Die traumhafte und eigennützige Welt von Andreas Trogisch

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Die traumhafte und eigennützige Welt von Andreas Trogisch

Der Fotograf Andreas Trogisch über „Fotografenwitwen", selbstdekorierte Schaufenster und egoistische Fotografen.

Vor unserem Gespräch hatte ich eigentlich noch nie wirklich etwas von dem Fotografen Andreas Trogisch gehört. Das ist allerdings auch nicht wirklich verwunderlich, denn nur wenige seiner Arbeiten wurden auch veröffentlicht. Jetzt hat er sich mit seiner Frau zusammengesetzt, eine große Menge seiner Bilder zusammengesammelt und dabei die besten sorgfältig ausgewählt. Herausgekommen ist ein Buch namens Replies (Peperoni Books, 2014)—eine Sammlung von „Unterhaltungen", die der Fotograf in den letzten 32 Jahren mit seiner Umgebung geführt hat. Jedes Bild spricht dabei für sich selbst, es gibt keinen wirklichen roten Faden und mit den Arbeiten soll auch keine Botschaft übermittelt werden. Andreas Trogisch ist einfach nur ein Fotograf, der die für uns unauffälligen und verborgenen Details festhält und seine Bilder wie Musik auffasst.

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VICE: Wie würdest du deine Art der Fotografie beschreiben?
Andreas Trogisch: Ich bin zu nah dran, um von Landschaftsaufnahmen zu reden, aber auch zu weit weg, um den Begriff Stillleben verwenden zu können. Es ist irgendetwas dazwischen. Vielleicht kann man das Ganze als Anordnung beschreiben—als die Art und Weise, wie die Motive, das Licht und die Schatten zusammenspielen. Leere Versprechungen finde ich faszinierend. Dafür habe ich einen sechsten Sinn. Davon werde ich angezogen.

Suchst du für deine Fotos gezielt nach Dingen, die andere Leute vielleicht übersehen?
Ich glaube, dass viele meiner Motive den Leuten erst auffallen, nachdem ich ein Bild davon gemacht habe. Vielleicht findet man den Schatten einer Katze ganz hübsch, aber ich bin dann derjenige, der auch wirklich ein Foto davon schießt. So gehe ich an die Sache ran und ich habe auch ständig meine Kamera dabei. Manchmal kann ich deswegen auch richtig nervig sein. Aber das ist ein Problem, das alle Fotografen haben. Ein Freund von mir nennt das die „Fotografenwitwe", die immer zehn Meter vor ihm steht und auf ihn wartet.

Einige deine Bilder muten sehr abstrakt an und viele haben etwas Traumartiges an sich. Wirst du von so etwas inspiriert?
Ja, aber niemals wortwörtlich. Ich habe den Buchkapiteln auch keine Namen gegeben, weil man so riskiert, dass eine gewisse Variabilität verloren geht. Bei Musik ist das genauso: Vielleicht ist nicht gleich alles verständlich, aber das muss auch gar nicht so sein, denn man kann auch einfach nur zuhören und sich davon erfüllen lassen. Fotos und Musik sind keine Rätsel, die man unbedingt lösen muss. Das Problem besteht nicht darin, dass jeder ein Bild anders interpretiert—das ist ganz normal. Der Betrachter sollte jedoch nicht den Fehler machen und das Motiv zerstören, indem er versucht, es zu entschlüsseln.

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Werden deine Arbeiten also von Musik beeinflusst?
Während meiner Ausbildung haben wir immer über den Klang von Bilder gesprochen. Klang bezieht sich in dem Fall darauf, wie Schwarz, Grau oder Weiß zusammenspielen—wie verschiedene Instrumente. Da gibt es den Klang von Schwarz und Dunkelgrau, von Weiß und Hellgrau. Das sind dann die Geigen und der Bass. Die starken Kontraste sind der Schlagzeug-Beat. Manche Leute verstehen mich, wenn ich vom wunderschönen Klang eines Bildes rede.

Gibt es einen bestimmten Ort, an dem du besonders gerne Fotos machst?
Nun, ich mache überall gerne Fotos. Ich habe jedoch Angst davor, dass gewisse Dinge verschwinden. Hier in Deutschland existieren solche Sachen wie weitläufige, leere Flächen, riesige unverputzte Wände und von den Ladenbesitzern dekorierte Schaufenster schon fast gar nicht mehr.

Was genau fasziniert dich an diesen selbst dekorierten Schaufenstern so sehr?
Sie sind interessant, weil sie etwas Surrealistisches, Witziges, Unterhaltsames und Unkommerzielles an sich haben. Bei den Schaufenstern von großen Unternehmen ist das nicht so, die sind richtig leb- und makellos. Wenn man so etwas fotografiert, dann benutze ich dafür gerne den Ausdruck ‚Diplomatenjagd'. Das Wild wird extra für den Jäger rausgelassen und festgehalten—er muss nur noch zielen und abdrücken. Man bewegt sich in einem Rahmen, der extra für diesen Moment geschaffen wurde. So etwas reizt mich gar nicht, aber leider wird das immer mehr zur Norm.

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Ist es dir wichtig, dass die Leute unterschiedlich auf deine Fotos reagieren?
Das ist mir egal. Meiner Meinung nach bin ich die wichtigste Person für das Foto und deswegen muss ich auch derjenige sein, dem es am besten gefällt. Ich finde es wichtig, bei einem Bild das perfekte Verhältnis zwischen den Motiven und den Schatten zu finden. Ich denke mir dann, dass genau das mein Ziel war und wenn jemand anderes der gleichen Meinung ist, dann bin ich glücklich. Wenn du allerdings etwas ganz anderes in einem Foto siehst, dann finde ich das auch vollkommen OK.

Macht dich das nicht irgendwie zu einem egoistischen Fotografen?
Ja, irgendwie schon. Einige Fotografen beachten die Reaktionen auf ihre Bilder gar nicht, sie machen einfach nur das, was sie für richtig halten. Ich bin die einzige Person, deren Meinung für mich wirklich wichtig ist.

Glaubst du, dass sich deine Herangehensweise mit zunehmendem Alter und mit größerer Beachtung verändern wird? Du hast mit deinen Fotos ja bisher noch nicht so viele Leute erreicht und konntest vielleicht deswegen so eigennützig arbeiten.
Ich hoffe, dass ich auch weiterhin so arbeiten kann, denn an diesem Qualitätsstandard sollte ich mich orientieren. Wenn sich für mich etwas richtig anfühlt und ich damit vollkommen zufrieden bin, dann wird es meiner Meinung nach auf jeden Fall auch Leute geben, die genau das erkennen und spüren. Sie wissen, dass das Foto zumindest für eine Person perfekt ist.

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