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Popkultur

Woher kommen eigentlich die Elastan-Hotpants der WWE?

Vielleicht macht diese Frau auch irgendwann die pinken Spandex-Hotpants für Tim Wiese.

Gray (Mitte) und ihre Divas. Alle Fotos: bereitgestellt von Sandra Gray

1994, ein Stoffladen in Marietta, Georgia: Eine junge Frau betritt das Geschäft und ist auf der Suche nach jemandem, der ganz kurzfristig ein Kostüm für ihren Freund schneidern kann. Zwei Jahre später sollte diese junge Frau zur WWE-Diva Sable werden, eine hübsch anzusehende Wrestling-Modeikone. Bei ihrem damaligen Freund (und inzwischen Ex-Mann) handelte es sich um den Wrestler Johnny B. Badd aka Marc Mero—er brauchte dringend ein Outfit, das er bei einer Pay-Per-View-Veranstaltung tragen konnte, die in jener Woche in North Carolina stattfand.

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Zu besagtem Zeitpunkt befand sich nur Sandra Gray im Stoffladen. Obwohl gerade unzählige Aufträge für Abschlussballkleider anstanden und sie noch nie zuvor mit Elastan gearbeitet hatte, wies Gray die verzweifelte Sable an, später bei ihr zu Hause vorbeizukommen, um die Sache anzugehen. Diese zufällige Begegnung bescherte Gray eine neue Karriere als Schneiderin und Designerin für die WWE—und diesen Job hat sie auch jetzt nach über 20 Jahren noch inne.

Am Anfang hatte Gray mit dem professionellen Wrestling-Geschäft noch nichts am Hut; ihre beiden Söhne dafür umso mehr.

„Sie wussten genau, wer Johnny B. Badd war", erinnert sie sich. „Sie waren total aus dem Häuschen. Deshalb nahm ich den Auftrag auch an, obwohl mir der Stoff Elastan relativ unbekannt war, und fertigte für ihn eine dieser knappen Wrestling-Hosen an. Ich wusste nicht, welche Technik ich anwenden sollte, und konnte auch niemanden um Rat fragen. Ich habe einfach mein Bestes gegeben und meine Arbeit war dann live im Fernsehen zu sehen. Meine ganze Familie war total aufgeregt."

Die Wrestling-Brüder Stardust und Goldust tragen Grays Kreationen.

Die Familie versammelte sich vor dem Fernseher, um das Match anzuschauen. Dabei schrien sie ständig „Lass ihn runter!", als Johnny B. Badd mehrfach hochgerissen und auf die Ringecke gehoben wurde. Glücklicherweise hielt dabei seine Hose der Belastung stand und nach der Show rief Marc Mero bei Gray an, um sich zu bedanken.

„Es hat mir wirklich viel bedeutet, dass er sich die Zeit nahm, um mich anzurufen", erzählt sie. „So bekam ich einen Fuß in die Tür des professionellen Wrestlings. Ich muss anscheinend gute Arbeit geleistet haben, denn er erzählte all seinen Kollegen, wo er die Hose her hatte. Das verhalf mir zu vielen Aufträgen. Im Grunde habe ich mir einfach alles selbst beigebracht."

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Seit ihre Mutter bei einer Bingo-Veranstaltung auf einem Armeestützpunkt eine Nähmaschine gewonnen hat, ist Gray eine autodidaktische Schneiderin. Damals spielten sie und ihre Geschwister alle mit der Maschine herum, aber bei ihr ist das Ganze irgendwie hängen geblieben. Als in diesem Jahr die Schule wieder anfing, hatte sie bereits ihre ersten Klamotten selbst genäht.

Ihre Fähigkeit, schnell eine Technik zu erlernen und so etwas Schönes und Funktionales mit viel Glitzer zu kreieren, hat Gray immens weitergeholfen. Viele Leute—vor allem die, die mit der Welt des Pro-Wrestlings nicht so sehr vertraut sind—unterschätzen oft, wie viel Aufwand in die wöchentlich stattfindende Veranstaltung Monday Night Raw gesteckt wird, die das Unternehmen ohne Pause in immer unterschiedlichen Städten aufzieht.

„Wir sind wie eine Familie", erzählt Gray. „Ich betrachte uns als eine Art Zirkus. Wir kommen zusammen, fahren in eine Stadt und stellen dort dann diese riesige Show auf die Beine. Dann ist alles vorbei und wir ziehen weiter in die nächste Stadt. Aber wir lieben das, was wir machen, und es sind so viele Leute vonnöten, damit alles rund läuft. Das ist einfach eine tolle Sache."

Ein junger Regisseur namens Max Landis unterstreicht mit seinem Kurzfilm Wrestling Isn't Wrestling das Schöne an der WWE. Er bezeichnet Monday Night Raw als „die beste Seifenoper im Fernsehen" und findet die richtigen Worte für die Gefühle, die so viele Wrestling-Fans empfinden, wenn sie von ihrer Leidenschaft reden: Das Ganze kann zwar manchmal auch richtig kitschig sein, aber wenn es gut ist, dann ist es wirklich gut. Gray gehört zu einer Kerngruppe, die für die Kostüme verantwortlich ist—Kostüme, die erwachsene Menschen davon träumen lassen, für einen Tag Wrestler zu sein.

