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Reisen

Die Mikronation Saugeais wird nicht anerkannt, hat damit aber auch kein Problem

Die Mikronation 200 km von der deutschen Grenze entfernt hat ihre Präsidentin 1972 per Applaus-O-Meter gewählt und wird für ihre ironische Hymne gelobt.

Die Republik von Saugeais ist eine 128 km² große Mikronation im Departement Haut-Doubs im Osten Frankreichs. Obwohl sich das Land 1947 für unabhängig erklärt hat, wurde es international noch nicht anerkannt. Doch im Gegensatz zu anderen abtrünnigen Nationen liegt das nicht daran, dass seine Bürger den Weltfrieden stören—die Menschen in Saugeais sind keine Anarchisten, Liberalisten oder Leute, die kirchliche Roben tragen.

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Die Republik wurde als Scherz zwischen dem Präfekten des Departements und einem Restaurantbesitzer gegründet, der 1947 zum ersten Präsidenten von Saugeais ernannt wurde. Der Ort ist ein bisschen entspannter als der Durchschnittsstaat—das Fremdenverkehrsamt lobt die Nationalhymne der Republik für ihren Sinn für Humor und Ironie und eine Präsidentin wurde per Applaus-O-Meter gewählt. Allgemein handelt es sich den Einwohnern um eine Gruppe älterer Menschen, die eine Nutzen aus dem Spaß gezogen haben, um ihre Gemeinde zu institutionalisieren und Touristen anzuziehen.

Ich habe mit Louis Perrey, dem Generalsekretär von Saugeais, telefoniert, um Wissenswertes über die Republik zu erfahren und zu fragen, wie ernst die Bürger sich selbst nehmen.

VICE: Welche Aufgaben haben Sie als Generalsekretär?
Louis Perrey: Ich bin die rechte Hand der Präsidentin. Ich beantworte E-Mails, kümmere mich um ihren Terminplan, die Zollabfertigung, und erkläre Touristen die Geschichte von Saugeais.

Ich organisiere auch unsere alljährlichen Veranstaltungen. Wir haben einen Nationalfeiertag, der ist den Ehrenbürgern von Saugeais gewidmet. Wir empfangen um die 500 Gäste und veranstalten ein großes Essen, während dessen die Präsidentin die Ehrenbürger vorstellt, ihnen Medaillen und Diplome verleiht und danach eine Rede hält.

Die Armee ist auch manchmal für eine Parade da, also müssen wir sie empfangen wie jeden anderen Besucher auch.

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Wie alt ist Saugeais?
Saugeais gibt es schon seit dem Mittelalter, das ist historisch belegt. Die Republik Saugeais gibt es seit 1947.

Übrigens begann alles mit einem Scherz, also spielen Sie bitte dabei mit. Georges Pourchet war unser erster Präsident, danach übernahm seine Frau, Gabrielle Pourchet, das Amt. Jetzt regiert ihre Tochter Georgette. Sie werden auf Lebenszeit gewählt, diese Tradition wollen wir auch beibehalten. Die ganze Sache kurbelt den Tourismus an. Wir haben lokale Spezialitäten, die wir bekannt machen möchten: geräucherte Fleischsorten, Pökelfleisch und Molkereiprodukte.

Würden Sie gerne echte Unabhängigkeit erlangen?
Nein, ich denke nicht. Das wäre sehr schwierig. Wir stehen in Kontakt mit diesen freien Gemeinden oder Republiken oder Mikronationen, aber das wäre nichts für uns. Wenn das so einfach wäre, würden wir uns das vielleicht überlegen, aber von irgendetwas müssen wir ja leben. Unsere Steuern zahlen wir natürlich in Frankreich.

Haben die Bürger von Saugeais ihre eigene Identität?
Ja, natürlich! Wir haben unsere eigene Hymne, die bis ins Jahr 1910 zurückgeht. Der Text wurde in „Sauget" verfasst, unserer eigenen Sprache. Saugeais wurde 1199 von einer päpstlichen Bulle anerkannt. Papst Innozenz III erkannte die Unabhängigkeit der Mönche an, die in dieser Region lebten, nachdem Siedler sich hier niederließen. Sie kamen hauptsächlich aus dem Savoyen. Der Dialekt, der damals entstand, wird heute immer noch von einigen älteren Menschen gesprochen.

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Um Saugeais ranken sich ja auch einige Legenden. Ist die Gründungsgeschichte wirklich wahr?
Ja. Im April 1947 war der Präfekt des Departments im Restaurant der Pourchets zu Gast. Pourchet scherzte gerne mit seinen Gästen herum und fragte deshalb den Präfekten, ob er einen Pass dabei hätte, um in Saugeais einreisen zu können. Der Präfekt ließ sich das Ganze erklären und sagte dann: „Das kommt ja wie eine Republik daher, aber eine Republik braucht auch einen Präsidenten. Ich erkläre Sie deswegen zum Präsidenten der Republik Saugeais."

1968 starb Pourchet schließlich. Seine Witwe wurde bei einer Feier mit allen Bürgern per Applaus-O-Meter zu seiner Nachfolgerin bestimmt. Das war 1972 und sie blieb bis 2005 Präsidentin—da war sie schon 99 Jahre alt.

Danach haben wir eine Verfassung entworfen, weil wir nicht immer eine Scherzwahl abhalten oder den Applaus-O-Meter entscheiden lassen wollten. Es wurden 30 Präsidentschaftswähler bestimmt, und zwar proportional zu der Einwohnerzahl der 11 Gemeinden von Saugeais. Im Januar 2006 wählten sie unsere neue Präsidentin, Georgette Bertin-Pourchet. Zu gewissen Anlässen—Amtseinführungen, Empfänge und Einladungen—trägt sie eine Schärpe in den Farben der Flagge von Saugeais.

Offiziell ist Saugeais eine demokratische Republik, in Wahrheit handelt es sich jedoch eher um ein Königreich, oder?
Ja, das sagen uns viele Leute. [lacht] Inzwischen ist die Präsidentin schon 80 und hat keine Kinder, also mal sehen.

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Ich habe auch gelesen, dass Sie 12 Botschafter anstellen.
Sie werden während des Taga der Ehrenbürger von Saugeais gewählt. Sie sind dann in der Schweiz, in Belgien und in den angrenzenden Gegenden tätig. Die Botschafter und die Ehrenbürger helfen uns dabei, Saugeais außerhalb seiner Grenzen bekannt zu machen. Das bringt die Touristen zu uns.

Das Wappen von Saugeais. Foto: Wikicommons | CC BY-SA 2.5

Schön. Wir wird man zum Ehrenbürger?
Die Nachfrage ist groß, es werden aber jährlich nur zehn oder zwölf Titel vergeben. Die Präsidentin trifft diese Entscheidung.

Kommen wir zu letzten Frage. Wie ernst nehmen Sie das Ganze?
Saugeais existiert, daran gibt es keinen Zweifel. Wir haben unseren eigenen Dialekt und unsere eigene Nationalhymne. Unser Hauptziel besteht vor allem darin, unser Land bekannt zu machen.

Die letzten Worte gehören Ihnen.
Vive la République du Saugeais und vive la France!