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Reisen

Die Seelenfresser von Kambodscha

Christliche Freikirchen fallen in Südostasien ein und machen mit Gott und Geld Jagd auf die Ärmsten der Armen.

Kambodscha ist eines der ärmsten Länder der Welt. Hier sterben noch immer Kinder an Mangelernährung, die medizinische Versorgung ist erbärmlich und die staatliche Infrastruktur korrupt bis ins Mark. Der Durchschnittslohn eines Arbeiters liegt unter 25 Dollar im Monat, falls er denn Arbeit findet. Genau hier würde es sich lohnen, nachhaltige Entwicklungshilfe zu leisten.

Stattdessen lassen sich neben den NGOs, die den Kambodschanern nach der Zerstörung durch die Roten Khmer tatsächlich beim Wiederaufbau helfen, aber auch immer mehr eigennützige Hilfswerke hier nieder. Und ihr Ziel ist nicht der Bevölkerung zu helfen. Die freikirchlichen Missionare fallen unter dem Deckmantel der Nächstenliebe in das buddhistische Land ein, um Nothilfe gegen christlichen Glauben einzutauschen.

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„Das Land liegt spirituell brach und ist reif für die Christianisierung“, äusserten sich Exponenten der missionarischen Freikirchen in Siem Reap in einem Online-Forum. Siem Reap ist das Städtchen bei den weltberühmten Tempeln von Angkor Wat, einem der spirituellen Zentren unseres Planeten.

Aber dass Siem Reap und Angkor Wat die Zentren kambodschanischer Kultur und Religion sind, hindert die Missionare keineswegs daran, die örtliche Khmer-Kultur und die spezielle buddhistische Geschichte Kambodschas völlig zu missachten. Sie interessieren sich nur dafür, genau hier ihre Christianisierung voranzutreiben. Damit stossen sie allerdings auch bei ortsansässigen Europäern auf Unverständnis. In der Expat-Gemeinschaft führte das zu einer Auseinandersetzung, die es sogar bis in die Phnom Penh Post schaffte. Exponenten der säkuleren Hilfsorganisationen lieferten sich hier Wortgefechte und Leserbriefschlachten mit den christlichen Missionaren.

Wenn man jetzt vereinzelte christliche Fanatiker erwartet, die versuchen, das eine oder andere Kind auf die Seite ihres Gottes zu ziehen, macht man sich nicht die richtige Vorstellung vom Ausmass der christlichen Missionstätigkeit. Das grösste der in Kambodscha tätigen Missions-Unternehmen ist World Vision. Dessen Einkommen an Spenden betrug im Jahr 2008 rund 2,6 Milliarden US-Dollar. World Vision hat beratenden Status bei der UNESCO und Partnerschaften mit UN-Organisationen wie UNICEF, WHO und UNHCR. In den USA kommt es häufig zu einer Zusammenarbeit mit Entwicklungshilfeprogrammen der Regierung—und das, obwohl World Vision klar die Missionierung von Nicht-Christen in seinen Statuten hat.

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Das bekannteste Finanzierungsinstrument von World Vision sind Kinderpatenschaften. Man kennt sie aus den Werbespots mit den süssen kleinen Kindern, die grossäugig in die Kamera schauen. Theoretisch ist es auch ein sehr gutes System: Man kann für weniger als fünfzig Dollar pro Monat Verantwortung für ein Kind und dessen Ausbildung übernehmen. Die ganze Sache hat aber einen Haken: Mit jedem dieser Dollars wird dem Patenkind auch gleich eine Dosis christliche Religion gefixt.

World Vision geht sehr freizügig mit den Patenschafts-Geldern um, wie wir von Roger Valkenborghs, einem ehemaligen belgischen UN-Offizier, erfahren, der in Siem Reap eine kleine Schule für kambodschanische Kinder baut: „World-Vision-Verantwortliche vor Ort fahren mit Luxuswagen, üblicherweise Lexus oder Porsche Cayenne, haben mehrere Hausangestellte und verfügen über grossräumige Büros und aufwändige Infrastruktur in Siem Reap und Phnom Penh.“ Zudem empfindet Valkenborghs die Anstrengungen von World Vision vor Ort als absolut ineffizient: „Sie bauen beispielsweise nicht funktionierende Brunnen, um ihre regionalen Vorgaben zu erfüllen. Es kommt vor, dass ich bei Häusern, die bereits einen World-Vision-Brunnen besitzen, einen zweiten, funktionierenden hinbauen muss.“

World Vision mag die grösste und kapitalintensivste Missionsmaschine sein, aber sie ist sicher nicht die fanatischste. Die kleineren christlichen Gemeinden bilden die Speerspitze der Brot-gegen-Glauben-Christianisierung. Unter diesem Aspekt sind die Siebenten-Tags-Adventisten die Aktivsten. Sie gelten sogar unter den anderen Freikirchen als sektiererisch, und das will einiges heissen. Laut den Nachbarn der Schule und dem NGO-Umfeld in Siem Reap leben in der Adventisten-Schule Wat Preah Yesu (Tempel Jesu) eingesammelte Waisenkinder vollständig isoliert und werden einer intensiven Gehirnwäsche unterzogen. Es ist ihnen verboten, am kulturellen Leben der (buddhistischen) Gemeinde teilzunehmen und sie müssen den Adventisten-Gottesdienst besuchen, da sie andernfalls jede Unterstützung verlieren. Die Adventisten haben hier sogar eine Art kambodschanisches Zuchtprogramm entwickelt: Sie nehmen Waisen in ihre Schule auf, isolieren sie von jeglichem traditionellen kambodschanischen Einfluss und lassen sie, sobald sie das richtige Alter erreicht haben, nur andere Waisen aus dem Programm heiraten. Sollte sich ein Kind der Gehirnwäsche widersetzen, landet es wieder in Hunger und Armut. So sieht also die Nächstenliebe im Sinne dieser Freikirchen aus.

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Aber auch kleinere freikirchliche Gemeinschaften wittern in Kambodschas Seelenfänger-Industrie fette Beute. Inzwischen scheint es sich bei den radikalsten unter ihnen herumgesprochen zu haben, dass man in Kambodschas Seelen-Fass am besten mit Dynamit fischt. Im Ausländerforum in Siem Reap sucht zum Beispiel ein Missionar eine „Villa mit kleinem Garten“ für sich und seine Familie. Sie kommen direkt von der freikirchlichen Grand Canyon University in Phoenix:

Hubert Tutwiler:

„Greetings everyone, I should arrive in Siem Reap in July with my wife & 3 small kids hoping to find at least a 2 bed-room home, villa, or apartment (any style) with a small grass type courtyard as my kids love to play outdoors. Please keep in mind, we are hoping to become full time missionaries working with disadvantaged children so our budget is limited as we are not fully funded yet.”

Das letzte Mal, dass die Welt einen derartigen Kulturmord beobachten konnte, war, als die Katholiken die amerikanischen Ureinwohner missionierten. Natürlich verbreiten die Freikirchen heute ihren Glauben nicht mit Schwert und Pocken. Sie benutzen dazu Hunger und Armut. Weniger blutig, aber genauso tödlich effizient: Glaub oder stirb. Sie kaufen Seelen mit unseren Spendengeldern und löschen damit nach und nach die jahrtausendealte Kultur der Khmer aus.