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Die Leipziger Polizei ist extrem genervt von Gerüchten über kriminelle Ausländer

Nein, die Polizei musste keine Hubschrauber einsetzen, um gegen plündernde Flüchtlinge vorzugehen.

Screenshot: Facebook

Um ihre Angst vor dem Untergang ihres geliebten Vaterlandes zu rechtfertigen, lassen sich Deutschlands besorgte Bürger einiges einfallen. Jede tatsächlich von einem Asylbewerber begangene Straftat als Großereignis auszuschlachten und als Beweis für die moralische Verkommenheit eines jeden Flüchtlings heranzuziehen, ist ihnen längst nicht genug. Da die Ankunft von Hunderttausenden Asylsuchenden in der Gesamtbevölkerung bislang weder Angst noch Schrecken hervorgerufen hat, muss also von rechter Seite noch etwas nachgeholfen werden. Und da rechtes Gedankengut in einem Klima der kollektiven Angst vor fremden Eindringlingen besonders gut gedeiht, häufen sich in den Sozialen Netzwerken Meldungen über angebliche Straftaten von Ausländern. Über Asylbewerber, die deutsche Kinder verprügeln, deutsche Frauen vergewaltigen oder deutsche Supermärkte plündern.

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Dabei nutzen die Beschützer des Vaterlandes die angebliche Bedrohung auch dafür, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. So werden aus dem Zusammenhang gerissene Bilder mit wüsten Unterstellungen verbunden oder in mühevoller Kleinarbeit volksverhetzende Memes gebastelt, damit auch der letzte linksfaschistische Gutmensch kapiert, dass die deutsche Regierung das Land geradewegs in einen Bürgerkrieg steuert.

Die Polizei Leipzig ist von den Meldungen angeblicher Straftaten inzwischen extrem genervt, denn gerade in Sachsen hat die Polizei eigentlich genug damit zu tun, gegen Brandstifter zu ermitteln, die geplante Unterkünfte anzünden, oder sich um Fälle zu kümmern, bei denen es zwischen Bewohnern von Asylbewerberheimen zu Zwischenfällen gekommen ist. Trotzdem muss jeder Meldung, die sich in größerer Dimension über Facebook oder Twitter verbreitet, auf den Grund gegangen werden. Die Befragung von etwaigen Zeugen und die Protokollierung bedeutet für die Polizisten eine Menge Mehrarbeit. Der Polizeisprecher Andreas Loepki äußerte sich dazu jetzt gegenüber dem MDR: „Wir müssen das dann prüfen, bis wir sagen können: Alles erstunken und erlogen. Das bindet Arbeitskraft und Arbeitszeit." Sobald die Beamten allerdings Beweise fordern und angebliche Zeugen zur Befragung vorladen, werde es ganz schnell ruhig.

Nach Aussage des Leipziger Polizeisprechers gibt es weder Statistiken noch Anlasspunkte, dass Bewohner von Asylunterkünften in der Umgebung eine kriminelle Bedrohung darstellen. Im Gegenzug wird der Polizei vorgeworfen, Straftaten von Asylbewerbern absichtlich zu vertuschen. Falsche Anschuldigungen und Verschwörungstheorien gab es schon immer, allerdings lassen sie sich heutzutage sehr viel einfacher verbreiten und erreichen über die Sozialen Netzwerke schnell ein großes Publikum.

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„Es reicht, dass ein Depp—ich sag es mal so, denn es sind solche—irgendeine Halbwahrheit oder einen erfunden Sachverhalt postet. Wenn zwei oder drei andere das wiederum teilen, wird es wieder welche geben, die es auch teilen. So vermehrt sich das. Am Ende glauben die Leute, weil es 1.000 oder 2.000 andere irgendwo verlinken, dass das Gerücht wahr sein muss, weil so viele es schreiben. Nein, ist es eben nicht."

Raubüberfälle und Randale durch Asylanten aus Messehalle 4 im Globus Sachsenpark, G musste sogar geschlossen werden! #Legida #nolegida
— Legida (@legida_eu) 17. September 2015

Jüngstes Beispiel für den kreativen Einfallsreichtum einiger besorgter Bürger ist ein Vorfall, der sich letzte Woche angeblich im Leipziger Globus-Markt ereignet haben soll. Bewohner des Asylbewerberheims in der Nähe seien dabei „plündernd" und „randalierend" durch die Gänge des Marktes gezogen, bis der Markt schließen und die Polizei, um der diebischen Meute Herr zu werden, sogar Hubschrauber habe einsetzen müssen.

Der Besitzer des angeblich geplünderten Supermarktes wusste allerdings nichts von derlei Vorkommnissen und dementierte die Meldung entschieden: „Die in den Sozialen Netzwerken kommunizierten Informationen zum Thema Vorkommnisse, Überfälle oder dergleichen können wir nur in aller Form dementieren. Es gab weder Übergriffe noch Gewaltakte oder sonstige Dinge. Das sind Lügen, die verbreitet wurden. Wir können auch nicht sagen, dass ein signifikanter Anstieg von Ladendiebstahl seit der Eröffnung der Asylunterkunft in der Messehalle zu verzeichnen ist."

Trotzdem dürfte die Falschmeldung bei vielen Facebook-Usern auf fruchtbaren Boden gefallen sein und weiterhin für Nachahmer sorgen, denn von einer Behauptung bleibt in den Köpfen der Menschen immer etwas hängen, egal ob sie zutrifft oder völlig an den Haaren herbeigezogen ist.

Als kleiner Trost: Die Meldung, nach der ein Supermarktbesitzer eigenhändig seinen Laden leergeräumt und hungrige Neuankömmlinge mit Lebensmitteln versorgt hat, ist nicht ausgedacht und wurde auf Facebook rund 29.000 Mal geteilt.