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Obwohl sie ihren Beruf jetzt schon seit über 20 Jahre ausübt, blüht Gray bei den stressigen Situationen und spontanen Kollaborationen richtig auf, die nunmal vorkommen, wenn man jede Woche die gesamte Garderobe für eine ganze Reihe von Darstellern kreieren muss. Sie fertigt viele Outfits der WWE-Divas an und arbeitet mit zwei anderen Schneiderinnen zusammen. Gray ist an einem Punkt ihrer Karriere angelangt, an dem ihre Chefs eigentlich nichts weiter als „Das Outfit muss Montagabend fertig sein" sagen müssen.

Die Wrestler geben Gray vielleicht eine Farbe vor oder besprechen mit ihr einen gewünschten Look, aber dann übernimmt die Schneiderin das Kommando und verwandelt das Ganze in eine verschönerte Version. Dabei achtet sie sehr auf die Persönlichkeiten der Wrestlerinnen, was bei individuellen Outfits für sechs verschiedene Frauen auch sehr wichtig ist. Egal ob es sich nun um die sexy und sportliche Optik von Nikki Bella oder den neonfarbenen Discoqueen-Look von Alicia Fox und Cameron handelt, die Outfits müssen sowohl den Charakter widerspiegeln als auch den Belastungen eines Sprungs vom obersten Ringseil standhalten.

„Die Kostüme müssen wirklichen einiges mitmachen und deswegen gibt es eigentlich auch nur eine bestimmte Technik für die Verarbeitung von Elastan", erklärt Gray. „Sie müssen eng am Körper anliegen und man muss sie richtig spüren. Wenn die Wrestler im Ring an ihren Outfits herumzupfen oder diese richten müssen, dann habe ich keine gute Arbeit geleistet, denn irgendetwas scheint nicht richtig zu passen."

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Dieses Jahr findet die 31. Ausgabe von WrestleMania, der größten Wrestling-Veranstaltung überhaupt, in Santa Clara statt. Gray zieht einen Vergleich zu Weihnachten und sagt, dass es immer irgendwelche Dinge in letzter Minute zu erledigen gibt, egal wie gut man sich auch auf alles vorbereitet hat. Jetzt gerade schlägt sie sich die Nächte um die Ohren, um die Kostüme für die Halbbrüder Stardust und Goldust—eines der etwas bizarreren Wrestling-Duos—fertigzustellen.

Während des ganzen WrestleMania-Rummels ist Gray auch schon in der Fernsehserie Total Divas gelandet. Dort wurde gezeigt, wie sie mit einer Lieferung von falschen Federn umgegangen ist—Hühnerfedern kommen nun mal nicht so gut an wie die Federn der Showgirls von Las Vegas. Die Panikmomente führten zu amüsanten Szenen, in denen Gray hastig alles neu organisiert und die Frauen dabei ankeift, ihr „ein paar Minuten lieber aus dem Weg zu gehen."

Die Teammitglieder gehen sich gegenseitig auch schon mal auf die Nerven—aber das lässt sich nicht vermeiden, wenn man Woche für Woche miteinander durchs Land reist. Wenn Gray jedoch von der Zusammenarbeit erzählt, dann redet sie wie stolze Eltern von ihren Kindern. Sie erklärt mir, dass sie die Total Divas-Kameras quasi gar nicht wahrgenommen hat, weil sie so mit ihrer Arbeit beschäftigt war. Die Wrestlerinnen sollten für ihr WrestleMania-Debüt schließlich toll aussehen. Im Gegenzug unterstützen die Sportler und das WWE-Unternehmen die Schneiderin, wo sie nur können.

Wenn sie nicht gerade Wrestler-Outfits entwirft, beschäftigt sich Gray zu Hause in Florida mit ihrer anderen Leidenschaft, nämlich Vintage-Klamotten. Bei Etsy betreibt sie einen Vintage-Shop namens SGO Vintage und vor Kurzem hat sie eine Modeschau zugunsten eines örtlichen Frauenhauses veranstaltet. WWE-Wrestler wie Cesaro oder Roman Reigns haben schon für Gray gemodelt. „Die Athleten tragen die ganze Zeit nur Elastan. Wenn sie sich dann mal richtig in Schale werfen können, ist das eine willkommene Abwechslung", erzählt Gray. „Wenn sie einen Smoking oder ein Abendkleid anziehen dürfen, dann sind sie sofort Feuer und Flamme—die Männer genauso wie die Frauen. Das finde ich richtig toll. Sie kommen vorbei und fragen mich dann direkt, was sie machen oder wo sie sich hinstellen sollen."

Grays herzliche Beziehung zu den Wrestlern hat ihre Begeisterung für ihren Beruf über die Jahre aufrecht erhalten—egal ob sie dabei nun die schwarz-goldenen Latex-Anzüge für Goldust oder die Spring Breaker-Shorts mit den Worten „Show Off" auf dem Gesäß für Dolph Ziggler anfertigen muss. „Ich habe die Möglichkeit, das zu tun, was ich liebe. Und zusätzlich reise ich noch mit diesem tollen Unternehmen durch das Land", sagt sie. „Wenn ich etwas aus einem Haufen Stoff erschaffe, dann gibt es auf der ganzen Welt Leute, die meine Outfits umwerfend finden. Das fühlt sich richtig gut an."