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Diese junge Frau hat eine neue Methode entwickelt, um Prostitutionsringe hochzunehmen

Als Studentin erschuf Emily Kennedy ein Programm, das Behörden dabei hilft, Prostitutionsringe durch öffentlich zugängliche Daten zu verfolgen.

Foto: Duald | Flickr | CC BY 2.0

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Letztes Jahr saß Emily Kennedy auf einer Polizeiwache in L.A. Die 25-Jährige war nicht in Schwierigkeiten—sie half bei einer großen Operation.

Eine Gruppe Mädchen saß im Revier und wurde befragt. Kennedy hörte zu, wie ein Detective einer von ihnen beiläufig wirkende Fragen stellte. Es klang nicht wie ein Verhör; der Detective und das Mädchen saßen einfach nur zusammen und warteten. „Gehst du zur Highschool?", fragte er. „Was ist dein Lieblingsfach? Magst du Sport?" Das Mädchen antwortete; sie hatte sichtbar Angst und war von dem offensichtlichen Machtgefälle eingeschüchtert.

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Kennedy sah von einem Schreibtisch aus zu. Ziel dieser Operation war es, minderjährige Prostituierte zu finden und zu retten, und der Detective versuchte nun zu ermitteln, ob diese Mädchen zu ihnen gehörten.

Das Los Angeles Police Department hatte Monate damit verbracht, sich den Prostitutionsringen der Stadt anzunähern. Die Polizeibeamten hatten potentielle Verdächtige und Opfer mit einer analytischen Software verfolgt—und Kennedy hatte diese Software entwickelt. Sie war auf dem Polizeirevier, weil es ihr Job ist: Sie hilft dabei, die Opfer des Menschenhandels zu schützen, indem sie programmiert.

Traffic Jam, wie ihr Programm heißt, hilft den Behörden dabei, Prostitutionsringe mithilfe öffentlich zugänglicher Daten zu verfolgen. Das Projekt nahm seinen Anfang, als Kennedy Bachelor-Studierende an der Carnegie Mellon University war. Seit ihrem Abschluss hat sie die Firma Marinus Analytics gegründet, der sie nun als CEO vorsteht.

Ich habe mich vor Kurzem mit Kennedy über Marinus und ihren digitalen Kreuzzug gegen den Menschenhandel unterhalten. „Menschenhandel ist das große Verbrechen unserer Zeit", sagte sie. Und Kennedy beschäftigt sich schon seit langer Zeit damit. Bereits in der Junior Highschool kam sie mit dem Thema in Berührung. Eine Jugendbetreuerin in ihrer Kirche erwähnte, dass sie nach Kambodscha reise, um Mädchen aus den Rotlichtbezirken des Landes zu helfen. „Allein die Vorstellung von so etwas wie Menschenhandel machte mich sprachlos", sagte sie mir. „Nicht nur, dass jemand immer wieder vergewaltigt wird, sondern dass es da noch Leute gibt, die daraus Vorteile ziehen und daran Geld verdienen."

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Die grauenerregenden Geschichten der Kirchenbetreuerin ließen Kennedy nicht los. Während ihrer gesamten Highschool-Zeit hielt sie sich informiert über den Menschenhandel, indem sie Artikel darüber las. Auf der Uni beschloss sie, dass ihr Abschlussprojekt sich darauf konzentrieren würde.

Allein die Vorstellung von Menschenhandel machte mich sprachlos. Nicht nur, dass jemand immer wieder vergewaltigt wird, sondern dass es da noch Leute gibt, die daraus Vorteile ziehen und daran Geld verdienen.

Laut Kennedy ist ein großes Problem in der Bekämpfung des Menschenhandels, dass die Verbrecher das Internet auf ihrer Seite haben. „Die Technologie hat Zuhältern ein größeres Publikum beschert und damit ihre Arbeit erleichtert", sagte sie. „Sie können leichter Opfer transportieren, sie leichter rekrutieren, und so weiter." Die Behörden müssen allerdings erst noch Werkzeuge entwickeln, um die riesigen, offenen digitalen Netzwerke zu nutzen, über die Zuhälter, Freier und Opfer verbunden sind. Laut Kennedy haben die meisten Behörden das Problem, dass sie einfach keine Zeit für Innovationen haben.

Im Anfangsstadium sollte Traffic Jam eine Methode liefern, die endlose Datenflut über die weltweite Prostitution zu organisieren. Früher wurden Kleinanzeigen in Printmedien genutzt, um mit Bildern von leichtbekleideten Frauen für unausgesprochene Dienste zu werben. Digitale Medien sind diesem Beispiel gefolgt. Allein auf Craigslist erscheint eine endlose Flut an Anzeigen, in denen Freiern jede erdenkliche Handlung angeboten wird. Die Frage, die sich Kennedy stellte, war, wie sie die Rohdaten in etwas verwandeln konnte, mit dem potentiellen Opfern geholfen werden konnte.

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Um diese Frage zu beantworten, beschloss sie, sich mit den Daten vertraut zu machen. Sie las Hunderte—wenn nicht Tausende—Online-Posts, wobei ihr klar wurde, wie sie diese einsetzen konnte, um das Problem zu bekämpfen. Sie kam zu dem Schluss, dass diese Anzeigen von Zuhältern geschrieben werden: Zwar enthielten sie personenbezogene Daten wie Telefonnummern und Namen, doch diese veränderten sich häufig, während die grobe Form der Posts in etwa gleich blieb. In jeder Anzeige gab es verräterische Hinweise auf die Identität des Autors und darauf, welche der Mädchen sie möglicherweise verkauften.

