansa 07 Kreuzberg. Das Tempodrom war an dem Abend komplett ausverkauft. Trotz der Befürchtungen des echten Heinos, kam es auch an diesem Abend zu keinen Verwechslungen. Archivfotos von Petra Gall.