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Der Datenschmutz

Die Polizei überwacht eure Handys

Ein Klassiker der Überwachung der Bürger ist die Funkzellenabfrage, mit der eure Handys angezapft werden.

Der eine oder andere scheint bei den momentanen Diskussionen um die NSA-Affäre eines zu vergessen: Nicht erst seit TEMPORA und PRISM wird in der Bundesrepublik bespitzelt wie schon seit Stasi-Zeiten nicht mehr. Vielmehr ist es schon seit einer ganzen Weile an der Tagesordnung, mit teilweise mangelnder Begründung Daten von dir, mir und der netten Oma von nebenan zu sammeln— egal ob schuldig, verdächtig oder komplett unbeteiligt.
 
Eine oft eingesetzte Methode der Überwachung sind dabei die sogenannten Funkzellenabfragen, sagt mir Juliane Heinrich, Pressesprecherin des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI).
 
Dabei werden durch eine Art Rasterfahndung die Telefondaten von Tausenden Unbeteiligten in einem bestimmten Umkreis gesammelt—mit dem eigentlichen Ziel, die Daten von einem oder weniger Verdächtiger zu bekommen. Technisch gesehen werden hier allerdings nicht die Inhalte aufgezeichnet. Weder die schlüpfrige Nachricht an die Liebesaffäre der Wahl, noch welchen Seite man im Internet aufgerufen hat, liegen im Fokus; immerhin.
 
Trotzdem wird der Funkkontakt zwischen Handy und Handymasten aufgezeichnet, um so Bewegungsprofile zu erstellen und herauszubekommen, wer sich wo und zu welchem Zeitpunkt aufgehalten hat. Eigentlich darf die Funkzellenabfrage nur eingesetzt werden, wenn die Behörden keinen anderen Ermittlungsansatz mehr finden können und somit nur noch die Funkzellenabfrage als letzte Option übrig bleibt.

Dass diese Option oft eher früher als später wahrgenommen wird, zeigt der Fall einer Demo gegen Rechtsradikale am 19. Februar 2011 in Dresden. Dort hatten die Sicherheitsbehörden wie mit einem riesigen Fischereischleppnetz konsequent sämtliche Handyverbindungsdaten von allen Personen aufgezeichnet, die sich in der Dresdener Innenstadt befanden, und diese ausgewertet. Und das alles, um herauszufinden, ob ein paar Demonstranten dabei waren, die bereits in der Vergangenheit gerne „Polizistenklatschen“ gespielt hatten.
 
Ähnliches passierte 2009 in Berlin, als eine Serie von Brandanschlägen die Behörden dazu veranlasste, fast den kompletten Bezirk Friedrichshain unter Generalverdacht zu stellen, um die mutmaßlichen Brandstifter zu erwischen—ohne Erfolg.
 
Und obwohl sämtliche Abhörmethoden und Datensammelaktionen hier ganz gerne mal mit der Prämisse: „Das wird nur gemacht, um uns alle vor Terrorismus und schwerster Kriminalität zu schützen“, verteidigt werden, sieht die Realität meist anders aus. Die Liste der Verbrechen, die so eine Komplettüberwachung rechtfertigen, ist so lang wie ermüdend zu lesen. Dennoch hätte die Funkzellenabfrage in einigen Fällen überhaupt nicht beantragt, geschweige denn durchgeführt werden dürfen, zum Beispiel bei Trickbetrügereien, einem Handtaschenraub oder Einbrüchen. Von einer wirklichen Gefahr für die Allgemeinheit kann hier nicht mehr wirklich die Rede sein.
 
Auch für Alexander Morlang, Mitglied der Piratenpartei in Berlin, existiert keinerlei Verhältnismäßigkeit mehr bei solchen Methoden—auch nicht bei der übertriebenen Erfassung Unschuldiger. Seiner Meinung nach genügt es in einer Metropole wie Berlin schon in kurzer Zeit drei mal am falschen Ort zu, um in den Kreis der vermeintlichen Verdächtigen zu geraten. „Unschuldig bis die Schuld bewiesen ist“ scheint unter diesen Umständen genau so zur Vergangenheit zu gehören wie die Illusion, in der Anonymität der großen Stadt abtauchen zu können.

 
Schon im letzten Jahr wies Dr. Alexander Dix, Landesbeauftragter für Datenschutz, daraufhin, dass es sich bei der Funkzellenabfrage um einen besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegesetz handele, weil eine riesige Menge Unbeteiligter ins Visier gerät, ohne darüber informiert zu werden.
 
Auch kam er zu der traurigen Einsicht, dass die Überwachung des Telefonverkehrs „offensichtlich zum alltäglichen Ermittlungsinstrument geworden ist, das routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird.“ Dass jeder Überwachte im späteren Verlauf nicht benachrichtigt wurde, wie es das Gesetz eigentlich eindeutig vorschreibt, oder dass die Daten auch nach den Ermittlungen in vielen Fällen nicht gelöscht werden, sind dabei nur die Kirschen auf dem Eisbecher der Volksüberwachung—den wir uns wohl gezwungenermaßen schmecken lassen müssen.
 
Aber was kann man überhaupt dagegen tun? Nicht viel, meint Juliane Heinrich. Ihrer Meinung nach sollte viel mehr die Bundesrepublik Deutschland in der Pflicht stehen, den Bürger zu schützen. So sollte es hohe Anforderungen an die Ermittlungen und viel konkretere Vorgaben geben, wann solche Überwachungsmethoden überhaupt eingesetzt werden dürfen.
 
Bisher ist das nicht der Fall; und das große Problem solcher Methoden bleibt trotz solcher—absolut nachvollziehbarer—Forderungen bestehen: Die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen werden nach und nach beschnitten und ausgehöhlt. Und wenn man diese Daten erst mal zur Hand hat, warum sie dann nicht auch gleich nutzen? Denn eines ist klar: Mit fortschreitender technischer Entwicklung der Kommunikation erweitern sich auch die Möglichkeiten, diese Technik zu überwachen.