Kennedy wollte Software entwickeln, die all diese Daten analysierte und ähnliche Posts einander zuordnete. Dadurch würde es vermutlich einfacher werden, ein Auge darauf zu haben, welcher Zuhälter was tat, und es würden dadurch aktuelle Informationen zu ihren Aufenthaltsorten vorliegen. Wenn eine Anzeige eine neue Telefonnummer hatte, dann hatte der Zuhälter vermutlich ein neues Wegwerftelefon gekauft; Traffic Jam merkte sich diese Information automatisch. Der Grundgedanke ist es, die bereits zugänglichen Daten zu nutzen, um immer aktuelle Informationen zu den Tätern und den ihnen zuordenbaren Opfern zu haben. Als ich sie fragte, wie Ermittler bei den von Traffic Jam gesammelten Daten den Unterschied zwischen Opfern des Menschenhandels und freiwillig Prostituierten erkennen würden, sagte sie, sie würden sich auf ihre Intuition und ihre Kenntnisse über die Stadt verlassen. Sie fügte hinzu, dass laut US-Gesetz „alle Minderjährigen, die in der Sex-Industrie arbeiten, als Menschenhandelsopfer eingestuft [seien]—Menschenhandel heißt, durch Gewalt, Betrug oder Nötigung dazu bewegt. Das steht also außer Frage."

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Kennedy spricht bei einer Veranstaltung. Foto mit freundlicher Genehmigung von Emily Kennedy

Um ihren Plan zu verwirklichen, musste Kennedy die Prostitutionsanzeigen gut kennen. Sie beschrieb ihre Studienzeit: Die Augen auf dem Bildschirm, durch Prostitutionsanzeigen scrollen, um zu sehen, was ihr auffällt. „Ich saß einfach nur stundenlang da und habe diese Websites und die Anzeigen angesehen. Ich habe mich damit vertraut gemacht, was die Norm war", sagte sie. Sie fing an, die Nuancen der einzelnen Einträge zu bemerken, zu verstehen, wie das Grundgerüst einer solchen Anzeige aussah und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wer hinter ihnen steckte. Zwar war es ein verstörendes Thema, doch ihre eingehende jahrelange Beschäftigung damit half Kennedy dabei, die verräterischen Details zu erkennen, die die Software suchen sollte.

Traffic Jam fing als Forschungsprojekt in einem Bachelor-Wahlfach an, doch so richtig Fahrt gewann es erst nach Kennedys Abschluss. 2012 stellte das an der Carnegie Mellon University ansässige Auton Lab sie als Forscherin ein. Auton konzentriert sich auf die Analyse und Auswertung von Daten, um versteckte Muster aufzudecken. Das Team sieht sich große Datensätze an und setzt Werkzeuge wie künstliche Intelligenz ein, um ihre versteckten Bedeutungen herauszufiltern. Kennedy wusste, dass Auton der perfekte Ort für ihr Projekt war. Andere wussten das auch: Im selben Jahr erhielt Traffic Jam Fördergelder von dem Forschungsriesen der US-Verteidigung, der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), sowie der National Science Federation.

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Heute, drei Jahre später, hat sich ihr Uniprojekt zu einer richtigen Firma entwickelt. Sobald die Behörden die erste Version von Traffic Jam in die Finger bekamen, fingen sie an, um mehr und mehr Features zu bitten. Damals wurde Traffic Jam als im „Forschungsstadium" eingestuft. Damit das Programm sich weiterentwickeln konnte, brauchte es dringend eine andere Umgebung, wie Kennedy erklärte. Letztes Jahr trennten sich Auton und Traffic Jam und Kennedy gründete Marinus Analytics, womit sie nun nicht nur Forscherin, sondern auch Tech-Unternehmerin ist.

Marinus hat sein Büro in Pittsburgh, also teilt sich Kennedy ihre Zeit zwischen Pennsylvania und Nordkalifornien auf. Etwa 50 Organisationen verwenden die Software aktuell, darunter Behörden auf Bundesstaaten- und Lokalebene sowie landesweite Behörden wie das FBI. Die Firma behauptet aktuell, mehr als 120 Menschenhandelsopfern geholfen zu haben. Diese Zahl wirkt vielleicht wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, doch es ist nur der Anfang für Traffic Jam und andere automatisierte Programme zur Aufspürung von Verbrechen.

Kennedy ist immer noch ein wenig sprachlos darüber, dass sich ihr Uniprojekt so weit entwickelt hat. Sie ist definitiv eine Besonderheit in diesem Fach: Frauen sind zwar der Fokus der Prostitution, doch die meisten Ermittler, die mit dem Thema arbeiten, sind Männer. Seit 2012 hält Kennedy auf Konferenzen Vorträge und hilft bei der Ausbildung verschiedener Berufe. Bei ihrer ersten Ermittlerkonferenz wussten die anderen Teilnehmer nicht so recht, was sie von ihr halten sollten. „Ich war immer eine Kuriosität", sagte sie. „Ich sehe nicht aus wie ein Detective."

Es ist wahr: Sie ist kein Detective. Sie ist das technologische Gehirn hinter einem Werkzeug, das die Detectives dringend benötigen. Und so lange sie die verdiente Aufmerksamkeit bekommt, wird sie auch weiterhin zu Konferenzen und Operationsbesprechungen gehen und im Hintergrund intelligent die Fäden für eine bessere Welt ziehen.